Ausgeglüht
Eine Ära geht zu Ende, denn der Fortschritt lässt sich nicht aufhalten – diese und ähnlich Äußerungen sollen uns den Abschied von einem liebgewonnen Kleinod leichter machen. Dennoch werden wir ihn vermissen, den kleinen Lichtspender, der die Gesellschaft in die Moderne führte und sie über hundert Jahre lang in fast jedem Lebensbereich begleitete: Die Glühlampe, besser bekannt als Glühbirne. Zum 1. September tritt das sogenannte „Glühlampen-Verbot“ in Kraft, das vorsieht, die Birnen mit dem Glühfaden schrittweise bis 2012 vom Markt zu nehmen. Obgleich in der ersten Stufe in diesem Jahr nur alle Glühlampen mit einer Leistung von 100 Watt sowie alle matten Modelle aus den Geschäften verschwinden sollen, melden Baumärkte bereits Hamsterkäufe. Denn die Alternative, Kompaktleuchtstofflampe oder auch Energiesparlampen genannt, stößt nicht überall auf Gegenliebe, wird ihr Licht doch gemeinhin als kalt empfunden. Freunde und Gegner des Glühlampen-Verbots liefern sich in den Medien zurzeit heiße Debatten – dabei geht es nicht nur um Energieeffizienz und Lichtfarben, sondern auch um Gesundheit, Gesellschaft und Design.
Was wir Menschen wahrnehmen ist das Licht, welches von Oberflächen reflektiert wird. Demnach bestimmt das Licht maßgeblich unsere Sicht auf die Welt. Nach über 100 Jahren im Licht der Glühlampen, hat sich unser Auge daran gewöhnt – wir wissen, wie Dinge auszusehen haben nach Einbruch der Dunkelheit. An dieser verinnerlichten Wahrnehmung scheitern neuartige Lichtquellen immer wieder, sei es die Energiesparlampe oder die LED-Leuchte.
Die EU-Richtlinie
Doch hat in Zeiten, in denen der Mensch versucht, den Klimawandel aufzuhalten und Ressourcen zu schonen, ein wenig effizientes Leuchtmittel wie die Glühlampe, das im Betrieb lediglich fünf Prozent Licht und 95 Prozent Wärme produziert, nicht tatsächlich ausgedient?
Die Europäische Kommission denkt „Ja“ und beschloss im Dezember 2008 das schrittweise Ende der heißen Birne. Die neue EU-Glühlampen-Richtlinie ist dabei Teil eines ganzen Maßnahmenpakets, mit dem der Energieverbrauch von elektrischen Geräten in Europa stark gesenkt werden soll. So schreibt die Richtlinie genau vor, welche Lampen ab wann nicht mehr verkauft werden dürfen: Ab 1. September 2009 sind alle matten sowie alle klaren Glühlampen mit 100 Watt und mehr verboten. Für 75 Watt-Glühlampen schlägt die Stunde am 1. September 2010, ab 2011 dürfen keine 60 Watt-Birnen mehr verkauft werden. Ab 1. September 2012 schließlich müssen alle klaren Glühlampen sowie Halogenlampen mindestens die Energie-Effizienzklasse C erreichen. Der Trick: Da keine Glühlampe diese Maßgabe erfüllen kann, sind Glühlampen damit faktisch abgeschafft.
Pro und Kontra: Die Energiesparlampe
Als Ersatz für die klassische und zweifellos ineffiziente Glühbirne dient zurzeit die Energiesparlampe. Diese ist nichts anderes als eine kleine Leuchtstoffröhre. Im Inneren des gebogenen Glaskolbens findet sich ein Gemisch aus Edelgas und Quecksilber. Und genau hier liegt eines der Probleme, das die Gegner der Energiesparlampen anprangern: Jedes Exemplar enthält zwei bis fünf Milligramm Quecksilber, ein hochgiftiges Schwermetall, das nur durch ein einziges Milligramm mehrere tausend Liter Trinkwasser verseuchen kann. Energiesparlampen dürfen folglich nicht im Hausmüll entsorgt werden, sondern gehören auf den Sondermüll. Sofern man dies weiß, also kein Problem. Doch hat die Deutsche Umwelthilfe herausgefunden, dass das Netz der Sammelstellen zurzeit in deutschen Städten noch mehr als dürftig ist. So habe die Stadt Köln lediglich zwei feste Sammelstellen für seine knapp eine Million Einwohner, während beispielsweise in Wuppertal ausgediente Energiesparlampen nicht nur bei den Wertstoffhöfen, sondern auch in neun Elektrogeschäften abgegeben werden können. Hinsichtlich der Entsorgung besteht also noch Nachholbedarf. Vorbild könnten die Sammelboxen für Batterien sein, die mittlerweile in fast jedem Supermarkt zu finden sind.
Kalt und gesundheitsschädlich?
