Stories

Das Sofa aus der Tube

Das Kultsofa Togo von Michel Ducaroy für Ligne Roset hat Geburtstag

Ein Kultsofa wird 40: Togo heißt der Sitzmöbelklassiker, den der französische Designer Michel Ducaroy 1973 für Ligne Roset entworfen hat. Während viele Entwürfe aus dieser Zeit wieder in der Versenkung verschwunden sind, wird Togo bis heute ohne Unterbrechung von derselben Polsterei im Jura-Gebirge gefertigt. Mit über 1,28 Millionen verkauften Exemplaren hat das Sofa nicht nur Designgeschichte geschrieben – es hat das Wohnen wie kaum ein anderes Möbel seiner Generation mitbestimmt.

von Norman Kietzmann, 25.06.2013

„Eine Zahnpastatube, wie ein Ofenrohr gefaltet und an beiden Enden geschlossen.“ Mit diesen Worten brachte Michel Ducaroy das Rezept für seinen bekanntesten Entwurf auf den Punkt. Dass das Sofa Togo auch nach vierzig Jahren in mehr als siebzig Länder exportiert wird, war anfangs noch nicht vorherzusehen. Im Gegenteil: Die Premiere auf der Pariser Haushaltswarenmesse im März 1973 entpuppte sich als eisig. Zu massiv und zu zerknautscht wirkte der Entwurf im Vergleich zu dem, was andere Aussteller seinerzeit zu bieten hatten. Doch trotz der Skepsis vieler Fachbesucher hatte Michel Ducaroy Glück. Zwei Jahre, nachdem Pierre Paulin den René-Gabriel-Preis für „innovative und demokratische Möbelkonzepte“ der Pariser Messe erhielt, wurde er selbst für die Gestaltung von Togo ausgezeichnet.



Entspanntes Lebensgefühl
Dass das Möbel mit seinen weichen, fließenden Formen zum Kultsofa der siebziger Jahre avancierte, hatte es jedoch nicht nur dem Preis zu verdanken. Ausgestattet mit einem Kern aus reinem Schaumstoff, brachte das bodennahe Sofa das Lebensgefühl der 1968er-Generation auf den Punkt. Anstatt aufrecht und steif zu sitzen, lässt Togo einen geradezu versinken. Mit seinen leicht ausgestellten Ecken wirkt es wie ein großer Handschuh, der sich schützend um seine Be-Sitzer legt. Anders als der 1968 lancierte Sitzsack Sacco (entworfen von Gatti, Paolini & Teodoro für Zanotta), geht Togo aber nie aus der Form. Das Sofa ist keine träge Masse, sondern erinnert an ein gefaltetes Kissen.

Anders als viele Möbel der sechziger und siebziger Jahre wurde Togo auch mit Anbruch der Postmoderne weder ausgemustert noch als veraltet empfunden. Obwohl der Entwurf klare Referenzen an den Zeitgeist der frühen siebziger Jahre zeigt, wurden dem Sofa zeitlose Qualitäten zugesprochen. Der Erfolg von Togo lag in der Verschmelzung zweier Gegensätze. Erst dadurch, dass Michel Ducaroy ein präzise sitzendes Gewand für den formlosen Sitzschaum schneidern ließ, konnte das Konzept des entspannten, bodennahen Sitzens salonfähig werden.
Langjährige Kooperation
Ein Gespür für Möbel wurde Michel Ducaroy schon früh in die Wiege gelegt. Seiner Familie gehörte die Möbelfabrik Chaleyssin, die unter anderem die Ausstattung von Frankreichs Vorzeige-Passagierschiff „Normandie“ übernommen hatte. Geboren 1925 in Lyon, studierte er an der dortigen Kunsthochschule Bildhauerei und begann im Anschluss, für das elterliche Unternehmen zu arbeiten. 1960 machte Michel Ducaroy auf diese Weise Bekanntschaft mit Jean Roset, dessen Familienunternehmen in den Nachkriegsjahren auf die Ausstattung von Pflegeheimen, Verwaltungen und Studentenzimmern spezialisiert war.

