Projekte

Kontostand: Burgund

Im hessischen Eltville-Hattenheim hat die erste Weinbank Deutschlands eröffnet.

von Norman Kietzmann, 29.09.2014

Bankgeschäfte sind in der Regel eine eher trockene Angelegenheit. Doch in diesem Institut sind die Vermögenswerte im Fluss: Im hessischen Ort Eltville-Hattenheim hat die erste Weinbank Deutschlands eröffnet. Anstelle von Geld, Gold oder Juwelen werden in einem Gewölbe aus dem 17. Jahrhundert edle Tropfen deponiert – wohltemperiert und gut geschützt.

Wein ist ein geselliges Getränk. Allein schon deswegen lohnt sich der Weg aus dem Haus. Das Problem dabei: Wer zusammen mit Freunden im Restaurant einen guten Wein trinken möchte, muss bei der Qualität oft Abstriche machen – oder schnell dreistellige Beträge pro Flasche auf den Tisch legen. Dass ein geschulter Gaumen dennoch nicht zur Häuslichkeit verpflichtet, zeigt die erste Weinbank Deutschlands im beschaulichen Eltville-Hattenheim am Rhein. In einem Kellergewölbe aus dem 17. Jahrhundert eröffnete das Weingut Balthasar Ress eine ungewöhnliche Form der Kapitalanlage, die Ökonomie, Genuss und Geselligkeit in Einklang bringt. 

Dionysischer Bund
Die Winebank gleicht einem Club. Nur wer als Mitglied im Besitz einer Chipkarte ist, erhält Zugang – 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. Insgesamt 223 Schließfächer befinden sich in der dionysischen Schatzkammer. Die Größe der Fächer variiert zwischen 35 und 5500 Flaschen. Schlägt das kleinste Fach mit monatlich 35 Euro zu Buche, kostet ein mittleres Format für 105 Flaschen 89 Euro. Nicht viel, wenn man den Nutzen dieses sorgsam ausgelagerten Depots bedenkt: Schließlich werden die kostbaren Bouteillen bei Temperaturen zwischen 13 und 16 Grad Celsius und einer Luftfeuchtigkeit von 60 bis 70 Prozent nicht nur ideal gelagert. Schwere Stahlgitter und eine eingebaute Sprinkleranlage schützen die Flaschen gegen Diebstahl, Feuer oder schlichtweg den eigenen Durst.

Tropfen hinter Gittern
Die Gestaltung der Weinbank wurde vom Rheingauer Architekturbüro SMP übernommen. Neben funktionalen Aspekten wie Brandschutz, Statik und Fluchtwegen stand vor allem eines im Mittelpunkt: Atmosphäre. Um den Gewölbe-Charakter zu betonen, wurden frühere Einbauten aus Beton entfernt. Die Weintresore stehen als Solitäre im Raum und erzeugen einen weiten, offenen Raumeindruck, der durch eine in den Boden eingelassene Beleuchtung verstärkt wird. Einen Bezug zum Wein offenbaren die verwendeten Materialien. So wurden für die Böden Schiefernplatten aus Bacharach sowie Taunusquarze verwendet. Beide Mineralien sind typisch für die Böden in der Region und einer der Gründe, warum Reben hier besonders gut gedeihen. 
Um vorschneller Korrosion vorzubeugen, wurden sämtliche Stahlelemente mit einer Feuerverzinkung geschützt. Unter klimatischen Gesichtspunkten stand auch die Konstruktion der Tresore aus Bimsbeton, der Feuchtigkeit schnell aufzunehmen und wieder abzugeben vermag. Damit die Weinflaschen nicht durch UV-Strahlung beschädigt werden, wird der Keller von 500 LED-Leuchten erhellt. Ein weiterer Vorteil der sparsamen Dioden: Sie entwickeln nur eine geringe Abwärme und verhindern, dass sich das Kellergewölbe aufheizt.

Angewandtes Fachsimpeln
Die Bank dient jedoch längst nicht nur als Tresor. Sie ist auch ein Ort des Genusses. Die Mieter der Schließfächer können ihre Freunde in das Gewölbe einladen und zusammen mit ihnen an einer Bar die ein oder andere Flasche trinken. Ein weiterer Nebeneffekt: Wie in einem feinen Londoner Privatclub treffen hier Gleichgesinnte zusammen. Kenner und vermeintliche Kenner können fachsimpeln und ihre Expertise sogleich mit der Probe aufs Exempel unter Beweis stellen: Beim Rundgang durch ihre flüssige Schatzkammer oder besser noch: beim Öffnen einer guter Flasche Wein.

Auf den Geschmack gekommen? Mehr aus dem großen Designlines-Themenspecial Architektur und Wein lesen Sie hier.

