Projekte

Gold in Mode

Alt trifft neu: Rem Koolhaas' neuer Hauptsitz für die Fondazione Prada in Mailand. 

von Norman Kietzmann, 06.05.2015

Am 9. Mai wurde der neue Hauptsitz der Fondazione Prada in Mailand eröffnet. Rem Koolhaas lässt auf dem Areal einer früheren Brauerei nicht nur vorhandene und neue Bausubstanz zusammentreffen, sondern vermischt ebenso innen und außen zu einem kontinuierlichen Fluss. Ein poppiger Höhepunkt wird dem Ensemble mit einem Café des Regisseurs Wes Anderson gesetzt.

In Mailand steht ein verwunschenes Haus. Stolz ragt es in die Höhe, ohne mit windschiefen Brettern und düsterer Farbe an seine filmischen Vorbilder aus Psycho oder der Adams Family zu erinnern. Das verwunschene Haus der neuen Fondazione Prada in Mailand trägt ein blattgoldenes Gewand – und tanzt damit deutlich aus der Reihe von Rem Koolhaas‘ aktuellem Werk. Anstelle der großen Geste sucht der Rotterdamer hier vor allem eines: einen bodenständigen Schulterschluss zum Ort.

Beständige Entwicklung
Bereits 15 Jahre währt die Zusammenarbeit zwischen OMA/AMO und dem Mailänder Modehaus, aus der nicht nur die Boutiquen in New York und Beverly Hills hervorgegangen sind. Sechs Mal im Jahr gestalten die Niederländer die Prada- und Miu-Miu-Modenschauen – von den wechselnden Kulissen bis hin zum Grafikdesign der Einladungen. Ebenso von Koolhaas werden die Aktivitäten der 1993 gegründeten Kunststiftung Fondazione Prada betreut, die nach dem Palazzo Ca‘ Corner della Regina in Venedig nun auch in Mailand einen dauerhaften Sitz gefunden hat.

Immer wieder sind die Pläne für das 19.000 Quadratmeter große Industrieareal im Süden der Stadt überarbeitet worden, während sich die geplante Fertigstellung von 2013 auf die Eröffnungstage der diesjährigen Mailänder Expo verschob. Noch immer ist das Projekt nicht vollständig abgeschlossen. Noch ein gutes Jahr wird vergehen, bis der 60 Meter hohe Ausstellungsturm und seine Panorama-Galerien mit Blick auf die Mailänder Innenstadt vollendet sein werden. 

Bescheidener Auftritt 
Anstatt der 1916 erbauten Destillerie ein grundlegend neues Raumprogramm überzustülpen, wählte Koolhaas einen anderen Weg. „Wir haben versucht, das Vorhandene und Neue derart fließend zusammenzufügen, dass man nicht genau bestimmen kann, ob man sich in einer neuen oder alten Situation befindet“, erklärt der 70-Jährige. Es sind betont leise Töne, die während der Pressekonferenz von seiner Seite zu hören sind. Er spricht von der Ermüdung am Geniekult, die im Interesse an Bescheidenheit mündet. Was er an dem Gebäudeensemble schätzt, ist dessen industrielle Umgebung mit jener wild überwucherten Gleisanlage, die wie ein grüner Puffer in Richtung Innenstadt funktioniert. „Ein Tsunami an Gentrifizierung ist hier kaum zu befürchten“, sagt er. 

Innen und Außen
Gewiss, mit dem tosenden Auftritt von Frank O. Gehrys neuem Louis-Vuitton-Museum in Paris hat das Mailänder Projekt nur wenig gemeinsam. Selbst die neu hinzugefügten Bauten folgen der Kubatur der vorhandenen Substanz, die aus bautechnischen Gründen zuvor abgetragen werden musste. Eine Sammlung von Räumen hatte Koolhaas im Sinn, die nicht nur Galerien und Ausstellungsräume umfasst. „Man kann mehrere Straßen, Höfe und Plätze entdecken. Sie geben dem Projekt eine Qualität, die weit über den Kontext eines Museums hinausgeht und öffentliche Orte erzeugt“, sagt der Architekt.

