Blick in die Zukunft - Future Forum 2008
Auf der Spur der Trends von morgen fand vom 15.-17. Oktober das 5. Future Forum in Berlin statt, ein von Design Hotels initiiertes Treffen von Designern, Architekten, Trendforschern, Hoteliers und Gastronomen. Unter dem Motto „human design“ stand diesmal die Verbindung von Mensch und Gestaltung im Mittelpunkt, zu der hochkarätige Redner in ihren Vorträgen und Präsentationen Stellung nahmen. Ihr Plädoyer: Schluss mit den anonymen, austauschbaren Hotelketten des 20. Jahrhunderts und mehr Mut zu gestalterischer Individualität. Die Gäste von morgen wollen überrascht und vor allem verführt werden.
Schon der Auftakt des diesjährigen Future Forums, das nach London, Shanghai, Wien und Barcelona nun zum ersten Mal in Deutschland stattfand, begann in einem ungewöhnlichen Rahmen: hoch oben im Telecafé des Berliner Fernsehturms, wo die insgesamt 250 internationalen Teilnehmer beim Blick über die Stadt zum ersten Mal aufeinander trafen. Einige waren sogar eigens aus Indien, Neuguinea oder den USA angereist, um sich über die gegenwärtigen Tendenzen im Hoteldesign zu informieren, das – wie die rege Teilnahme beweist – auch aus wirtschaftlicher Sicht immer mehr an Bedeutung gewinnt. Weiter ging es an den beiden darauf folgenden Tagen schließlich in der Halle am Wasser, die normalerweise als Heimstätte zahlreicher Galerien zwischen Hamburger Bahnhof und der markanten, langgestreckten Ausstellungshalle der Sammlung Flick dient. Wurden am zweiten Tag in kleinen Workshops Antworten zu wirtschaftliche Fragen gegeben, stand der Tag zuvor allein im Zeichen des Designs.
Die neue Rolle der Frauen
Der Einstieg war mit der Präsentation der beiden Londoner Trendforscher Christopher Sanderson und Martin Raymond, besser bekannt unter ihrem Büronamen „The Future Laboratory“, klug gewählt. Verpackten sie doch ihre Aussichten in die Zukunft in eine anschauliche, temporeiche und humorvolle Diashow, die selbst früh morgens das Eis mit den Zuhörern brechen ließ. Ihre erste These: Männer werden in der Gesellschaft von morgen nutzlos, sind sie doch spätestens seit der künstlicher Befruchtung ihrer biologischen Rolle enthoben. Und auch die des Ernährers erweist sich nach aktuellen Studien, in denen der Anteil von Männern und Frauen an Studienplätzen als auch im Umgang mit neuen digitalen Medien untersucht wurde, als Auslaufmodell. Das Ergebnis: bereits 2020 werden 53 Prozent aller Millionäre weiblich sein und die Entscheidungsträger der Zukunft stellen. Das Design hat demnach weit mehr als nur auf rein funktionale oder auf Kraft und Leistung bezogene Aspekte zu setzen. Die Verknüpfung mit emotionalen und sinnlichen Qualitäten wird daher auch für Hotels zu einem wesentlichen Kriterium.
Verbindung aus Arbeit und Vergnügen
Einen weiteren wichtigen Wandel sehen Christopher Sanderson und Martin Raymond in der zunehmenden Verschmelzung von Arbeit und Freizeit, die sie mit der Wortfindung „Bleisure“ (Business + Pleisure) auf den Punkt bringen. Schon jetzt, so wurde in einer Studie der Werbeagentur „CBS Outdoor“ herausgefunden, werden allein in Großbritannien neun Milliarden Pfund pro Jahr in der U-Bahn, im Flugzeug oder im Park erwirtschaftet, indem unterwegs vom BlackBerry oder iPhone Emails geschrieben, Verträge ausgefüllt oder Überweisungen getätigt werden. Auch der Arbeitsalltag selbst ist von Veränderung betroffen und spiele sich immer mehr außerhalb des klassischen Büroumfeldes ab. Auch hier gilt es für Hotels, sich neu zu positionieren und Antworten jenseits der überholten Kategorien von Business- oder Freizeithotel zu entwickeln. Sanderson und Raymond sehen hierbei auch Veränderungen auf die Immobilienbrache zukommen. Ist es doch denkbar, am Wochenende oder während der Nacht leer stehende Bürogebäude in eben jenen Zeitspannen in temporäre Hotels umzuwandeln.
