Stockholm-Syndrom
Sie zählen zu den Schauplätzen einer der legendärsten Geiselnahmen des 20. Jahrhunderts: die ehemaligen Bankgebäude am Norrmalmstorg im Stockholmer Stadtzentrum, die vor siebzehn Jahren von zwei Bankräubern sechs Tage lang besetzt worden waren. Heute befindet sich in den zwei ineinander übergehenden Bauten aus dem späten 19. Jahrhundert das von dem schwedischen Architektur- und Designbüro Claesson Koivisto Rune gestaltete Nobis Hotel. Es ist ein apartes Quartier mit 201 Zimmern und Suiten, einem großzügigen Spa- und Fitnessbereich sowie diversen Restaurants und Bars, in dem nichts mehr an den anstrengenden Bankalltag noch an die bewegenden Tage der Geiselnahme erinnert. Dank der gekonnten Verbindung von historischen Details und zeitgenössischer skandinavischer Ästhetik vermittelt das Hotel vielmehr einen ruhigen und entspannenden Eindruck, ohne starke Kontraste und Spielereien.
Es ist ein sonniger Tag Ende August 1973, ein Gefängnisinsasse auf Freigang begibt sich in die Kreditbanken am Norrmalmstorg; er nimmt vier Personen als Geisel und fordert Geld sowie die Freilassung eines anderen Gefängnisinsassen. Zusammen verbarrikadieren sie sich sechs Tage in der Bank. Während der Gefangenschaft entwickeln die Geiseln Sympathie und sogar Loyalität für ihre Geiselnehmer, ein psychologisches Phänomen, das seitdem als „Stockholm-Syndrom“ bezeichnet wird. Heute, fast zwanzig Jahre später, sind die Geiselnehmer längst auf freiem Fuß und die Kreditbanken existiert nicht mehr. Was geblieben ist, ist der Begriff für die verzerrte Opfer-Täter-Beziehung sowie der Ort des dramatischen Raubüberfalls. Und der beherbergt seit Anfang Dezember das Nobis Hotel, für dessen Gestaltung sich die Architekten Mårten Claesson, Eero Koivisto und Ola Rune von der Stimmung der schwedischen Hauptstadt inspirieren ließen, „allerdings nicht vom Sommer, wenn das Licht hell ist, sondern vom Winter, wenn das Licht sanfter und weniger kontrastreich ist“, wie sie erklären.
Zarte Wintertöne
Im Gebäudeinnern gelangt der Gast zunächst in eine weitläufige Lobby. Die Wände sind in einem hellen Grau gestrichen, dessen Farbton von den matten Natursteinböden aufgegriffen wird. Rechts vom Eingang steht ein langer, von Claesson Koivisto Rune gestalteter Empfangstresen aus Cortenstahl, der zum Teil verspiegelt ist. Hier hat der Gast die Möglichkeit, mit seinem Mobiltelefon einzuchecken und es als Schlüssel für das Zimmer und den sich dort befindenden Safe zu nutzen. Der Rezeption gegenüber sind großzügige, in dunklen Grautönen gehaltene Sitzgruppen platziert, über denen eine Lichtkomposition aus etwa 20 verschiedenen, runden Leuchtkörpern hängt und für eine angenehme Atmosphäre sorgt.
Moderne Kathedrale
An die Lobby anschließend eröffnet sich dem Gast die an eine Kathedrale erinnernde Lounge im Herzen des Gebäudes. Sie wird von einem imposanten, sich über 25 Meter in die Höhe erstreckenden Atrium dominiert, dessen Decke mit einer bunten, kaleidoskopischen Malerei versehen ist. Für die Gestaltung des Interieurs teilten die Architekten den Raum in vier Bereiche, so genannte Wohnzimmer, auf, die sie – wie schon die Lobby – in dezenten Grau-, Braun-, Beige- und Weißtönen einrichteten und mit – einem Wintergarten ähnlich – vielen Pflanzen bestückten.
Außerdem befinden sich im Erdgeschoss das von Stefano Catenacci, dem Küchenchef des schwedischen Königshauses, geführte Restaurant Caina, das Bistro 24/7 und die The Gold Bar sowie verschiedene exklusive Boutiquen, wie zum Beispiel die von Marimekko oder auch der Modefirma Acne – sie befindet sich im ehemaligen Tresorraum, in dem bei der Entführung vor 17 Jahren die Geiseln festgehalten wurden.
Holistischer Marmor
In der ersten Etage geht es etwas abgeschiedener zu. Hier befindet sich das Relax & Fitness Center, dessen Erscheinungsbild sich vom restlichen Hotel unterscheidet, sodass die Gäste das Gefühl haben, eine ruhige und abgeschiedene Welt zu betreten: Die Wände sind in hellen Tönen gehalten, die Decke ist türkis und der Fußboden ist mit Bambusholz ausgelegt. Neben dem Fitnessraum mit Blick auf den Wintergarten umfasst das Relax & Fitness Center einen mit Trockensauna sowie einem Dampfbad ausgestatteten Saunabereich, der mit weißem italienischem Carrara-Marmor ausgelegt ist und einen angenehmen Aufenthalt in einer luxuriösen Atmosphäre verspricht.
Luxuriöse Privatsphäre
Wer sich lieber in seinem Hotelzimmer ausruhen möchte, kann zwischen zahlreichen Gesichtsbehandlungen und Massagen, die dort durchgeführt werden, wählen oder sich, ganz klassisch, für ein erholsames Wannenbad entscheiden. Die Badezimmer sind wie schon das Spa vom Fußboden bis zur Decke mit Carrara-Marmor ausgelegt und vermitteln dank ihrer Materialwahl und den formschönen Details wie dem tellerförmigen Waschbecken ein dezentes Gefühl von Luxus. Die Hotelzimmer selbst, die über die sechs oberen Stockwerke verteilt sind, werden, wie die öffentlichen Bereiche, von natürlichen Materialien wie Wolle, Holz, Stein, Leder und Glas dominiert und sind luxuriös und dennoch auf eine ehrliche Weise eingerichtet, ohne Spielereien und Ausschweife.
Modernes Boudoir
Die Krönung des Hotels ist die 110 Quadratmeter große Nobis Suite, die sich über vier Räume erstreckt und wie alle Suiten – anders als die Hotelzimmer – mit ihrer Verbindung aus Alt und Neu ein besonderes Flair bietet. Historische Details wie hölzerne Boiserien an den Wänden wurden hier mit zeitgemäßen Möbeln gepaart – ein Kontrast zu der traditionellen Architektur des Gebäudes. „Es war eine große Herausforderung, Suiten zu gestalten, die sowohl für romantische als auch berufliche Zwecke dienen sollen, also für Geschäftsreisen und Liebeswochenenden gleichermaßen. Ich denke, wir haben das gut geschafft. Die große Suite insbesondere wird sehr speziell sein – ein echtes modernes Boudoir,“ erklärt der Architekt und Designer Ola Rune. Aber auch die anderen Räumlichkeiten verbinden gekonnt zeitgenössische Ästhetik mit historischen Details sowie luxuriöser Einfachheit, so dass der Aufenthalt im Nobis Hotel in besonderer Erinnerung bleiben wird. Ob daraus gleich ein Nobis-Syndrom wird, bleibt abzuwarten, doch wiederkehren möchte man auf jeden Fall.
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