Frachtschiff im Diplomatenpark
Von acht auf achtzig in zehn Jahren: Was im Automobilsport als Schneckentempo gelten würde, ist im Bereich des Unternehmenswachstums rekordverdächtig – zumal in der eher kleinteilig organisierten Kreativbranche. Das Schweizer Architekturbüro group8 hat seit seiner Gründung im Jahr 2000 einen fulminanten Aufstieg hingelegt; die inzwischen neun Partner beschäftigen rund siebzig Mitarbeiter und unterhalten Dependancen in Hanoi und New York. Für den Heimatstandort Genf haben sie sich zum zehnjährigen Firmenjubiläum ein besonderes Geschenk gemacht: Sie bauten eine ehemalige Industriehalle zur eigenen Bürozentrale um. Hier verwirklichten sie ihre Entwurfsgrundsätze zum Arbeiten in einer nachhaltigen, teamorientierten und räumlich spannungsvollen Umgebung.
Der Bürostandort der neuen Zentrale group8 in Genf hat so gar nichts mit unserem Bild der Schweizer Metropole gemein: Weitab vom malerischen Genfer See und den gediegenen Niederlassungen der internationalen Organisationen und ihrer Diplomaten liegt sie in einem spröden Industriegebiet im Nordwesten der Stadt. Doch das Büro profitiert durchaus vom internationalen Ambiente der zweitgrößten Stadt der Schweiz: Seine Kunden sind Institutionen wie die World Trade Organisation WTO, die Stiftung für Gebäude internationaler Organisationen FIPOI oder das Internationale Komitee des Roten Kreuzes ICRC. Angesichts der Tatsache, dass zudem große Aufträge des Büros im Ausland realisiert werden, wollten die Architekten von group8 auch in ihren eigenen Räumlichkeiten dieser internationalen Ausrichtung Ausdruck verleihen. Zum Sinnbild dafür wurde der Schiffscontainer, der in unterschiedlichen Ausführungen nun das Studio beherrscht und dessen ursprüngliche Aufgabe dem Büro auch den internen Namen gab: Cargo – Fracht.
Das Loft als Passepartout
Der Raum lebt von der Spannung aus einem sehr reduziert gestalteten Setting – der großen Halle des Büros – und den rohen bis rostigen, farbigen Schiffscontainern, die nach dem „Raum im Raum“-Prinzip in das weiträumige Loft gestellt und gestapelt wurden. Dabei wirkt die Halle selbst wie ein Passepartout, ein weißer Hintergrund für die Container und Arbeitsplätze. Die Container finden auf der fensterlosen Seite des Raumes Platz, sie werden über einen Galerie-artigen Steg und Industrietreppen erschlossen. Allerdings ist der Komplex leicht in den Raum hineingerückt, da direkt an der Wand ein hohes Bücherregal als Raumabschluss dient und von dieser Seite auch die Serviceräume zugänglich sind. Der Großteil der Arbeitsplätze liegt im offenen Raum der Halle – am „Fuß“ der Container – und wird über große Industriefenster und die Oberlichter des Sheddachs belichtet.
Großraum, Zelle und dazwischen
Durch das realisierte Konzept vom „Raum im Raum“ sind zwei traditionelle Arbeitsplatztypen möglich: Während die Halle ein klassisches Großraumbüro ist, konnten in den Containern abgeschlossene Einheiten eingerichtet werden. Die Container wurden dazu an den Stirnseiten aufgeschnitten, die Wände hier mit Glas ersetzt. So hat man einen Überblick über die sich darunter ausbreitende Bürolandschaft. Neben wenigen Arbeitsplätzen – einer „Wettbewerbszelle" als Repräsentant des „Zellenbüros" – sind aber vor allem die gemeinschaftlich genutzten Einheiten von group8 in den Containern angesiedelt: So wurden im „Obergeschoss“ zwei Container zum großen Besprechungsraum zusammen geschaltet, einen weiteren gibt es für kleinere Sitzungen. Eine besondere räumliche Situation wurde hier für die Mittagspause und sonstige Mahlzeiten in größerer Runde geschaffen: Die Frachtkiste für die Teeküche öffnet sich zu einer großen „Innenraum-Terrasse“. Die Zwischenbereiche neben und zwischen den Containern bieten so Aufenthalts- und Arbeitssituationen, welche die beiden klassischen Typen sinnvoll ergänzen. Im „Erdgeschoss“ unter der „Mittags-Terrasse“ befindet sich der Eingangsbereich mit dem Sekretariat. Daneben sind ein weiteres Besprechungszimmer und die WC-Anlagen – alle in Schiffskisten – untergebracht.
Professionell ausgestattete Bürolandschaft
Auch bei der Planung des Großraumbüros wurde nichts dem Zufall überlassen. Die Architekten arbeiteten hier mit dem spanischen Möbelhersteller Dynamobel zusammen. Von ihm ließen sie sich komplett ausstatten: Bei den Arbeitstischen, den so genannten Workstations, gibt es Tische des Programms Tec sowie das individuell höhenverstellbare System Base. Als Arbeitsstühle wählten die Architekten das Modell Dos. Die Stauraum-Elemente T-Box dienen hier gleichzeitig als halbhohe Trennungen der Arbeitsplätze, sie wurden Kaskaden-artig je nach Bedarf unterschiedlich hoch gestapelt – und spiegeln damit die Container-Stapel im Kleinen. Im Bereich der Sitzungszimmer und Meeting-Räume entschieden die Architekten sich für Neta- und Tec-Tische, hier kamen Stühle aus den Serien Dis, Trazo, Dos und Pad zum Einsatz. Auch im Bereich des Großraums wurde auf Rückzugsbereiche Wert gelegt: So gibt es hier zwei halboffene Besprechungsnischen. Sie sind aus Nexus-Trennwänden und Ginza-Bänken gestaltet und bilden kleine, weich gepolsterte Inseln in der offenen Bürolandschaft.