Sisallabim
Das KUD-Studio in Melbourne verwendet lokale Ressourcen: Sisal, Urwald und Beton-Abwasserrohre.
Es war einmal eine Büroetage – funktional zwar, aber gähnend konventionell. Die Kabel versteckten sich unter Führungen, die Lüftungsrohre unter eingezogenen Decken. Als mit dem australischen Architekturbüro KUD neue Mieter einzogen, entkleideten diese kurzerhand den charakterlosen Gewerberaum, legten Beton frei, installierten kilometerweise Sisalseile und pflanzten eine sich selbst bewässernde Landschaft.
Solange der über zwei Etagen gehende Bürokasten östlich des Melbourner Stadtzentrums noch leer stand, bot er seinen künftigen Mietern bereits alles, wovon die Gewerbebranche träumt: Das Gebäude befindet sich in einer ausgezeichneten Lage, die Räume waren infrastrukturell bereits gut ausgestattet. Doch Kavellaris Urban Design, die hier bald einzogen, waren auf der Suche nach mehr. Die Denker „architektonischer Interventionen“ wollten einen Ort schaffen, der nicht nur ihre räumlichen Bedürfnisse erfüllt, sondern auch ihre eigene Haltung und Philosophie gegenüber der Arbeitswelt zeigt. Ihr Büro ist zu einem Schauraum ihrer Arbeit geworden, indem er ihre Designphilosophie reflektiert.
Bis auf den Beton
Die Planer selbst sagen über ihre baulichen Maßnahmen, dass sie dem bestehenden Raum etwas entgegensetzen und gleichzeitig Flexibilität für die Zukunft schaffen wollten. Um ihre Vorstellungen umsetzen zu können, griffen sie zu ungewöhnlichen Mitteln. Sie zogen die bereits voll ausgestatteten Räume wieder aus. Alle Deckenelemente, Wandpaneele und Verkleidungen wurden entfernt, das Gebäude bis auf den rohen Beton und die Ziegelwände entkernt. „Wir nutzen das Projekt als Leinwand für unsere Experimente“ erzählen die Architekten. „Dabei war unser wichtigster Gedanke, für Architekten untypische und gleichzeitig ökologische und nachhaltige Materialien und Konstruktionsmethoden zu implementieren.“
Inspiration Baustelle
Oberflächenbehandlungen wie Lackierungen sucht man in den Räumen des KUD Studios deshalb vergebens – zu finden ist hingegen reichlich Readymade und Umgenutztes. Die Arbeitstische stehen auf Sockeln aus herkömmlichen Straßenbau-Betonrohren, einfache Kanthölzer werden aneinander geleimt zur Platte. Das Licht steckt in dicken Sisalkordeln, die die Kabel dekorativ verbergen und in Fassungen mit einfachen Glühbirnen enden. An Metallhaken werden sie über die Decke geführt und an den Trennwänden, die komplett von waagerecht geführten Seilen verkleidet sind, zitiert. Alle verbauten Materialien und Objekte haben die Architekten in unmittelbarer Umgebung aufgetrieben. Sie ließen sich von der Stadt und ihren Bauplätzen inspirieren, sowie von der australischen Landschaft. Auf den raumtrennenden Wandelementen befindet sich deshalb sogar ein kleiner, selbstbewässernder Grünstreifen, der auf einer Höhe mit den Bildschirmen der Arbeitsplätze liegt und für Sauerstoff in den ein Halbgeschoss tiefer gelegenen Besprechungsräumen sorgt.
Privates im öffentlichen Blick
Überhaupt vermieden die Architekten die konsequente visuelle und akustische Abschirmung. Das ursprünglich als Großraumbüro konzipierte Studio behielt auch nach dem Umbau seine offene Struktur. Die zwei Etagen wurden zu einer. Zwischengeschosse wurden eingezogen. Diese trennen den öffentlichen Bereich vom privaten. Allerdings wurden zwischen beiden Arealen bewusst Sichtachsen geschaffen, die die sonst durch Wände klar definierten Grenzen verschwimmen lassen. „Die Neudefinierung privater und öffentlicher Arbeitsbereiche ist ein entscheidender Kulturwandel der Büro-Typologie“, fassen Kavellaris Urban Design ihre Interventionen zusammen. Sie wollen zeigen, dass es Alternativen zu langweiligen Bürolandschaften gibt und geben ganz nebenher mit Betonrohren und Sisalseilen ein eigenwilliges Statement zu den Verwendungsmöglichkeiten regionaler Ressourcen ab.