Kontostand: Burgund
Im hessischen Eltville-Hattenheim hat die erste Weinbank Deutschlands eröffnet.
Bankgeschäfte sind in der Regel eine eher trockene Angelegenheit. Doch in diesem Institut sind die Vermögenswerte im Fluss: Im hessischen Ort Eltville-Hattenheim hat die erste Weinbank Deutschlands eröffnet. Anstelle von Geld, Gold oder Juwelen werden in einem Gewölbe aus dem 17. Jahrhundert edle Tropfen deponiert – wohltemperiert und gut geschützt.
Wein ist ein geselliges Getränk. Allein schon deswegen lohnt sich der Weg aus dem Haus. Das Problem dabei: Wer zusammen mit Freunden im Restaurant einen guten Wein trinken möchte, muss bei der Qualität oft Abstriche machen – oder schnell dreistellige Beträge pro Flasche auf den Tisch legen. Dass ein geschulter Gaumen dennoch nicht zur Häuslichkeit verpflichtet, zeigt die erste Weinbank Deutschlands im beschaulichen Eltville-Hattenheim am Rhein. In einem Kellergewölbe aus dem 17. Jahrhundert eröffnete das Weingut Balthasar Ress eine ungewöhnliche Form der Kapitalanlage, die Ökonomie, Genuss und Geselligkeit in Einklang bringt.
Dionysischer Bund
Die Winebank gleicht einem Club. Nur wer als Mitglied im Besitz einer Chipkarte ist, erhält Zugang – 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. Insgesamt 223 Schließfächer befinden sich in der dionysischen Schatzkammer. Die Größe der Fächer variiert zwischen 35 und 5500 Flaschen. Schlägt das kleinste Fach mit monatlich 35 Euro zu Buche, kostet ein mittleres Format für 105 Flaschen 89 Euro. Nicht viel, wenn man den Nutzen dieses sorgsam ausgelagerten Depots bedenkt: Schließlich werden die kostbaren Bouteillen bei Temperaturen zwischen 13 und 16 Grad Celsius und einer Luftfeuchtigkeit von 60 bis 70 Prozent nicht nur ideal gelagert. Schwere Stahlgitter und eine eingebaute Sprinkleranlage schützen die Flaschen gegen Diebstahl, Feuer oder schlichtweg den eigenen Durst.
Tropfen hinter Gittern
Die Gestaltung der Weinbank wurde vom Rheingauer Architekturbüro SMP übernommen. Neben funktionalen Aspekten wie Brandschutz, Statik und Fluchtwegen stand vor allem eines im Mittelpunkt: Atmosphäre. Um den Gewölbe-Charakter zu betonen, wurden frühere Einbauten aus Beton entfernt. Die Weintresore stehen als Solitäre im Raum und erzeugen einen weiten, offenen Raumeindruck, der durch eine in den Boden eingelassene Beleuchtung verstärkt wird. Einen Bezug zum Wein offenbaren die verwendeten Materialien. So wurden für die Böden Schiefernplatten aus Bacharach sowie Taunusquarze verwendet. Beide Mineralien sind typisch für die Böden in der Region und einer der Gründe, warum Reben hier besonders gut gedeihen.
Um vorschneller Korrosion vorzubeugen, wurden sämtliche Stahlelemente mit einer Feuerverzinkung geschützt. Unter klimatischen Gesichtspunkten stand auch die Konstruktion der Tresore aus Bimsbeton, der Feuchtigkeit schnell aufzunehmen und wieder abzugeben vermag. Damit die Weinflaschen nicht durch UV-Strahlung beschädigt werden, wird der Keller von 500 LED-Leuchten erhellt. Ein weiterer Vorteil der sparsamen Dioden: Sie entwickeln nur eine geringe Abwärme und verhindern, dass sich das Kellergewölbe aufheizt.
Angewandtes Fachsimpeln
Die Bank dient jedoch längst nicht nur als Tresor. Sie ist auch ein Ort des Genusses. Die Mieter der Schließfächer können ihre Freunde in das Gewölbe einladen und zusammen mit ihnen an einer Bar die ein oder andere Flasche trinken. Ein weiterer Nebeneffekt: Wie in einem feinen Londoner Privatclub treffen hier Gleichgesinnte zusammen. Kenner und vermeintliche Kenner können fachsimpeln und ihre Expertise sogleich mit der Probe aufs Exempel unter Beweis stellen: Beim Rundgang durch ihre flüssige Schatzkammer oder besser noch: beim Öffnen einer guter Flasche Wein.
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