Projekte

Pixel, Pomp und Prosperität

von Tanja Pabelick, 24.09.2012


Wenn Auftraggeber erklären, dass „Geld keine Rolle spielt“, dann handelt es sich entweder um einen wundervollen Architekten-Traum, oder wir finden uns in der Realität Russlands wieder. Das Büro Za Bor durfte für Yandex, den größten Widersacher von Google, in Sankt Petersburg auf über 3000 Quadratmetern eine neue Firmenzentrale planen. Nun wird hier in übergroßen Play-Tasten getagt, aufgeblasene Pixel werden zum Rahmen für Büropflanzen, und Mauszeiger weisen den Weg. Willkommen im Wunderland der prosperierenden postkommunistischen Wirtschaftswelt.



Die neuen Räume von Yandex könnten auf den Besucher auch so wirken, als hätte er sich in einem Computerspiel verlaufen. Mit seinen riesigen Icons und überproportionierten Objekten wie einer Hinkelstein-großen Uhr erscheint das knallbunte Baustein-Interieur wie eine Mischung aus Super Mario Brothers und Alice im Wunderland. Um diese Wirkung zu erzielen, haben die Architekten viel Zeit in die Konzeption investiert. Denn der alles andere in den Schatten stellende Wunsch der Auftraggeber von Yandex lautete: „Wir wollen ein außergewöhnliches Büro, wie kein zweites“. Damit musste der IT-Gigant nicht zuletzt sich selbst übertrumpfen, denn gerade einmal vier Jahre zuvor wurde das erste Yandex-Büro in Sankt Petersburg eröffnet. Yandex I befindet sich ebenso wie Yandex II im Benois Business Center, liegt gerade einmal vier Etagen tiefer und wurde ebenfalls von Za Bor gestaltet, die dafür schon 2008 viele internationale Auszeichnungen erhalten hatten.

Größer ist schöner

Die Herausforderung der neuen Räume lag nicht nicht nur in der Weitläufigkeit von 3310 Quadratmetern, sondern auch in der Länge des Flures. Dieser misst 200 Meter und schlägt damit eine Schneise durch Arbeitsbereiche und Funktionsräume, die rechts und links davon abgehen. Um der in dieser Raumsituation eventuell entstehenden visuellen Langeweile vorzubeugen, beschlossen Za Bor eine zusätzliche Zonierung der Areale durch sogenannte „ungewöhnliche Objekte“.  Wer jetzt den Flur entlangläuft, bewegt sich durch eine real gewordene Yandex-Suchmaschine. Schon an der Rezeption empfängt den Gast ein Search-Button, gefolgt von einem gelben Pfeil, dem inoffiziellen Logo des Unternehmens. Und das Icon-Thema setzt sich entsprechend der Corporate Identity von Yandex auch auf allen weiteren Flur-Metern fort. Die Symbole, die sich sonst als zweidimensionale Objekt auf dem Bildschirm finden, wurden zu gigantischen dreidimensionalen Figuren aufgeblasen. Dazu kommen in Nuancen gepixelte Wände, aus denen sich die einzelnen Blöcke hervorschieben oder zurücktreten.

Dekorative Funktionsräume


Auch wenn die Elemente vor allem plakativ und dekorativ scheinen, sollen sich die meisten doch einer Funktion unterordnen. Eine große Spirale etwa trennt den Bereich, der zum informellen Gespräch einladen soll, vom Korridor. Und die riesigen Uhren, die an Felsbrocken erinnern, aber „jellyfish“, also Qualle genannt werden, beherbergen Server, Drucker und andere stationäre Objekte. Gerade diese Gebilde zwischen Möbel, Zonierung und Architektur bereiteten in der Realisierung – nicht zuletzt in Hinblick auf den Brandschutz – die größten Probleme. Weil in Russland bisher kaum jemand Freiformen in dieser Dimension in die Architektur eingebunden hat, war die Umsetzung schwierig. Vieles musste vor Ort unter Supervision der Architekten eingebaut werden. Die größte Herausforderung waren allerdings nicht die vielen 3D-Objekte, sondern die Metallblätter der Deckenverkleidung, die alle einzeln installiert werden mussten.

Arbeiten im Themenpark


Konzipiert ist die Yandex-Zentrale als 24/7-Office ohne Öffnungszeiten, das seine Mitarbeiter auch durch Sondereinrichtungen wie einen Fitnessraum zum Verweilen einladen will. Ob die Architektur ebenfalls ihren Beitrag dazu leistet, ist allerdings fraglich. Was die Besucher als unterhaltsamen Themenpark erleben, ist für die Mitarbeiter tägliches Umfeld. Da lassen auch knallbunte Einbauten wahrscheinlich nicht vergessen, dass es den zweihundert Flurmetern an Tageslicht fehlt. Ganz im Gegenteil stehen sie im offensichtlichen Kontrast zur niedrigen Deckenhöhe und der schmalen Grundfläche, die zusammen eine bedrückend wirkende Grundsituation ergeben. Dem Interieur fällt so die Aufgabe einer kosmetischen Massnahme zu, die mehr auf Überblendung angelegt ist, als darauf, eine emotionale, wohnliche und anthropozentrische Bürokultur zu schaffen. Mit seiner Neigung zum Pomp und zur Übertreibung wird das Yandex-Büro wohl dem Klischee von russischer Ästhetik gerecht: Es ist überinszeniert und gerade dadurch faszinierend. Dem Wunsch nach einem außergewöhnlichen Interieur zumindest sind die Architekten damit gerecht geworden.
Facebook Twitter Pinterest LinkedIn Mail
Links

