Stadt der Steine
Das süditalienische Städtchen Matera liegt 30 Kilometer von der Küste entfernt an der Grenze zwischen Apulien und Basilicata im Umland von Taranto. Berühmt wurde es durch sein außergewöhnliches Kulturerbe, den „Sassi“. Die Höhlensiedlungen unterhalb der Stadt entstanden bereits in grauer Vorzeit und wurden bis in die 1950er Jahre nahezu ununterbrochen bewohnt. Danach standen sie lange Zeit leer und verfielen bis die italienischen Behörden eine umfangreiche Sanierung in Gang setzten, die noch bis heute andauert. Ein bereits fertig gestelltes Projekt ist das Sextantio Le Grotte della Civita, ein Hotel, das wie aus einer anderen Zeit scheint – mit einer Ausnahme: den Badezimmern.
Das Hotelprojekt wurde von dem schwedisch-italienischen Unternehmer, Hotelier und Philanthropen Daniele Kihlgren und seinen beiden Geschäftspartnern Enrico Ducrot und Margareta Berg entwickelt. Der 2000 Quadratmeter große Besitz liegt in La Civita, dem ältesten Teil der 1993 von der Unesco zum Weltkulturerbe erklärten Sassi, und umfasst insgesamt 18 Zimmer. Diese haben eine Größe von bis zu 140 Quadratmetern, dennoch blieben die Grundstrukturen der Tuffsteinhöhlen unverändert. „Wir haben uns der Natur angepasst“, erklärt Margareta Berg, „nicht umgekehrt.“ So wurden die Höhlen in einem über zwei Jahre andauernden Restaurierungsprozess sorgfältig entkernt – und später wieder in ihren Ursprungszustand zurück versetzt – dass das Hotel heutigen Standards angepasst werden und Elektrizitäts- und Wasserleitungen sowie eine Fußbodenheizung eingebaut werden konnten. Zudem sah das Projekt vor, dass bei der Renovierung der Ruinen nur Materialien aus der Region verwendet werden durften. Und auch Möbel und Details sollten authentisch sein; das Interieur der Arte-Povera-Tradition entspricht der lokalen Handwerkskunst, die das dreiköpfige Team wieder beleben will.
Authentizität
Jede Grotte wird durch eine aus nahe gelegenen historischen Gebäuden geborgene Holztür erschlossen. Die zum Teil fünf bis sechs Meter hohen Räume sind aus weichem, honigfarbenem Kalkstuffstein und weisen noch Einkerbungen ihrer vorherigen Bewohner auf. Die Steinböden wurden erhalten oder aus alten Gesteinen der Gegend gelegt. Und auch die Einrichtung wurde auf das Ursprüngliche und Wesentliche reduziert. In jedem der 18 Hotelzimmer, die geradezu klösterlich anmuten, steht ein großes antikes Eisenbett. Es wurde nach alter Tradition hergestellt und ist sehr hoch, da die einstigen, in den Höhlen lebenden Familien ihre Lebensmittel unter dem Bett lagerten. Antik sind auch die Tische und Stühle, denn es gibt keine Repliken im Sextantio Le Grotte della Civita. Selbst die Bettbezüge aus hochwertigem Leinenstoff wurden aus historischen, ungebrauchten Mitgiften zusammengesucht.
Anachronismen
Einzig Toiletten, Badewannen und Armaturen sind ein Zugeständnis an unsere Zeit und gehören zu den wenigen sichtbaren Anachronismen einer ansonsten originalgetreuen Renovierung. Sie sind konsequent puristisch gehalten und bieten einen angenehmen Kontrast zu den alten Höhlenwänden und Fußböden. In jedem Zimmer ist eine frei im Raum stehende, matt schimmernde Badewanne untergebracht. Ihre äußere Form ist an die eines Löffels angelehnt, ihr konkav geformtes Inneres bietet großzügigen Komfort bei einer optimalen Wasserausnutzung. Neben der Wanne steht eine schlichte, in den Boden eingelassene Armatur, die optisch stark zurückgenommen ist. Die Waschbecken indessen sind antik und greifen das Grundkonzept des Hotels wieder auf: Es sind alte, umfunktionierte Futtertröge der Tiere der ehemaligen Bewohnern, die auf alten Holztischen stehen.
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