Poröse Oberflächen
Doch ganz ohne Handschrift geht es auch bei diesem Projekt nicht. So können die verspiegelten Außenwände des Kinos nach oben geklappt werden und verwandeln den Ort in ein Open-Air-Theater. Direkt nebenan befindet sich die zentrale Galerie: ein rundum verglaster Raum von annähernd quadratischem Grundriss, der sich an drei Seiten zu seiner Umgebung öffnet. Die Decke wurde wie die einzige Innenwand mit geschäumten Aluminium-Paneelen verkleidet, deren poröse Oberflächen das Umgebungslicht aufsaugen und ihre Erscheinung permanent verändern. Schmale Lichtbänder verleihen dem Raum Dynamik, der im tektonischen Fluss erscheint.
Serielle Antike
Wie auf einer Theaterbühne ragen erhöhte Plattformen aus dem Boden des Galerie heraus. Die Travertinplatten werden von gestapelten Plexiglasblöcken hochgehalten und bilden einen perfekten atmosphärischen Kontrapunkt zu den darüber ausgestellten Marmorskulpturen. „Serial Classic“ heißt die Eröffnungsausstellung, mit der die Fondazione Prada erstmals den Blick ausschließlich in die Vergangenheit richtet. Unter der kuratorischen Leitung von Salvatore Settis wird ein Mythos vom Sockel gestoßen: das  Bild des künstlerischen Originals. Schon in der Antike sind Skulpturen in unterschiedlich hohen Auflagen angefertigt wurden, denen weitere Nachahmungen aus der Renaissance und späteren Epochen gegenübertreten. Auch hier wird der Geniekult demontiert und die Kunst auf die Schiene der industriellen Produktion gesetzt.  

Goldenes Haus
Einen poppigen Einschlag verspricht das "verwunschene Haus", das diesen Titel nicht ganz freiwillig trägt. Weil Italiens Baubehörden in puncto Fluchtwegen keinen Spaß verstehen, darf der viergeschossige Bau mit seinem engen Treppenhaus nicht dauerhaft für öffentliche Ausstellungen genutzt werden. Kunst ist dennoch in diesen Räumen zu finden – wenngleich die strengen Bauvorschriften mit zeitlich festgelegten Zugangskarten umgangen werden kann. Dass der viergeschossige Bau nicht nur durch seine Höhe, sondern ebenso mit seiner Fassade auffällt, war zunächst nicht geplant. „Die goldene Farbe war eine Entscheidung in letzter Minute. Wir wollten damit den Respekt vor der Vergangenheit zeigen. Gleichzeitig haben wir herausgefunden, das Gold ein recht günstiges Fassadenmaterial ist im Vergleich zu Marmor oder anderen Farben“, erklärt Rem Koolhaas.

Faszinierend sind in seinen Augen vor allem die Reflexionen, die sich von der goldenen Fassade in die gesamte räumliche Umgebung übertragen. „Wenn sich das Sonnenlicht nur minimal verändert, hat dies eine spürbare Auswirkung auf den gesamten Komplex“, erklärt der Niederländer. An der Schnittstelle von Realität und Fiktion bewegt sich die Bar, die auf Wunsch Miuccia Pradas vom Filmregisseur Wes Anderson entworfen wurde. In der nachgebauten Kulisse einer Mailänder Bar der fünfziger Jahre kann so der Ausstellungsrundgang ausklingen, während der goldene Schimmer eines verwunschenen Hauses durch die Fenster dringt.

