Gelungener Abgang
Das Bestattungsinstitut Exit Here in London
Anstatt auf Schwere und Pathos zu setzen, geht das Bestattungsinstitut Exit Here in London neue Wege. Das Unvermeidliche wird nicht weiter als lästige Pflichtübung verstanden, sondern mit Lockerheit und Humor in eine Kür verwandelt. Ein Plädoyer für eine entspanntere Abschiedskultur.
Geschäft ist nicht gleich Geschäft. In jeder Branche gelten andere Regeln und Maßstäbe, vor allem bei einem überaus sensiblen Thema: dem Tod. Dass hierbei durchaus ungewöhnliche Wünsche zu berücksichtigen sind, bewies US-Autor Hunter S. Thompson. In seinem Testament hatte er verfügt, seine Asche nicht konventionell unter die Erde bringen zu lassen, sondern sie per Kanone in den Himmel zu schießen. Als es soweit war, schlugen dazu japanische Musiker mit Stöcken auf ihre Instrumente ein, während Feuerwerkskörper das ganze Spektakel untermalten.
Skulpturen für das Jenseits
Kreativität in der Planung des finalen Abgangs verspricht auch das Bestattungsinstitut Exit Here in London. Trauer wird nicht mit biederem Ernst gleichgesetzt. Auch exzentrische und humorvolle Lösungen sind erlaubt. Außen prangt der Name in blauen, handgeschriebenen Lettern über dem Ladengeschäft im Londoner Stadtteil Chiswick, als hätte ein Riese das weiß getünchte Gebäude als Notizblock verwendet. Im Schaufenster stehen drei weiße Sockel mit scheinbar ausgebreiteten Minimal-Art-Skulpturen. Die Wahrheit liegt auch hier zwischen den Zeilen – schließlich sind beim genaueren Hinsehen miniaturisierte Sargmodelle und Urnen im Originalmaßstab zu bestaunen.
Stilistischer Wandel
Durch eine große Rundbogentür geht es in einen Empfangsraum mit blauem Sofa und geschwungenem Sessel, dessen William-Morris-inspirierter Stoffbezug mit leuchtenden Sonnen- und Ringelblumen die Blicke auf sich zieht. Das Gelb der Blätter findet ein Echo in einem lang gestreckten Teppich mit abgerundeten Enden – eine Form, die ebenso von einem weißen Couchtisch aufgegriffen wird. An den hellblau getünchten Wänden ziehen Trompetenleuchten mit weißen, opaken Schirmen die Blicke auf sich. Die Holzlamellen in den Fensterrahmen greifen die Materialität des Fußbodens auf.
Von dort geht es weiter in einen Besprechungsraum, wo sich vier hölzerne Stühle mit gelben Sitzpolstern um einen runden, schwarzen Tisch gruppieren. Die Wände sind ebenfalls in einem sanften Gelb gehalten statt in neutralem Weiß. Die Räume könnten als Eingangsbereich eines Boutiquehotels herhalten – oder als Zuhause eines freizügigen Stadtbewohners, der die Blicke der vorbeiziehenden Passanten nicht scheut. Der Tod wird hier nicht als ein Ende verstanden, sondern als ein Aufbruch in eine neue Zeit. Die unumgänglichen Formalitäten werden in einer räumlichen Umgebung erledigt, die Trost durch energetische Farben und wohnlichen Charme spendet.
Trio Infernal
Dass dieser eher ungewöhnliche Weg beschritten wird, mag auch an der Mischung der Gründer von Exit Here liegen. Der Unternehmer Oliver Peyton ist kein Unbekannter im Gastgewerbe. Er besitzt mehrere Restaurants, schrieb zwei Kochbücher und gehörte für mehrere Jahre zur Jury der BBC-TV-Sendung Great British Menu. Für das Geschäft mit dem Tod hat sich Peyton mit Barry Pritchard zusammengeschlossen, dessen Familie seit drei Generationen im Bestattungswesen tätig ist. Der Dritte im Bunde ist der Designer Ben Masterton vom Büro Transit Studio.
Urnen in Pillenform
Masterton übernahm nicht nur die Inneneinrichtung des Londoner Instituts, sondern gestaltete auch die letzten Ruhestätten der Verstorbenen. Langeweile ist allerdings auch hier nicht zu befürchten. Die Särge – ihre Form gleicht einem langen Quader mit halbkreisförmig abgeruneten Enden – stehen in gelbleuchtenden Lackoberflächen, opulenten, geometrischen Dekoren oder in kunstvollem Bastflechtwerk zur Auswahl. Auch die Urnen scheren aus den lange als unumstößlich geltenden Konventionen der Branche aus und lassen an überdimensionale, blaue oder schwarze Pillen denken. Das Unvermeidliche wird hier nicht mit Schwere und Pathos aufgeladen, sondern mit wohltuender Leichtigkeit vermischt: Ein Abgang, wie ihn sich viele wünschen mögen.