Daraus folgte eine 26-jährige Zusammenarbeit, bis sich Michel Ducaroy 1986 in den Ruhestand zurückzog. Zu seinen frühen Entwürfen für Roset zählten ein preisgünstiges Möbelprogramm für Jugendliche sowie mehrere Sitzmöbel und Schränke für den Objektbereich. Vor allem aber war Michel Ducaroy entscheidend an der Neuausrichtung des Unternehmens zu Beginn der siebziger Jahre beteiligt. Beeinflusst von der Aufbruchsstimmung der 68-Bewegung, verlegte Jean Roset den Schwerpunkt vom Objektbereich auf Wohnmöbel für Endkunden. Der Erfolg von Togo verschaffte nicht nur Michel Ducaroy Anerkennung als Designer. Er trug entscheidend zur weiteren Entwicklung des Unternehmens bei, das 1973 in Ligne Roset umbenannt wurde.



Hahnentritt und Liegewiese
Die Idee des bodennahen Sitzkissens hatte Michel Ducaroy bereits in den sechziger Jahren aufgegriffen. Den Auftakt machte der Sessel Adria (1968), gefolgt vom schwerfällig wirkenden Schaumstoffsofa Kali (1970). Auch nach Togo variierte Ducaroy die Form und adaptierte sie an den Zeitgeist wie das futonartige Sofa Ketch (1982), das rundum gepolsterte Sofa Brigantin (1981) oder das an eine aufgebauschte Luftmatratze erinnernde Modell Yoko (1985). Dem Erfolg von Togo konnten auch diese Modelle nichts anhaben. Im Gegenteil: Je mehr sie dem Trend der Stunde folgen wollten, desto stärker wurde Togo als zeitlos empfunden.

Ein Grund für den Erfolg mag auch die Wandelbarkeit des Möbels sein, das heute in 899 Stoff- und Lederfarben zur Auswahl steht. Pünktlich zum runden Jubiläum hat Ligne Roset eine Sonderedition des Klassikers auf den Markt gebracht, darunter Exemplare mit Bezügen aus einem Jacquard-Samtstoff mit Blumenmotiven und einem aus Alcantara mit schwarzweißem Hahnentrittmuster. Auch in puncto Volumen wird die Togo-Familie erweitert – um ein Liegesofa mit einer besonders großen Sitztiefe. Schließlich soll Togo auch in den kommenden Dekaden seiner Rolle treu bleiben. Das 40-jährige Jubiläum des Klassikers konnte Michel Ducaroy selbst nicht mehr miterleben. Er verstarb am 30. Juli 2009 im Alter von 83 Jahren in seiner Geburtsstadt Lyon.
Facebook Twitter Pinterest LinkedIn Mail
Links

Ligne Roset

Fertigungsstandorte von Ligne Roset mit ca 800 Mitarbeitern. 95% der Sitz-, Kasten-, Kleinmöbel und Accessoires werden hier gefertigt. Das seit 1860 bestehende Familienunternehmen exportiert in 5. Generation weltweit in 70 Länder und begeistert überall Menschen für hochwertige französische Möbel. Anspruchsvolle und zeitlose Ästhetik prägen die Marke sowie ein hohes Maß an Innovation und Kreativität. Möbel von Ligne Roset werden im gehobenen stationären Handel, in Exklusivgeschäften sowie über einen eigenen Onlineshop vertrieben. Darüber hinaus sind Hotels, Sternerestaurants, Kreuzfahrtschiffe und Luxusboutiquen ein wichtiges Geschäftsfeld.

