In aller Munde
Was hat Volkswagen mit Bio-Brot zu tun? Eine berechtigte Frage, denn in Wolfsburg, wo die Autostadt täglich bis zu 7000 Besucher anlockt, finden sie in der Manufaktur Das Brot zusammen. Das Münchner Design- und Kreativbüro Designliga hat ein ambitioniertes gastronomisches Konzept kongenial in eine Innenarchitektur aus hochwertigen und lokalen Materialien umgesetzt.
Eigentlich geht’s hier ja ums Auto. Um Porsche, Audi, Bentley, Bugatti & Co. Doch die Autostadt in Wolfsburg ist nicht nur weltgrößtes Auto-Auslieferungszentrum und zugleich riesiger Showroom von Volkswagen. Die Autostadt ist auch einer der größten Restaurantbetriebe Deutschlands. Gleich dreizehn gastronomische Einrichtungen liegen verstreut auf dem 28 Hektar großen Gelände am Mittellandkanal – vom Eisladen Cool and Creamy über die Pizzeria Pizza a mano bis hin zum Drei-Sterne-Restaurant Aqua mit Starkoch Sven Elverfeld.
Auto-Tempel mit Bio-Fokus
In sämtlichen gastronomischen Einrichtungen, die vom Schweizer Unternehmen Mövenpick in Abstimmung mit der Autostadt betrieben werden, wird saisonal und regional gekocht. Seit 2003 erfolgt die Umstellung auf Produkte aus ökologischer Landwirtschaft und Tierzucht. Die gerade eröffnete Manufaktur Das Brot setzt dieses nachhaltige Konzept bereits komplett um. Neben den vor Ort hergestellten Broten, Brotaufstrichen, Brötchen und Kuchen werden auch Bio-Produkte von kleinen Herstellern aus der Umgebung verkauft: schwarzer Johannisbeeren-Aufstrich von Demmel & Cie., Praliné-Schokolade von Vivani oder Öl aus der Ölmühle Solling.
Direkt am Mittellandkanal im ServiceHaus gelegen, bietet Das Brot draußen Sitzplätze mit schlichten schwarzen Holzbänken- und Tischen, die zum Verweilen einladen. Eine raumhohe Fensterfront, die sich über die gesamte Breite der Brot-Manufaktur erstreckt, lässt nicht nur viel Tageslicht ins Innere. Der Besucher kann direkt in die Backstube schauen. Bäckermeister und Manufaktur-Leiter Andreas Nölke und seine Crew geben den mehlbestäubten Teig in dekorative Kästen aus Peddigrohr, ehe er in einem Tuffstein-Backofen zu einem Krustenbrot gebacken wird. Der Ofen hat es in sich, backt er doch viel länger als herkömmliche Backöfen. So werden Brot und Brötchen außen knusprig und bleiben innen schön saftig. Für die Backwaren der Manufaktur wird nur wenig Weizen und stattdessen gesunder Lichtkornroggen, Dinkel und Urkörner wie Emmer verwendet.
Zwischen Werkstatt und Tafel: das Interior
Verkauft werden die frisch zubereiteten Leckereien an einem freistehenden, über Eck verlaufenden Tresen aus Edelstahl. Während dieser mit der durch eine Glaswand abgetrennten Backstube die linke Hälfte des Raums einnimmt, ist die rechte Seite dem Gast vorbehalten. Designliga hat sich für einen langen Tisch statt für die kleinteilige Lösung entschieden, was dem Raum Größe gibt. Während die schwarzen Stühle einen schönen Farbkontrast zum kühlen Grau-Blau des Tischs bilden, erzeugt das weiße Schindeldach aus Gips darüber eine angenehme Atmosphäre.
Weitere Sitzgelegenheiten in Form von gepolsterten Bänken in Rot werden umrahmt von Regalen aus Holz mit Türen aus Strohgeflecht. Dafür wurde eigens eine Korbflechterin engagiert. Praktisch, dass sich die Geflechte der Regale versetzen lassen, so dass – je nach Nutzung – immer wieder neue Konstellationen entstehen. Das Geflecht soll an die niedersächsischen Fachwerkhäuser der Umgebung erinnern, wie Serviceleiterin Petra Geermann erzählt. Das auffälligste gestalterische Element des Innenraums jedoch befindet sich auf dem Fußboden. Erst auf den zweiten Blick nimmt das Auge wahr, dass sich das Muster unmerklich verändert. Unter dem Motto „Vom Feld zum Brot“ bildet das schwarz-weiße Fliesenmosaik den gesamten Prozess der Brotherstellung symbolisch verkürzt ab.
Das Interiorkonzept ist stimmig bis ins kleinste Detail: Butter wird in Holzfässern mit Metallinnenleben gereicht, während die saisonalen Brotaufstriche ihren Platz in weiß-blauen Email-Behältern von Falcon Enamel Ware finden und das Frühstück auf schlichten weißen Porzellan-Brettchen von Arzberg serviert wird.
Verkehrte Welt?
Manch einem wird vielleicht nicht ganz wohl sein bei dem Gedanken, dass Automobilkonzerne immer weiter in unser Leben vordringen. Nicht nur mit ihrem eigentlichen Produkt, dem Automobil, sondern weit darüber hinaus: mit Museen und kulturellen Veranstaltungen wie Konzerten und Festivals, Kinderspielplätzen oder gastronomischen Einrichtungen wie Das Brot. Und zwar nicht im öffentlichen Raum und für die Allgemeinheit, sondern auf einem privaten Gelände zum vorrangigen Wohl eines Unternehmens. Das tut dem überzeugenden gastronomischen und gestalterischen Konzept von Das Brot zwar keinen Abbruch. Doch fragt man sich schon, wie es dazu kommen konnte, dass jetzt Unternehmen wie die Autostadt – immerhin eine einhundertprozentige Tochter von Volkswagen – den Anbau und Erhalt der Kartoffelsorte „Rosa Tannenzapfen“ und des original Braunschweiger Braunkohls „Roter Krauser“ unterstützen müssen.