Projektarchitekten

Za Bor

www.za-bor.net

Auftraggeber

Yandex

www.yandex.com

Mehr Projekte

Berlin macht Blau

Das neue Relaxound-Office von Ester Bruzkus Architekten

Das neue Relaxound-Office von Ester Bruzkus Architekten

Vergangenheit neu belebt

Umbau eines historischen Verlagshauses in Sydney von Hülle & Fülle

Umbau eines historischen Verlagshauses in Sydney von Hülle & Fülle

Unter dem Mond Spaniens

Die surreal-industrielle Welt des Reisinger-Studios

Die surreal-industrielle Welt des Reisinger-Studios

Kreativ in Kortrijk

Minimalistischer Office Space von Markland Architecten und Stay Studio

Minimalistischer Office Space von Markland Architecten und Stay Studio

Japanische Offenheit

Neugestaltung des Firmensitzes von L’Oréal Japan in Tokio von The Design Studio

Neugestaltung des Firmensitzes von L’Oréal Japan in Tokio von The Design Studio

Lernen in der Alten Post

Campus der BSBI in Berlin setzt auf flexibles Interior

Campus der BSBI in Berlin setzt auf flexibles Interior

Effizienter Holzbaukasten

Büroneubau in Oslo mit durchdachter Lichtplanung

Büroneubau in Oslo mit durchdachter Lichtplanung

Akustische Glanzleistung

Sanierung der Bestuhlung im Neumarkter Reitstadel von Girsberger

Sanierung der Bestuhlung im Neumarkter Reitstadel von Girsberger

Zweite Auflage für eine Druckerei

Büro mit Tatami-Raum von INpuls in München

Büro mit Tatami-Raum von INpuls in München

Lebendige Präsentation

Neu gestalteter Showroom von Goldbach Kirchner

Neu gestalteter Showroom von Goldbach Kirchner

Infrastruktur fürs Glück

Bibliothek in Kirkkonummi von JKMM

Bibliothek in Kirkkonummi von JKMM

Möbel nach Maß

Nachhaltig transformiertes Cartier-Headquarter von Atelier Nova

Nachhaltig transformiertes Cartier-Headquarter von Atelier Nova

Das Regenbogen-Büro

Innovationsraum Space in Hamburg von Studio Besau-Marguerre

Innovationsraum Space in Hamburg von Studio Besau-Marguerre

Haus im Haus

Studio Alexander Fehres „Herzzone” für ein Büro von Roche

Studio Alexander Fehres „Herzzone” für ein Büro von Roche

Eine Ausstellung, die Stellung bezieht

Fotografiska Berlin im einstigen Tacheles von Studio Aisslinger

Fotografiska Berlin im einstigen Tacheles von Studio Aisslinger

Vom Sehen und Gesehenwerden

Eine Naturheilpraxis auf den Azoren von Box Arquitectos

Eine Naturheilpraxis auf den Azoren von Box Arquitectos

Besondere Böden

Fünf Projekte mit ungewöhnlicher Bodengestaltung

Fünf Projekte mit ungewöhnlicher Bodengestaltung

In eigener Sache

Ein Büro-Makeover vom Office-Spezialisten CSMM in Düsseldorf

Ein Büro-Makeover vom Office-Spezialisten CSMM in Düsseldorf

Ein sportliches Haus

Das neue Headquarter von Spillmann Echsle für On Running

Das neue Headquarter von Spillmann Echsle für On Running

Geflieste Exzentrik

Das neue Büro des kanadischen Fashion-Studios M.A.D.

Das neue Büro des kanadischen Fashion-Studios M.A.D.

Arbeiten unter Palmen

Amsterdamer Büro mit begehbaren Möbeln von Studioninedots

Amsterdamer Büro mit begehbaren Möbeln von Studioninedots

Grüne Arbeitsstruktur

Co-Working-Space in Barcelona von Daniel Mòdol

Co-Working-Space in Barcelona von Daniel Mòdol

Moderner Triumphbogen

Gebäudekomplex von Nikken Sekkei in Dubai

Gebäudekomplex von Nikken Sekkei in Dubai

In altem Glanz

Restaurierung einer historischen Villa in der italienischen Provinz Modena

Restaurierung einer historischen Villa in der italienischen Provinz Modena

Inspirationen statt Emissionen

Nachhaltiger Büroneubau von Studio Daytrip in London

Nachhaltiger Büroneubau von Studio Daytrip in London

Außen Altbau, innen New Work

Berliner Juris-Dependance am Ku’damm von de Winder Architekten

Berliner Juris-Dependance am Ku’damm von de Winder Architekten

Viel Platz für Veränderung

Atelier Gardens in Berlin-Tempelhof von MVRDV

Atelier Gardens in Berlin-Tempelhof von MVRDV

Dialog mit der Stadt

Das Verwaltungszentrum Brucity in Brüssel

Das Verwaltungszentrum Brucity in Brüssel

Bunter Community-Space

kupa Kitchen & Working Lounge von Stephanie Thatenhorst in München

kupa Kitchen & Working Lounge von Stephanie Thatenhorst in München

Facettenreiche Bürolandschaft

Vielschichtiger Workspace von SCOPE Architekten in Dresden

Vielschichtiger Workspace von SCOPE Architekten in Dresden