Zum Showroom

Mehr Stories

Alles Rhabarber

Die Neuheiten vom Salone del Mobile 2024

Die Neuheiten vom Salone del Mobile 2024

Zirkuläres, Erhellendes & Entspannendes

Unsere Highlights der Milan Design Week 2024 – Teil 2

Unsere Highlights der Milan Design Week 2024 – Teil 2

Villen, Leuchten & Materialinnovationen

Unsere Highlights der Milan Design Week 2024 - Teil 1

Unsere Highlights der Milan Design Week 2024 - Teil 1

Hommage an die Natur

Polsterkollektion Siwa von Altherr Désile Park für COR

Polsterkollektion Siwa von Altherr Désile Park für COR

Möbel mit Raumwirkung

more präsentiert seine Neuheiten 2024 in Mailand

more präsentiert seine Neuheiten 2024 in Mailand

Keine Kreislaufprobleme

Vollständig recycelbarer Teppich von Object Carpet

Vollständig recycelbarer Teppich von Object Carpet

Best-of Teppiche 2024

Wie die Kunst auf den Teppich kam

Wie die Kunst auf den Teppich kam

Zweites Leben für Textilien

Das Recyclingsystem ReTurn von Delius

Das Recyclingsystem ReTurn von Delius

Brutalistische Kiefernholzmöbel

Studiobesuch bei Vaarnii in Helsinki

Studiobesuch bei Vaarnii in Helsinki

Best-of Raumausstattung 2024

Neue Tapeten, Farben & Textilien

Neue Tapeten, Farben & Textilien

Formal-Informal

Ligne Roset editiert Michel Ducaroys Polsterprogramm Kashima

Ligne Roset editiert Michel Ducaroys Polsterprogramm Kashima

CO2-Neutral und plastikfrei

Karcher Design setzt Nachhaltigkeit ganzheitlich um

Karcher Design setzt Nachhaltigkeit ganzheitlich um

Perfekte Imperfektion

Sebastian Herkner taucht die Bauhaus-Klassiker von Thonet in neue Farben

Sebastian Herkner taucht die Bauhaus-Klassiker von Thonet in neue Farben

Der Ikea-Effekt

Wenn aus Arbeit Liebe wird

Wenn aus Arbeit Liebe wird

Best-of Outdoor 2024

Möbelneuheiten für das Wohnen unter freiem Himmel

Möbelneuheiten für das Wohnen unter freiem Himmel

Ein Herz für Vintage

Wie der Hersteller COR gebrauchte Möbel neu editiert

Wie der Hersteller COR gebrauchte Möbel neu editiert

Kuratierter Kraftakt

Die Neuheiten der Stockholmer Möbelmesse 2024

Die Neuheiten der Stockholmer Möbelmesse 2024

Die Macht der Visualisierung

Wie Raumplanungen digital zum Leben erweckt werden

Wie Raumplanungen digital zum Leben erweckt werden

Best-of Tableware 2024

Neuheiten für die Küche und den gedeckten Tisch

Neuheiten für die Küche und den gedeckten Tisch

Ein Kessel Buntes in Paris

Die Neuheiten von Maison & Objet und Déco Off 2024

Die Neuheiten von Maison & Objet und Déco Off 2024

Skandinavische Designtradition

Das schwedische Unternehmen Kinnarps im Porträt

Das schwedische Unternehmen Kinnarps im Porträt

Dimensionen der Weichheit

Neuheiten von der imm cologne 2024

Neuheiten von der imm cologne 2024

Bühne für den Boden

Vorschau auf die Domotex 2024

Vorschau auf die Domotex 2024

Was darf ich für Dich tun

KI – Künstliche Intelligenz oder Kreative Invasion?

KI – Künstliche Intelligenz oder Kreative Invasion?

Wrestling & Fabelwesen

Neues von der Design Miami und Alcova Miami

Neues von der Design Miami und Alcova Miami

Alles auf einmal

Die Bundeskunsthalle in Bonn feiert die Postmoderne

Die Bundeskunsthalle in Bonn feiert die Postmoderne

Breite Eleganz

Fischgrätplanken von PROJECT FLOORS in neuen Formaten

Fischgrätplanken von PROJECT FLOORS in neuen Formaten

Alles auf eine Bank

Die Möbelkollektion Semiton von García Cumini für Arper

Die Möbelkollektion Semiton von García Cumini für Arper

Homeoffice im Wandel

Gestaltende über Lösungen für das Arbeiten zu Hause – Teil 2

Gestaltende über Lösungen für das Arbeiten zu Hause – Teil 2

Blick ins Homeoffice

Gestaltende über Lösungen für das Arbeiten zu Hause – Teil 1

Gestaltende über Lösungen für das Arbeiten zu Hause – Teil 1