Speisen im Blüten- und Blätterwald
Klosterstraße 11 im schweizerischen Wettingen. Hinter dieser Adresse verbirgt sich nicht nur ein ehemaliges Kloster – nein, hier befindet sich auch die neue Mensa der Kantonsschule. Ausgedacht hat sich den Umbau der historischen Löwenscheune und den neuen Erweiterungsbau mit vorgehängter Blätter- und Blütenfassade aus Aluminium das Bieler Architektenteam von :mlzd.
An einem historischen Ort im Kanton Aargau in schönster Umgebung auf der idyllischen Halbinsel im Fluss Limmat befindet sie sich, die Kantonsschule Wettingen: Das ehemalige Kloster stammt aus dem frühen 13. Jahrhundert und wurde in den 1970er Jahren zu einer Schule umfunktioniert. Weil hier in letzter Zeit die Schülerzahlen stark gestiegen sind, herrschte Platzmangel allenthalben, auch in der alten Mensa. Dieses Problem löste der Auftraggeber des Baus – das Baudepartement des Kantons Aargau –, indem die alte Scheune umgebaut und erweitert wurde. Aus einem zweistufigen Auswahlverfahren wurden aus insgesamt 72 Bewerbungen sechs Architekturbüros für den Studienauftrag ausgewählt. Den Zuschlag bekam das 1997 gegründete Bieler Architekturbüro :mlzd. Diese kryptische Abkürzung steht für das Motto der Kreativen, das da lautet: „mit liebe zum detail“.
Klar gestaltet: Um- und Anbau
Mit Liebe zum Detail wurde auch dieses Projekt in Angriff genommen, wobei die Architekten beim Um- und Anbau der als Zeile angeordneten Baukörper auch die Auflagen des Denkmalschutzes beachten mussten. Schließlich handelt es sich bei der Scheune um schützenswerte klassizistische Bausubstanz. Zusätzlich zum Umbau der sogenannten Löwenscheune mit Speiseräumen auf zwei Ebenen wurden die Funktionsräume wie Küche, Anlieferung, Essensausgabe und Sanitäranlagen in einem neu errichteten Anbau untergebracht. Ziel war die Schaffung einer Symbiose aus Bestehendem und Neuem.
Ornamental verspielt: die Fassade
Der Anbau im Norden der Scheune nimmt das Volumen der bestehenden Gebäude auf und führt sie weiter. Er besticht durch die besondere Fassadengestaltung: eine perforierte Metallhülle aus 400 anodisierten Aluminiumblechen, die mit unzähligen Ausstanzungen versehen wurde. Beim Näherkommen erkennt der Besucher in diesen Ausstanzungen viele einzelne Blätter, Stile und Blüten. Innen erzeugen diese Öffnungen bei Lichteinfall schöne Schatten- und Lichtspiele, so dass man sich zeitweilig in einem Blätterwald wähnt – das Dekorative in der Architektur feiert hier seine Renaissance. Außen- und Innenraum werden durch diese Lichtspiele geschickt miteinander verzahnt. Gestaltet hat die Fassade, die auch über das Dach fortgeführt wird, der Schweizer Künstler Roland Herzog – er wählte die Kletterpflanze „Gemeine Waldrebe“ als Leitmotiv seiner Komposition.
Grafisch schwarz-weiß geordnet: Cafeteria und Mensa
Die historische Löwenscheune ist innen horizontal zweigeteilt durch einen Zwischenboden aus Beton. Während sich im Erdgeschoss die Cafeteria mit halbhoch vertäfelten Wänden befindet, ist im darüber liegenden Geschoss die eigentliche Mensa mit 220 Plätzen untergebracht. Hier sind das Tragwerk des Dachs und das alte Bruchsteinmauerwerk sichtbar. Die warmen Materialien von Dach und Wand kontrastieren mit der Einrichtung, die schlicht und in kühlem Weiß gehalten ist. Bei Bedarf können Linienleuchten angeknipst werden, die parallel zum Gebälk angeordnet wurden, was ihnen in Analogie zu den ebenfalls parallel angeordneten Tischen und Stühlen eine recht grafische Anmutung verleiht.
In der 130 Plätze fassenden Cafeteria im Erdgeschoss geht es hingegen legerer zu: Hier kommen runde schwarze Tische und Stühle auf Gussasphaltplatten zum Einsatz. Dazu leuchtet Tom Dixons Kupfer-Lampenserie „Beat“ in verschiedenen Formen und Längen von der Decke. Wollen Schüler und Lehrer mal kurz die Seele baumeln lassen in all dem Schulstress, können sie den Blick schweifen lassen durch die alten großen Tore der ehemaligen Scheune. Sie sind nun verglast und lassen dementsprechend viel Licht in den großen Raum. Im Norden der Scheune befindet sich der Zugang zum Neubau, von dem die Hungrigen zur Essensausgabe gelangen. Und dort bekommen sie dann vielleicht ein besonderes Schmankerl serviert: einen Salat aus der schuleigenen Gärtnerei. Da sage doch noch einmal jemand etwas über schlechte Schulspeisung.