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Black Box Berlin – Eine Vorschau auf die Qubique 2011

von Tim Berge, 19.10.2011


Eine Designmesse in Berlin – das hört sich zunächst nach einer guten Idee an. Allerdings sind die Organisatoren der Qubique, die vom 26. bis 29. Oktober im ehemaligen Flughafen Tempelhof stattfindet, in diesem Jahr nicht die einzigen, die mit einer neuen Designmesse aufwarten. Vielmehr reihen sie sich in eine Ausstellungs-Polonaise ein, die im Jahr 2011 fast ohne Pause über die Kontinente zieht. Die Frage ist also, ob es der hauptstädtische Neuling schaffen wird, Relevanz und ein eigenes Profil zu entwickeln. Und wo die Chancen einer solchen Messe in Deutschland liegen.


Sie scheinen zu wissen, was sie tun. Seit letztem Jahr arbeitet die Offshow AG, die hinter der Qubique steckt, mit großer Akribie an deren Erstausgabe und knüpft ihre Hoffnungen vor allem an das Image der Stadt Berlin sowie eine starke Selektion bei den Ausstellern. Nicht jeder soll in den Club der Auserwählten hineinkommen – so bleibt die Qualität gewahrt. Auf den ersten Blick ist diese Strategie aufgegangen: Einige Hersteller, die sich sonst nicht auf eine noch kleine und unerprobte Messe begeben würden, haben ihre Teilnahme zugesagt. Das zeigt ein gewisses Grundvertrauen in das Vorhaben – doch der tatsächliche Erfolg wird davon abhängen, was auf der Qubique gezeigt wird, ob hier nur Altes neu aufgekocht oder wirklich Neues präsentiert wird. Keine leichte Aufgabe, richten sich doch die meisten Unternehmen – ähnlich wie in der Modebranche – nach den immergleichen Veröffentlichungs-Zyklen, die nun mal zeitlich an die großen Messen gebunden sind.
 
In die Lehre gehen
 
Das Organisationsteam spricht von einer „Gesamtstimmung“, die sie erzeugen wollen: ein Berlin-typischer Ort mit hohem internationalen Wiedererkennungsfaktor, eine Auswahl guter, hochwertiger Hersteller, die nicht auf jeder Messe ihre Ware präsentieren und als gleichwertiger, dritter Bestandteil ein Rahmenprogramm, das qualitativ nicht nachlässt, sondern zusätzlich für Aufmerksamkeit sorgt. Man sieht sich weder als Gegenveranstaltung zu den großen Verkaufsschauen noch als „reine Arbeitsmesse zum Abhaken", hier „gehen Geschäft und Unterhaltung Hand in Hand“. Nicht umsonst waren zwei der drei Geschäftsführer jahrelang Mitarbeiter der Bread & Butter – ein Paradebeispiel für die geschickte Fusion von Geschäft und Unterhaltung.
 
Club im Club
 
Ein erster Schritt, die oft dröge Präsentation von Produkten aufzulockern, wurde bei der Konzeption der Sonderausstellungen gemacht: Thonet etwa zeigt mit Hilfe eines mobilen Dampfkessels in der Qubique Factory den Herstellungsprozess der Rückenlehne des Bugholzstuhls 214, wobei der Besucher sogar selbst mit Hand anlegen und an der Produktion des legendären Wiener Kaffeehausstuhls mitwirken kann.
 
Neben den eigentlichen Ausstellungsbereichen gibt es noch zwei weitere Plattformen, die von unabhängigen Kuratoren-Teams organisiert wurden und sich wie Inhouse-Satelliten präsentieren. Ventura Berlin ist ein Ableger der Ventura Lambrate, die seit zwei Jahren auf dem Salone del Mobile für Aufsehen sorgt und dort mittlerweile zu den Hauptattraktionen gehört. Das Team vom niederländischen Studio Organisation in Design fokussiert sich vor allem auf konzeptionelles Design und Nachwuchsdesigner – unter anderem wird der Empty Chair von Maarten Baas für Amnesty International erstmals außerhalb der Niederlande gezeigt, und die beiden jungen schottischen Designer Nick Ross und Fraser Reid präsentieren ihre Stuhlserie Domestic Selections, bei der jedes Exemplar auf ein und demselben Archetypus basiert und nur durch die Prinzipien der genetischen Selektion zu einer endlosen Anzahl an Varianten führt.
 