Facebook Twitter Pinterest LinkedIn Mail
Links

Fondazione Prada

www.fondazioneprada.org

Mehr Projekte

Duale Spirale

Neuer Bershka-Shop von OMA in Mailand

Neuer Bershka-Shop von OMA in Mailand

Effizienter Holzbaukasten

Büroneubau in Oslo mit durchdachter Lichtplanung

Büroneubau in Oslo mit durchdachter Lichtplanung

Nachhaltig, individuell, vernetzt

Die neuen Lichtlösungen für moderne Arbeitswelten von TRILUX

Die neuen Lichtlösungen für moderne Arbeitswelten von TRILUX

Kulturelle Schnittstelle

Neue Showrooms von JUNG in Europa und Asien

Neue Showrooms von JUNG in Europa und Asien

Schaufenster fürs Licht

Neues Studio der Lichtmanufaktur PSLab in Berlin

Neues Studio der Lichtmanufaktur PSLab in Berlin

Licht im Gewölbe

Apartmentumbau in Valencia von Balzar Arquitectos

Apartmentumbau in Valencia von Balzar Arquitectos

Atmosphärisch und funktional

Lichtkonzept für das Berliner Spore Haus von Licht Kunst Licht

Lichtkonzept für das Berliner Spore Haus von Licht Kunst Licht

Leuchtende Architektur

RHO gestaltet einen flexiblen Eventspace in Berlin

RHO gestaltet einen flexiblen Eventspace in Berlin

Sprechende Wände

Paul Smith blickt auf das Werk von Pablo Picasso

Paul Smith blickt auf das Werk von Pablo Picasso

Belebter Backstein

Mehrfamilienhaus in ehemaliger Textilfabrik in Melbourne

Mehrfamilienhaus in ehemaliger Textilfabrik in Melbourne

Baumhaus am Hang

Balmy Palmy House von CplusC Architectural Workshop in Australien

Balmy Palmy House von CplusC Architectural Workshop in Australien

Der Periskop-Effekt

Hausumbau von Architecture Architecture in Melbourne

Hausumbau von Architecture Architecture in Melbourne

Shoppen im Wattebausch

Neue Jacquemus-Boutiquen von AMO in Paris und London

Neue Jacquemus-Boutiquen von AMO in Paris und London

Tanz in der Luft

Café Constance in Montreal von Atelier Zébulon Perron

Café Constance in Montreal von Atelier Zébulon Perron

Explosion der Farben

Der Frankfurter Nachtclub Fortuna Irgendwo

Der Frankfurter Nachtclub Fortuna Irgendwo

Heim aus Holz

Neubau eines Wohnhauses von Russell Jones in London

Neubau eines Wohnhauses von Russell Jones in London

Schwimmendes Smart Home

Modernes Yachtdesign mit intelligenter KNX-Technik von JUNG

Modernes Yachtdesign mit intelligenter KNX-Technik von JUNG

Ins rechte Licht gerückt

Medienfassade erleuchtet nachhaltige Landstromanlage am Port of Kiel

Medienfassade erleuchtet nachhaltige Landstromanlage am Port of Kiel

Hommage ans Licht

Haus des kanadischen Architekten Omar Gandhi in Halifax

Haus des kanadischen Architekten Omar Gandhi in Halifax

Polychrome Praxis

12:43 Architekten gestalten Behandlungsräume in Le Corbusier-Farben

12:43 Architekten gestalten Behandlungsräume in Le Corbusier-Farben

Um die Bäume gebaut

Schwebender Anbau in Montreal von TBA

Schwebender Anbau in Montreal von TBA

Louise in Lissabon

Im Restaurant von DC.AD trifft Art déco auf Neonlicht

Im Restaurant von DC.AD trifft Art déco auf Neonlicht

Haus der Lichtringe

Maßgeschneiderte Beleuchtungslösungen im CSSB in Hamburg

Maßgeschneiderte Beleuchtungslösungen im CSSB in Hamburg

Helle Hightech-Forscherwelt

Beleuchtung des Biozentrums Basel von Licht Kunst Licht

Beleuchtung des Biozentrums Basel von Licht Kunst Licht

Kubus aus Kalkstein

Erweiterung des Kunsthauses Zürich von David Chipperfield Architects Berlin

Erweiterung des Kunsthauses Zürich von David Chipperfield Architects Berlin

Das Laternen-Loft

Familiendomizil in Montreal von Future Simple Studio

Familiendomizil in Montreal von Future Simple Studio

Architekturikone in neuem Licht

Denkmalgerechte Beleuchtung der Neuen Nationalgalerie von Arup

Denkmalgerechte Beleuchtung der Neuen Nationalgalerie von Arup

Vermeers Backstube

Brotmanufaktur Aera von Gonzalez Haase AAS in Berlin

Brotmanufaktur Aera von Gonzalez Haase AAS in Berlin

Multifunktionales Minihaus

Smart wohnen auf 35 Quadratmetern

Smart wohnen auf 35 Quadratmetern

Mehr Raum auf kleiner Fläche

Umbau eines Mikroapartments in Cascais

Umbau eines Mikroapartments in Cascais