Essens als Event
Auch das Essens wird seine Rolle verändern und sich mehr und mehr zu einem Event entwickeln, das im Rahmen neuer, avantgardistischer Restaurantkonzepter stattfinden soll. Bei diesen steht vor allem die Interaktion und Kommunikation zwischen den Gästen im Mittelpunkt, die „multisensuell“ verführt werden wollen. Die niederländische Designerin Marije Vogelzang, die gleich im Anschluss an Christopher Sanderson und Martin Raymond ihre Arbeiten präsentierte, gilt als Koryphäe auf dem Gebiet des Food Designs. Dieses dreht sich allerdings weniger um das Essen an sich, als vielmehr die Art und Weise, wie etwas gegessen wird. Ihren Sinn für besondere Inszenierungen konnte sie unter anderem bei einem Weihnachtsessen für die niederländische Designertruppe Droog beweisen. Bei diesem platzierte sie die Gäste an eine lange Tafel und bedeckte diese mit einem durchgehenden Tischtuch. Durch dieses mussten die Gäste schließlich ihre Köpfe stecken, sodass die Bewegungen jedes Einzelnen für seine Nachbarn spürbar waren. Die Interaktion untereinander wurde durch zerschnittene Teller gefördert, auf denen beispielsweise auf der einen Tischseite Melonen und auf der anderen Tischseite Schinken lagen. Ohne die Gäste extra auffordern zu müssen, tauschten diese ihre Tellerhälften untereinander aus und kamen darüber ins Gespräch.
Die Verantwortung des Designs
Dass das Design heute weit mehr als nur funktionalen oder ökonomischen Aspekten zu folgen hat, zeigte anschließend der New Yorker Designer Stephen Burks. Dieser engagiert sich neben seinen eher glamourorientierten Projekten, die er für Kunden aus der Mode- und Kosmetikindustrie kreiert, auch in Entwicklungsarbeit in Form von Workshops, die er mit jungen Designern aus den Townships von Südafrika organisiert. Zusammen mit der Möbelmarke Cappellini wurden einige der Entwürfe schließlich umgesetzt und in den Geschäften des Unternehmens vertrieben. Das Design, so seine Forderung, hat heute mehr denn je kulturelle Werte zu vermitteln als auf blanken, seelenlosen Konsum zu setzen. Produkte müssten vielmehr in der Lage sein, Geschichten zu erzählen, die über die oberflächliche Wahrnehmung hinausreichen.
Design als Kunst
Ganz auf die Bedeutung von Identität und Individualität setzt eine andere Gruppe von Designern, die eher die Nähe zur Kunst sucht. So entführt der Kanadier und Wahlberliner Jerszy Seymour mit seinen Entwürfen, bei denen er alltägliche Alltagsgegenstände mit weichem Kunststoffschaum überzieht, in eine knallig bunte Phantasiewelt, die er in Museen oder Galerien inszeniert. Um einiges härter an der Grenze zum Kitsch und doch auf entwaffnend sympathische Weise entwickeln die beiden Designer Sam Borkson und Arturo Sandoval unter ihrem Büronamen „Friends with you“ reichlich schräge wie amüsante Filme und Installationen, die an japanische Kinderfilme erinnern. Was anfangs noch als freie künstlerische Arbeit begann, hat ihnen nun auch zahlreiche Aufträge aus der Werbung eingebracht. So haben sie unter anderem in Kopenhagen mehrere Räume des von Volkswagen initiierten Fox-Hotels entworfen, ohne dabei von ihrem kindlichen Comicstil abweichen zu müssen.
Kulinarischer Abschluss
Sorgten die Filme von „Friends of you“ bereits für gute Stimmung, war es doch das abendliche Dinner, das für einen gelungenen Ausklang sorgte. Dieses fand in der großen Halle des Nachtclubs „Tape“ statt, für das die Berliner Gourmettüftler „the Foodists“ ein atmosphärisches Menü für alle 250 Gäste kreierten. Die Küche stand wie eine offene Bühne in der Mitte des Raumes und war von großen Bildschirmen umgeben, auf denen in Nahaufnahme die Zubereitung der Speisen und kleiner raffinierter Cocktails übertragen wurde. Vielleicht ist es das, was den meisten Besuchern des Future Forums in Erinnerung bleiben wird: gutes Design geht nicht zuletzt auch durch den Magen.
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