So produziert der Versuch, ein Umweltproblem zu lösen – für die Sparlampe sprechen Energieeinsparung von bis zu 80 Prozent gegenüber der Glühlampe und deutlich weniger CO2-Ausstoß – gleich zwei andere, nämlich die Quecksilberentsorgung und der höhere Energieverbrauch, der allein für die Produktion von Energiesparlampen aufgewendet werden muss. Pro- und Kontra-Argumente gibt es also zuhauf und sie werden derzeit eifrig zwischen den Lagern der Gegner und Befürworter des Glühlampen-Verbots auf allen Kanälen ausgetauscht. Dabei kommt nicht nur der Umweltaspekt zum Tragen, sondern auch die Auswirkungen, die eine Welt ohne Glühlampen auf die Gesundheit der Menschen und das Design haben kann. Wegen des hohen Blauanteils im Licht der Energiesparlampen – das viele Menschen als kalt und ungemütlich empfinden – befürchten Mediziner einen Boom der Schlaflosen. Denn blaues Licht unterdrückt die Ausschüttung des Schlafhormons Melatonin – es macht also wach. Mittlerweile bieten Hersteller aber auch warmweiße Energiesparlampen an, deren Farbspektrum um Rot und Gelb ergänzt wurden. Es gibt zudem Modelle, die schnell starten und sogar gedimmt werden können. Dennoch gibt es viele Stimmen aus den Reihen der Lichtplaner und -designer, die die Energiesparlampe nicht als adäquaten Ersatz für die Glühlampe ansehen.
„Wir halten das Licht einer Glühlampe nicht für ersetzbar, sondern für einzigartig“, erklärt zum Beispiel der Lichtdesigner Ingo Maurer in einem Statement zum Glühlampenverbot und ruft zum zivilen Ungehorsam auf. Auf der Lichtmesse Euroluce 2009 präsentierte er selbst mit seinem Entwurf „Euro Condom“ das Mittel dazu: Ein dünner Silikonüberzug verwandelt klare Glühlampen in matte. Schließlich steht auch Ingo Maurer wie viele andere vor einem gestalterischen Problem: Was passiert mit den Designklassikern, die auf Basis der Glühlampe entwickelt wurden? Wie machen sich Energiesparlampen auf Omas Kronleuchter, dem liebgewonnenen Erbstück? „Für einige Produkte, wie zum Beispiel die Birds und die Lucellino-Familie, veranlassen wir Änderungen, obwohl sie gesetzlich nicht vorgegeben sind, aber Einsparungen in Höhe von zirka 30 Prozent möglich machen. Leider gibt es auch Sorgenkinder, für die es besonders schwierig sein wird, einen guten Ersatz zu akzeptablen Preisen zu finden“, erklärt Ingo Maurer.
LED als Lichtquelle der Zukunft
Doch auch wenn Halogen- oder Energiesparlampen zurzeit als Ersatz für die Glühlampe fungieren, sehen Lichtexperten die wahre Zukunft der Beleuchtung in einer anderen Technologie: LED. Die Leuchtdioden sollen schon in den kommenden Jahren Wohnungen, Häuser und Büros erobern. Der Vorteil: Kein Quecksilber und die äußerst energiesparenden LEDs leuchten bis zu 50 Jahre lang. Zudem sind LEDs wegen ihrer geringen Baugröße vielfältig in ihren Einsatzmöglichkeiten und bieten auch durch Farbverläufe und separate Ansteuerbarkeit neuen Freiraum für Gestaltungsideen. „In gewerblichen und öffentlichen Bereichen, aber auch in privaten Haushalten wird es durch die neuen Möglichkeiten der LEDs in den nächsten Jahren deutliche Veränderungen geben“, prognostiziert Roland Heinz, Leiter der Philips Lighting Academy.
Schon heute bietet der Hersteller Philips verschiedene Glühlampenalternativen auf LED-Basis. Die derzeit erhältlichen LED-Birnen sehen fast genauso aus wie Glühbirnen oder Halogenstrahler und passen in die herkömmlichen Gewinde und Fassungen. Sie sind lediglich etwas schwerer – und teurer: Mit einem Preis von 25 bis 30 Euro kosten Birnen auf Leuchtdiodenbasis rund 30 Mal soviel wie eine Glühbirne. Dafür halten sie aber auch bis zu 50 Mal länger und verbrauchen dabei 80 Prozent weniger Energie. Teurer sind die LED-Birnen vor allem deswegen, weil ihr Herstellungsprozess aufwändiger ist und sie in eine glühbirnenähnliche Form gebracht werden müssen, um als adäquater Ersatz für die Traditionsbirnen zu dienen. Denn in der Birnenform ist die Wärmeableitung viel komplexer. Wenn auch deutlich weniger als die Glühlampe, so erzeugen auch die Leuchtdioden Oberflächenwärme, die von den Halbleiter-Chips abgeführt werden muss.
Bei Philips sieht man sogar eine weitere Entwicklung im Lichtmarkt voraus: Wenn LEDs 20, mitunter sogar 50 Jahre lang halten, braucht man keine Leuchten mehr zu bauen, bei denen das Leuchtmittel ausgetauscht werden muss. Und bei Leuchten, die speziell für LED konstruiert wurden, ließe sich die Wärme auch einfacher ableiten.
Ob wir nun wirklich alle quecksilberverseucht an chronischer Schlaflosigkeit leiden werden oder einfach Energie sparen und damit der Umwelt und dem eigenen Geldbeutel einen Gefallen tun, das wird sich ab 2012 zeigen. Fest steht aber, dass die Energiesparlampe nur eine Übergangslösung ist. Hersteller arbeiten mit Hochdruck an der Weiterentwicklung von LEDs und OLEDs, sodass die ungeliebte Energiesparlampe möglicherweise schon vorher ausgedient hat. Der Abschied von der Glühlampe, einem liebgewonnen Begleiter, fällt zwar schwer – doch es wird der Menschheit sicher nicht das Licht ausknipsen. Und übrigens: Erinnert sich noch jemand an Y2K?
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