Melange am Prater
Das Hotel Magdas in Wien beherbergt Geschäftsreisende, Touristen und Flüchtlinge unter einem Dach.
Auf Initiative der Caritas wurden in Wien zwei Typologien vermischt, die konträrer kaum sein könnten: ein Hotel und ein Flüchtlingsheim. Dass diese Konfrontation funktioniert, ist dem Wiener Büro Alles wird gut zu verdanken. Trotz minimalem Budget wartet das Magdas Hotel mit räumlichen Qualitäten auf, die die meisten Designhotels in den Schatten stellen.
Ganz gleich in welcher Hotelkategorie man übernachtet: Wenn am Abreisetag die Mittagsstunde näher rückt, werden die Gäste mit freundlicher, aber bestimmender Geste vor die Tür gesetzt. Dass Gastfreundschaft in Hotels keinem zeitlichen Verfallswert unterliegen muss, zeigt ein ungewöhnliches Projekt in Wien. Auf Initiative der örtlichen Caritas entstand ein Hotel, das freiwillige Wien-Besucher – also Reisende in privater oder beruflicher Mission – mit unfreiwillig Reisenden zusammenbringt: Flüchtlingen.
Soziale Mission
„Das Magdas Hotel ist ein soziales Unternehmen, das Kulturen verbindet, Chancen kreiert und einen lebendigen Ort der Begegnung schafft“, erklärt Projektleiter Clemens Föschi von Magdas. Die Tochterfirma der Caritas hat mit der Überschneidung von Hotellerie und sozialem Engagement Neuland betreten. Die Idee dahinter funktioniert so: Ein in den sechziger Jahren erbautes Seniorenheim in bester Prater-Lage wird in ein Hotel mit 78 Zimmern und Suiten umgebaut. In einem Seitentrakt liegen die Wohngemeinschaften für 25 Jugendliche, die ohne ihre Eltern nach Österreich fliehen mussten.
Auch wenn dieser Bereich für die Hotelgäste nicht zugänglich ist, können sich die Flüchtlinge im Hotel frei bewegen. Zu einer Überschneidung kommt es vor allem in der Lobby im Erdgeschoss, die als gemeinschaftlicher Wohn- und Begegnungsraum dienen soll. Einige Flüchtlinge sind zudem Teil der Belegschaft des Hotels. Künftig sollen auch Ausbildungsplätze geschaffen werden. Die Investitionskosten sollen sich zwar amortisieren. Doch nicht, um Gewinne abzuwerfen, sondern lediglich, um den laufenden Betrieb zu finanzieren.
Unfreiwilliges Vintage
Geplant wurde das Projekt vom Wiener Architekturbüro Alles wird gut, das bei minimalem Budget kleine Wunder vollbracht hat. Die Lösung lag im Einsatz von Vorhandenem. Als Fundgrube diente in erster Linie das Gebrauchtmöbellager der Caritas. Auch Möbel aus dem früheren Pflegeheim wurden verwendet – wenngleich häufig nur als Materialspender, um aus ihnen mithilfe Freiwilliger neue Möbel zu bauen. Ein dritter Weg war die Neuanfertigung der Betten in einer lokalen Tischlerei. Aufgrund einer gesetzlichen Vorlage dürfen für die Schlafstatt keine vorhandenen Möbel verwendet werden. Was zum Schluss noch fehlte, wurde als Neuware hinzugekauft.
Fantasie an der Säge
Vintage bekommt so eine alles andere als rückwärtsgewandte Dimension: Es gab schlichtweg keine Alternative dazu.Trotz der unterschiedlichen Provenienz von Möbeln und Objekten entstand kein Stückwerk, sondern ein stimmiges Ganzes. „Wir hatten den Anspruch, ein Sozialprojekt nicht als eine vereinfachte Lösung zu sehen. Es war uns wichtig, dieses Haus zu etwas Besonderem zu machen“, unterstreicht Friedrich Passler vom Büro Alles wird gut. Weil nicht alle vorgefundenen Möbel überzeugen konnten, war Fantasie gefragt: So wurden ästhetisch fragwürdige Holzstühle kurzerhand mit der Säge halbiert und als surreale Nachtische an die Wände montiert.
Upcycling mit Humor
Auch weitere Verflechtungen in die Kunstgeschichte sind erlaubt, indem Objets trouvés (zum Beispiel alte Fahrradsattel und Lenker) zu Stiermasken nach Picassos Vorbilder kombiniert worden. Upcycling gelingt so auf humorvolle, aber keineswegs lächerliche Weise. Sinn für Atmosphäre bewiesen die Architekten auch anderweitig: „Weil wir kein Geld hatten, haben wir uns auf Farbe gestürzt. Das kostet kaum mehr als eine weiße Wand. Und doch entsteht eine für den deutschsprachigen Raum besondere Atmosphäre, da wir anders als in Amerika keine farbigen Räume gewöhnt sind“, offenbart Friedrich Passler die Geheimwaffe des Projektes.
Wiener Treffpunkt
Aus weniger mehr zu machen, hat sich als wirkungsvollere Strategie erweisen, als aus dem Vollen zu schöpfen. Und so entsteht aus Trödel eine energetische Mischung, die viele Designhotels locker auf die hinteren Plätze verweist. Eine weitere Qualität zeichnet sich schon jetzt ab. Weil das Haus direkt an Wiens größten Park anschließt, wird die Lobby bereits bereits von vielen Einheimischen besucht. In den Sommermonaten soll zusätzlich der Vorgarten möbliert werden. „Wir hoffen, dass hier ein spannender Treffpunkt für Flüchtlinge, Reisende und Wiener entsteht“, sagt Friedrich Passler. Gastlichkeit erreicht damit eine neues Niveau.