Gläsernes Kulinarium
Die von Kengo Kuma gestaltete ShunShoku-Lounge bietet Antworten auf Geschmacksfragen.
Ein gutes Gericht, so lautet eine Kochweisheit, besteht immer aus verschiedenen Ebenen. Wird die Schnittstelle genau getroffen, so ist das kulinarische Intelligenz. In Tokio hilft jetzt eine Agentur bei der Suche nach Orten mit einem überragenden Ess-IQ. Ihre Botschaft der Feinschmecker in Osaka wurde vom Studio des japanischen Architekten Kengo Kuma gestaltet. Mit einer homogenen wie einfachen Schichtstruktur wird die Schnittstelle zwischen Lounge, Beratungsstelle und Showroom hergestellt.
Die japanische Agentur Gurunavi gibt offiziell Geheimtipps. Ihr Feld: Gourmet-Restaurants. In einer Stadt wie Tokio mit über 13 Millionen Einwohnern und 80.000 Gastronomiebetrieben – zum Vergleich: New York zählt 15.000, London spricht von 6000 – geht der kulinarische Überblick schnell verloren. Gurunavi vermittelt zwischen denen, die exzellente und außergewöhnliche Gerichte schätzen und denen, die exzellente und außergewöhnliche Gerichte auf ihren Karten haben. Gurunavis Instrument ist zum einen eine Webseite, auf der nach Kategorien und Orten gefiltert werden kann. Und seit Ende des letzten Jahres auch der Showroom in Osaka. Besucher erhalten Auskunft über besondere Restaurants oder probieren im Cafébereich ausgewählte Snacks und Smoothies. Daneben weiten Ausstellungen, die seltene Zutaten vorstellen oder über saisonale Produkte aufklären, den kulinarischen Horizont.
Unsichtbare Grenzen
85 Quadratmeter ist der Shop groß und in zwei voneinander unabhängige Räume geteilt. Eine öffentliche Passage in unmittelbarer Nähe der Bahnstation Osaka trennt das Büro mit dem integriertem Informationszentrum von der Shun Shoku Lounge mit Café- und Eventbereich. Diese infrastrukturell günstige Lage wird durch die transparente Inszenierung ausgenutzt. Von jeweils drei Seiten sind die Kuben von Glasfronten umschlossen. Selbst hastig passierende Pendler erhalten so den vollen Einblick und eine dezente Einladung in die Räume, die sich ohne sichtbare Grenzen in den Stadtraum schieben.
Schichtstufenland
Die Innenstrukturen wurden von den Architekten ausschließlich in roher und unbehandelter Sperrholzplatte ausgeführt und bilden eine Landschaft aus Bänken, Tischen und Displayflächen. Zwischen den Ebenen liegen dunklere Platten, die die einzelnen Schichten und ihre Versätze hervortreten lassen. Diese Topografie ist verbindendes und gleichzeitig trennendes Element der verschiedenen Funktionsbereiche. Ebenen, Räume, aber auch gliedernde Elemente wie die beiden Tresen sind konsequent aus Holzplatten errichtet. „Wir erwarten, dass zwischen dem Essen und den hölzernen Strata die richtige Harmonie besteht“, beschreibt das Büro von Kengo Kuma selbst den Ansatz. Einige breit angelegte Stufen führen im Café zu einem Podest mit integrierter Sitzbank, und die Bar bietet auf mehreren Etagen Abstell- und Displayflächen an. Durch die wellenförmigen Überlagerungen entsteht eine ganz eigene Raumdynamik, die das Interieur beim Durchlaufen aus jedem Blickwinkel anders wirken lässt. Damit belegt Gurunavis Showroom ganz nebenher eine alte Weisheit aus dem gestalterischen Vokabular Japans, und vermittelt auch ein weiteres Rezept: Einfache Materialien müssen nicht zu simplen Inszenierungen führen.