Mauseloch mit Meerblick
Ein Haus, so tief wie das Meer: Dieses Gebäude an der Küste Kaliforniens bietet Ozeanblick, so weit das Auge reicht.
Wer ein Grundstück am Meer ergattern kann, wünscht sich in der Regel möglichst viele Zimmer mit uneingeschränkter Sicht aufs Wasser. Was jedoch, wenn der Baugrund extrem schmal ist und nur eine kurze Seite des Gebäudes dem Wasser zugewandt ist? Für ein Wohnhaus im kalifornischen Oxnard schufen die Architekten von Johnston Marklee eine transparente Raumabfolge, die das Meer und seine Formen sogar bis in die hinterste Zimmerecke holt.
Von vorne ein Mauseloch, von der Seite ein Stück Schweizer Käse: Das schmale, langgestreckte Vault House, das die Architekten von Johnston Marklee gerade am dicht besiedelten Strand im Süden von Kalifornien errichtet haben, ist anders als die anderen: Während die Bewohner der eng stehenden, schlauchförmigen Häuser meist nur einen eingeschränkten Blick aufs Meer erhaschen können, wünschten sich der Physiker Steven Nagelberg und seine Frau ein Wohnhaus, bei dem sie trotz der Tiefe des Grundstücks von möglichst vielen Ausblicken auf das Wasser profitieren. So entstand eine sowohl im Inneren als auch zum Außenraum hin geöffnete Architektur, die immer neue Perspektiven zum Strand offenbart.
Blick ins Diorama
Inspiriert von historischen Rundbögen, wie sie häufig in der spanischen Architektur zu finden sind, gaben die Architekten den Räumen gewölbte Decken. Zwar verzichteten sie meistens auf Abtrennungen in Form von Wänden oder Türen, doch werden die unterschiedlichen Funktionsbereiche mithilfe der Gewölbe visuell voneinander separiert. Gleichzeitig dienen sie jedoch auch als verbindendes Element. So entsteht nicht nur eine abwechslungsreiche Deckenformation. Durch die Staffelung der Räume hintereinander wirkt das Innere von Vault House wie das Bühnenbild einer traditionellen Guckkastenbühne. Dort, wo im Theater die Rückwand wäre, öffnet sich hier das Fenster zum Meer. Johnston Marklee nutzen die unterschiedlich konturierten Rundbögen zudem, um immer neue Ausblicke auf den Pazifik zu rahmen.
Steter Tropfen
Wer an der kalifornischen Küste bauen will, muss sich an die Richtlinien der Küstenkommission halten. Sie schreibt vor, dass der Wohnbereich mindestens zwei Meter oberhalb des Sandes liegen muss. So soll – im Falle eines Tsunamis – das Wasser unterhalb des Gebäudes hindurch strömen können. Doch nicht nur die Form des Gebäudes mussten Johnston und Lee an die extremen klimatischen Bedingungen anpassen. Um dem starken Wind und der salzigen Luft zu trotzen, verwendeten sie Kalkstein für Böden und Verkleidungen innerhalb und außerhalb des Hauses. Doch das weiße Gestein hat auch ästhetische Qualitäten: Die durchgängig weiße Farbe des Gebäudes sorgt für fließende Übergange von Innen nach Außen und betont die geschwungenen Konturen.
Elektromagnetische Wellen
Dieser Effekt wird noch verstärkt durch das Zusammenspiel von natürlichem und künstlichem Licht. „Zwar verfügt das Haus über ein offenes Raumkonzept, doch sorgt die Gewölbestruktur für eine vom Licht geformte Landschaft“, kommentiert das Duo sein Konzept. Nach oben gerichtete Strahler modulieren die Architektur. Durch die großzügigen Öffnungen in Fassade und Decke entsteht im Außenraum ein spannender Kontrast aus geometrischem Volumen und organischen Ausschnitten. Dort schaffen die gebogenen Fenster zudem eine formale Verbindung zu den weichen Formen der Wellen und des Sandes. Das Vault House erinnert mit dem vereinfachten runden Fensterausschnitt von außen zwar an ein enges Mauseloch. Im Inneren aber steht es für eine harmonische wie komplexe Raumabfolge, die in ihrer Tiefe an den Blick auf den Horizont erinnert.
Projektarchitekten
Johnston Marklee