Ein wirkliches Zuhause
Transparenz trifft Geborgenheit: zeitreisender Wohnbau im Londoner Stadtteil Hackney.
Im Londoner Stadtteil Hackney erweiterte das Architekturbüro Cousins & Cousins ein zweigeschossiges Reihenhaus aus der Gründerzeit. Das Ergebnis ist ein atmosphärisches Versteckspiel, bei dem die Transparenz der Moderne mit viktorianischer Geborgenheit zusammenwirkt.
Illusionen gehören längst nicht mehr nur zum Repertoire von Zauberkünstlern. Auch gestandene Architekten greifen mitunter in die Trickkiste und führen die Menschen an der Nase herum. Wie die Grenze zwischen Alt und Neu auf unprätentiöse Weise verschwimmen kann, zeigt das Londoner Architekturbüro Cousins & Cousins. Im Stadtteil Hackney realisierte das Team von Ben und Jelena Cousins einen Erweiterungsbau, der sich wie ein Chamäleon in seiner viktorianischen Umgebung versteckt.
Quer zur Reihe
Vier Schlafzimmer zählte das zweigeschossige Reihenhaus vor seiner Verwandlung. Als der Platzbedarf der Familie wuchs, entschied sie sich eindeutig gegen einen Umzug. Die Lösung des Problems bestand in einer Erweiterung in den Garten, ohne dabei den traditionellen Charme des Häuserensembles aufgeben zu müssen. Cousins & Cousins haben daraufhin einen schmalen Riegel entwickelt, der orthogonal an die Häuserreihe andockt und sie in den Garten fortsetzt. Dieser Umstand wäre für sich alleine genommen noch nicht der Rede wert. Der Clou des Entwurfs liegt in seiner räumlichen wie stilistischen Inklusivität.
Zeitlicher Schulterschluss
Um keinen Fremdkörper zu erzeugen, orientierten die Architekten die Kubatur des Neubaus mitsamt dem Satteldach an der vorhandenen Substanz. Eine verbindende Aufgabe übernimmt ebenso die Materialität. Indem die Ziegelsteine der abgetragenen Hoffassade für den Anbau verwendet wurden, entstand ein fließender Übergang zwischen den Epochen. Unterstützt wird die integrierende Wirkung durch das einstige Badezimmerfenster au dem Obergeschoss, das ebenso wenig auf dem Müll landete, sondern an die Stirnseite des Erweiterungsbaus versetzt wurde.
Schnitt ins Mauerwerk
Die innere Aufteilung des Seitenflügels ist klar definiert: Während das Obergeschoss ein zusätzliches Schlafzimmer aufnimmt, fungiert das Erdgeschoss als neues kommunikatives Zentrum des Hauses: Cousins & Cousins entschieden sich hier für einen klaren stilistischen Bruch und öffneten den Koch- und Essbereich mit zwei raumhohen Panoramafenstern zum Garten. Durch die rahmenlose Verglasung, die den Raum sowohl an seiner Längst- als auch an seiner Querseite umspielt, wird ein Hauch Mies van der Rohe in das historische Ensemble eingebettet.
Stimmiger Auftritt
Eine raumhohe Schiebetür öffnet den Essbereich zum Garten, der von einer Ziegelmauer und dichter Vegetation umgeben ist. Das Wechselspiel aus Alt und Neu bestimmt zugleich die Möblierung des Erdgeschosses. Die reich verzierte Kommode sowie der große Esstisch wurden aus dem Altbau übernommen, während die Küche an ihrer bisherigen Stelle bleiben konnte. Lediglich sechs Plastic Side Chairs von Charles und Ray Eames schlagen die Brücke zur Moderne. Die weißen Kunststoffmöbel wirken wie ein Klebstoff, der die stilistischen Epochen sicher zusammenhält. Das Ergebnis dieser Intervention ist alles Andere als ein selbstverliebter Hybrid. Indem Cousins & Cousins die Atmosphäre des Vorgängerbaus auf subtile Weise in die Gegenwart übersetzt haben, ist ein Ort mit Charakter entstanden: ein wirkliches Zuhause.