Facebook Twitter Pinterest LinkedIn Mail
Links

Special: Wein und Architektur

Viel Körper mit langem Abgang: Designlines Special rund um Häuser, Grafik und Tableware für den Wein

www.designlines.de

Projekt

Winebank

www.winebank.de

Projektarchitekten

agn Architekten Ingenieure Generalplaner

Weingut Balthasar Ress

www.balthasar-ress.de

Mehr Projekte

Besondere Böden

Fünf Projekte mit ungewöhnlicher Bodengestaltung

Fünf Projekte mit ungewöhnlicher Bodengestaltung

Moderne Großstadtküchen

Fünf außergewöhnliche Projektbeispiele

Fünf außergewöhnliche Projektbeispiele

Eine runde Sache

Dries Otten baute in Belgien eine Stadtwohnung um

Dries Otten baute in Belgien eine Stadtwohnung um

Belebter Backstein

Mehrfamilienhaus in ehemaliger Textilfabrik in Melbourne

Mehrfamilienhaus in ehemaliger Textilfabrik in Melbourne

Bunter Community-Space

kupa Kitchen & Working Lounge von Stephanie Thatenhorst in München

kupa Kitchen & Working Lounge von Stephanie Thatenhorst in München

Gestaffeltes Wohnhaus

Umbau einer kleinen Genter Stadtvilla von Graux & Baeyens Architecten

Umbau einer kleinen Genter Stadtvilla von Graux & Baeyens Architecten

Tiroler Putz in Madrid

Atelier- und Wohnhaus Blasón von Burr Studio

Atelier- und Wohnhaus Blasón von Burr Studio

Ziegelstein und Hefe

Hannes Peer gestaltete die Bäckerei Signor Lievito in Mailand

Hannes Peer gestaltete die Bäckerei Signor Lievito in Mailand

Dialog der Gegensätze

Umbau einer Drei-Zimmer-Wohnung in Brooklyn

Umbau einer Drei-Zimmer-Wohnung in Brooklyn

Beton trifft Reet

Farmhaus von NORRØN im dänischen Haderslev

Farmhaus von NORRØN im dänischen Haderslev

Küche als Ort der Begegnung

Erweiterung eines Wohnhauses aus den Dreißigerjahren

Erweiterung eines Wohnhauses aus den Dreißigerjahren

Beton auf allen Ebenen

Brutalistischer Anbau von McLaren Excell in London

Brutalistischer Anbau von McLaren Excell in London

Multifunktionales Penthouse

Loft in München von allmannwappner

Loft in München von allmannwappner

Recycelter Anbau

Subtile Erweiterung eines viktorianischen Wohnhauses in London

Subtile Erweiterung eines viktorianischen Wohnhauses in London

Whisky im Pantheon

Eine Sichtbeton-Destillerie von Neri&Hu in China

Eine Sichtbeton-Destillerie von Neri&Hu in China

Bewohnter Adventskalender

Lenka Míková Architekti gestaltet ein Prager Apartment

Lenka Míková Architekti gestaltet ein Prager Apartment

Vermeers Backstube

Brotmanufaktur Aera von Gonzalez Haase AAS in Berlin

Brotmanufaktur Aera von Gonzalez Haase AAS in Berlin

Küche mit Aussicht

Intelligenter Anbau von Material Works in London

Intelligenter Anbau von Material Works in London

Mut zur Maserung

Die schönsten Interiors mit Holz

Die schönsten Interiors mit Holz

Ode an die Natur

Restaurant Lunar in Shanghai von Sò Studio

Restaurant Lunar in Shanghai von Sò Studio

Schiffscontainer im Garten

Umgestaltung eines Londoner Reihenhauses von DEDRAFT

Umgestaltung eines Londoner Reihenhauses von DEDRAFT

Fließende Zimmer

Die schönsten textilen Raumteiler

Die schönsten textilen Raumteiler

Die Farben der Wüste

Restaurant Shay von Ivy Studio in Montreal

Restaurant Shay von Ivy Studio in Montreal

Großstadt in der Provinz

Die von Maurizio Lai gestalteten Sushi Clubs in der Brianza

Die von Maurizio Lai gestalteten Sushi Clubs in der Brianza

Marmoriertes Gewölbe

Weinbar im historischen Palazzo von brunelli ann minciacchi

Weinbar im historischen Palazzo von brunelli ann minciacchi

Café in Scherben

Drop Coffee in Dubai vom Designstudio Roar

Drop Coffee in Dubai vom Designstudio Roar

Architektur im Wunderland

Das Londoner White Rabbit House von Gundry + Ducker

Das Londoner White Rabbit House von Gundry + Ducker

Für Katzen und Menschen

Ein Vierbeiner-Café von Davidson Rafailidis in Buffalo

Ein Vierbeiner-Café von Davidson Rafailidis in Buffalo

Cosy Kost

Neues Raumkonzept von OEO Studio für Sternerestaurant Kadeau

Neues Raumkonzept von OEO Studio für Sternerestaurant Kadeau

Rotlicht auf der Treppe

Nautischer Gourmettempel von El Equipo Creativo in San Sebastián

Nautischer Gourmettempel von El Equipo Creativo in San Sebastián