Schweizer Landschaftsveduten
Die warmen Thermalwasser der Tamina-Quelle sind schon seit dem frühen Mittelalter bekannt. 1840 wurden sie erstmals durch eine vier Kilometer lange Schlucht zum Talboden geleitet und machten das Städtchen Ragaz im Kanton St. Gallen zu einem vielbesuchten Kurort. Hier wurde 1871 auch das europaweit erste Thermalhallenschwimmbad eröffnet, das im Laufe des letzten Jahrhunderts immer wieder umgewandelt und vor kurzem durch einen monumentalen und dennoch leicht anmutenden Neubau ersetzt worden ist.
Verantwortlich für das Projekt zeichnet das Büro Smolenicky und Partner aus Zürich, das das Grand Resort Bad Ragaz – bestehend aus zwei Hotels, einem medizinischen Zentrum sowie Golfplatz und Casino – um eine moderne Therme ergänzt hat. Auf 7.300 Quadratmetern wird nun mit dem klassischen Programm eines aufwändigen Spas aufgewartet – von Thermalbädern über Saunen bis hin zur Gesichts- und Körperpflege. Der weiße monumentale Neubau in Holzbauweise kombiniert gleich drei Aspekte: Einerseits ist Holz das traditionelle Baumaterial der Region; andererseits suchte der Architekt Verwandtschaft zu den eleganten Grandhotels an der Ostsee, die auch gerne mit dem Begriff der Sommerfrische und Ferienarchitektur in Verbindung gebracht werden; und letztendlich musste das Gebäude auch ein Bindeglied zwischen den unterschiedlichen baulichen Erscheinungsbildern des Resorts werden.
Pavillonähnliche Ferienarchitektur
Die Form des in drei Ebenen organisierten Baukörpers entstand aus der Umfassung von Außenräumen und nicht aus dem Bestreben, einen Solitär zu bauen. Im Bereich des Außenbades weist die Tamina-Therme deutlich den Charakter eines Pavillons auf. Der Bau ist dort abgetreppt und öffnet sich zu einer Liegewiese und zum bewaldeten Berghang. Entspannt kann der Gast unter freiem Himmel in das 36,5 Grad Celsius warme Thermalwasser eintauchen oder sich auf einer der vielen Liegewiesen entspannen.
Bewaldete Innenräume
Bei der Gestaltung des Gebäudes ließ sich Joseph Smolenicky von der strukturellen Beschaffenheit von Wäldern und Bäumen inspirieren. Allein 2.200 Tannen wurden für die 115 Stützen des Bauwerks verwendet, die sich wie Baumstämme zwischen Wurzel und Baumkrone verjüngen. Ihre Anzahl war nicht statisch bedingt, sondern soll den Innenraum optisch unterteilen. „Die Innenräume entstehen, indem man – im übertragenen Sinn – Bäume aus einem Waldraster herausschlägt und damit Lichtungen erzeugt“, so der Architekt. „Es ist die Umkehrung des üblichen Entwurfsverfahrens. Die Räume außen entstehen auf die gleiche Art: durch das „Entfernen“ von Stützen an der Peripherie des Baukörpers.“
Das Oval als Öffnung
Die simplifizierten Baumstämme knüpfen auch formal an das Hauptmotiv des Gebäudes an: das vertikal ausgerichtete Oval als Öffnung. Die Durchmesser und Proportionen variieren: Es gibt Ovale, die aus dem „Wald“ herausgeschnitten wurden und als Fensteröffnungen dienen; andere, die im Boden verschwinden und als Bogengänge fungieren; und weitere, die in ihrer Gestalt nur noch angedeutet und auf das tragende Element reduziert sind. Durch ihre verspielte Struktur betont auch die prägende Form des Baus die von Joseph Smolenicky gewollte Ferienarchitektur. Sie wirken wie überdimensionale Bilderrahmen, die nicht nur besondere Durchblicke durch den Innenraum schaffen, sondern auch die Schweizer Landschaft einfassen und so auf eine fast malerische Weise eine räumliche Beziehung zwischen Architektur und Natur, Innen und Außen herstellen.
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