Die Plattform Black Box – kuratiert von Hermann August Weizenegger – funktioniert tatsächlich wie das namensgebende Gerät: Nicht jeder kommt an die Inhalte heran. So sind in diesem Fall der reguläre Messebesucher und die Presse vom Eintritt ausgeschlossen, allein Hersteller sind eingeladen, sich die Prototypen der ausgewählten Designer anzusehen. Mit dieser Vorgehensweise soll die Exklusivität der Produkte – auch im Hinblick auf eine spätere Vermarktung – gewahrt bleiben. Ist ein Unternehmen interessiert, kann es eine Visitenkarte in einer kleinen Black-Box-Variante hinterlassen, die neben jedem Ausstellungsstück platziert ist – sicherlich eine gute Möglichkeit für den Nachwuchs der Branche, an Händlerkontakte zu kommen, die einem sonst verwehrt blieben.
 
Explosionen in Tempelhof
 
Das Gebäude des Flughafen Tempelhof – immer noch das zweitgrößte Gebäude Europas – bietet den Ausstellern eine ganze Reihe an Orten, die einem Filmset entsprungen sein könnten. Established & Sons präsentiert seine Produkte in der ehemaligen Feuerwache und ließ sich dazu von den schwedischen Architekten Claesson Koivisto Rune ein Möbeldisplay entwerfen, das in Form und Farbe fünf Feuerwehrautos entspricht. Gezeigt wird unter anderem das – zwar schon etwas ältere – Quilt-Sofa von Erwan und Ronan Bouroullec, doch kommt es mit dem Namenszusatz the thing daher, einem neuen Bezug, der auch einem Comic-Superhelden gut stehen würde.
 
In den Räumen der ehemaligen Flughafen-Reisebüros in der imposanten Eingangshalle stellen acht Designgalerien ihre Möbel und Objekte im Rahmen des Gallery Walk aus. Mit dabei ist Jörg Schellmann aus München, der neben seiner erfolgreichen Editionsgalerie damit angefangen hat, Möbel mit und von Künstlern produzieren zu lassen. Zeigen wird er posthum realisierte Objekte nach Entwürfen von Joseph Beuys und Donald Judd, aber auch ein Tisch- und Regalsystem von Liam Gillick und Arbeiten von Rachel Whiteread und aus eigener Feder.
 
Die Paradigma Design Gallery aus Tel Aviv zeigt eine Stuhlserie von Guy Mishaly, die es in sich hat: Jedes Sitzobjekt der Reihe Blast besteht aus Metallkörpern, aus denen durch gezielt gesetzte Explosionen Beine herausmodelliert wurden. Eine brisante Herstellungsmethode in einem Land, in dem Detonationen und ihre Auswirkungen in erster Linie negativ besetzt sind. Der holländische Designer Max Lipsey zeigt dagegen ganz konventionelle Möbel, die – ähnlich wie ihre Inspirationsquelle Rennräder – als Leichtgewichte daherkommen und aus Metallrohrrahmen gefertigt sind. Acciaio (Italienisch = Stahl) heißen die Stühle, Beistelltische und Raumtrenner konsequenter Weise und wurden von der New Yorker Galerie Matter mit nach Berlin gebracht.
 
Los geht’s
 
Ein Ehrengast steht jetzt schon fest: Das Mailänder Unternehmen Fornasetti bekommt einen eigenen Bereich zugewiesen und zeigt die Re-Inventions von Barnaba Fornasetti, dem Sohn des Gründers und Genius Piero Fornasetti. Seine Entwürfe greifen teilweise auf Gestaltungselemente des Vaters zurück, bieten aber auch gänzlich neue Objekte wie die Armistizio-Kollektion oder den Stuhl Lux Gstaad. Die Arbeiten strotzen nur so vor Fantasie, Humor und Surrealem, und sie werden sicherlich ihren Zauber an die Besucher weitergeben. Das gleiche erhofft man sich auch für die Qubique und ihren ersten Auftritt auf dem großen Parkett: Wir wünschen nur das Beste!


Mehr zur Qubique 2011 erfahren Sie in unserem Special.
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