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Juwel an der Seine

von Norman Kietzmann, 28.08.2007

Dass sich Automobilkonzerne derzeit gerne mit zeitgenössischer Architektur umgeben, ist spätestens seit der Autostadt in Wolfburg oder dem Mercedes-Benz-Museum in Stuttgart ein offenes Geheimnis. Ihr Anliegen: Das Technik affine Image von Dynamik, Leistung und Innovation auf möglichst spektakuläre Weise in Szene zu setzen. Ganz in diesem Sinne und doch auf überaus raffiniert französische Weise hat der Automobilbauer Citroen nun seinen neuen Vorzeigesalon auf den Pariser Champs-Elysées gestaltet.
Die Adresse mit der Hausnummer 42 entlang der berühmten Pariser Prachtstrasse bot in den letzten Jahren schon einen reichlich unwirtlichen Eindruck. Große Baucontainer ragten aus dem Grundstück heraus bis weit über den breiten Bürgersteig und unterbrachen somit für Passanten auf der nördlichen Straßenseite die grandiose Sichtachse zum Triumphbogen am oberen Ende der Avenue. Heute, nachdem die Bauarbeiter abgezogen sind, ist nicht nur der Blick wieder frei sondern auch die französische Hauptstadt um ein kleines Juwel reicher: Den neuen Showroom von Citroen, entworfen von der Architektin Manuelle Gautrand. Doch Paris wäre nicht Paris, würde dieser Ort nicht auch seine ganz eigene Geschichte zu erzählen haben. Schon 1928 eröffnete das Unternehmen an jener Adresse einen ersten Salon und präsentierte in diesem Klassiker wie die in punkto Eleganz noch immer unübertroffene Limousine DS oder deren Vorgänger „Traction Avant“, die in den 1930er Jahren auch den Ruf als „Gangsterlimousine“ genoss. Nachdem die große Zeit von Citroen in den Achtziger Jahren mehr und mehr verblasste, wurde auch der Showroom abgetreten und fristete fortan als drittklassiges Restaurant ein eher trauriges Dasein. Als die Marke Citroen kurz nach der Jahrtausendwende mit einer neuen Innovationsoffensive langsam wieder aus ihrem Dornröschenschlaf erwachte, rückte auch der einstige Vorzeigesalon wieder ins Interesse. Mit der Entscheidung, den Altbau an der traditionsreichen Adresse durch zeitgenössische Architektur zu ersetzen, setzt das Unternehmen nun auf einen Neuanfang ohne seine Wurzeln zu vergessen.
Gläserner Kristall
Verglichen mit den Showrooms der deutschen Autobauer (siehe die bevorstehende Eröffnung der BMW-Welt in München) nimmt sich der Neubau auf den Champs- Elysées schon aufgrund der schmalen Grundstücksbreite von gerade einmal elf Metern deutlich bescheidener aus. Die Herausforderung für die Architektin bestand darin, auf wenig Raum ein klar erkennbares Zeichen zu setzen und dennoch eine distinguierte Erscheinung zu bewahren. Aufgangspunkt des Entwurfs bildete dabei das bekannte Firmenlogo zweier übereinander liegender Winkel. Die Form des „Double Chevron“ leitet sich von den Anfängen des Unternehmens her, als von 1900 bis 1915 zunächst nur Winkelverzahnungen für Zahnräder hergestellt wurden bevor mit dem Modell „Torpedo“ 1919 das erste Automobil vom Band lief. Architektin Manuelle Gautrand nahm die Form der Doppelwinkel daher als symbolischen Ausgangspunkt und übersetzte sie in ein plastisches Relief, das sich ausgehend von der Eingangssituation zur Straßenebene über die gesamte Vorderseite, das Dach sowie die Rückseite des Gebäudes als ein durchlaufendes Band fortsetzt. Die markante, polygonartig unterteilte Fassade erinnert dabei an einen übergroßen geschliffenen Kristall und erfährt aufgrund der nach oben ausgerichteten Winkel zusätzliche Dynamik. Das Logo löst sich vom nahen als abstraktes Muster auf und bleibt von weitem dennoch klar erkennbar.
Wie auf einer übergroßen Etagere
Im Inneren des Gebäudes, das im Übrigen der erste Neubau auf den Champs- Elysées ist seit 1975, erstreckt sich ein großer Ausstellungsraum auf Straßen- niveau bis in die Tiefe des Grundstückes hinein. Über diesen erheben sich zur Straßenseite sieben runde Plattformen, auf denen die jeweiligen Fahrzeugmodelle gezeigt werden. Während die Oberseiten dieser Schauflächen als runde drehbare Teller gestaltet sind, reflektieren deren Unterseiten das jeweils darunter stehende Automobil in komplex verspiegelten Prismen. Die Auffächerung der Fassade erfährt somit ihre logische Fortsetzung als Element der Innenraumgestaltung. Getragen werden die sieben Plattformen wie bei einer Etagere von einer zentralen Achse, die jedoch vom Zentrum an den äußersten Rand versetzt wurde. Mit ihrer signalroten Färbung bildet diese zusammen mit den Plattformen einen klaren optischen Kontrast zu dem ansonsten komplett in weiß gehaltenem Interieur. Zusätzliche Farbakzente werden nur noch durch die rotierenden Autos und deren Spiegelungen gesetzt.
Fassade als Karosserie
Den Kontrast von Fassade und Interieur vergleicht Manuelle Gautrand gerne mit dem Aufbau eines Automobils, bei dem Karosserie und Innenleben ebenfalls zwei sehr unterschiedliche Rollen spielen. Während die Hülle verführen und Emotionen wecken soll, muss das Innere die technischen Anforderungen auf möglichst unsichtbare Weise erfüllen. Das Gebäude folgt dieser Logik und setzt das Spiel mit dem Logo an der Fassade im Inneren mit einer funktionalen und doch emotionalen Form der Präsentation fort. Statt auf reißerischen Effekt wird hier auf leichte Eleganz gesetzt. Die Autos bilden auf ihren drehbaren Plattformen den Mittelpunkt des Geschehens und verschmelzen beim Blick von Außen mit der Fassade.
Mit ihrem Showroom auf den Champs-Elysées hat Manuelle Gautrand gezeigt, wie eine Marke durch Architektur raffiniert inszeniert werden kann, ohne dabei vulgär oder zu aufgeblasen zu wirken. Bleibt nur noch zu hoffen, dass sich Citroens Fahrzeugentwickler vom Esprit dieses Showrooms anstecken lassen und wieder Modelle entwerfen, die sich als würdige Nachfolger der legendären DS erweisen. Der passende Vorführraum steht dafür nun bereit.
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Links

Projektarchitekten

Manuelle Gautrand

www.manuelle-gautrand.com

Citroen

www.citroen.de

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