Blumenkinder des Lichts
Ein rot leuchtender Strudel wird zum strahlenden Sternenhimmel, aus zäh flieβender Lava wächst eine bunte Blumenwiese. Im Rhythmus der Musik kreisende Planeten verwandeln sich in schwebende Amöben – plötzlich explodieren die Farben und ergieβen sich über die Bühne … mit einem „LSD-Trip ohne Nebenwirkungen‟ werden die psychedelischen Projektionen der Joshua Light Show häufig verglichen. Seit nunmehr fünfundvierzig Jahren liefern die New Yorker Künstler mit ihren aufwendigen Lichtinstallationen die Untermalung zu zahllosen Veranstaltungen und prägten so die visuelle Sprache einer ganzen Ära.
Die steile Karriere der Joshua Light Show begann mit Eröffnung des legendären New Yorker Nachtklubs Fillmore East im März 1968. Der damals vierundzwanzigjährige Joshua White hatte die Gruppe nach seinem Studium der Elektrotechnik, Theaterbeleuchtung und Filmkunst gegründet. Gemeinsam mit einem festen Kern aus fünf bis sieben Mitgliedern entwickelte er aufwändige Lichtshows für die allwöchentlichen Konzerte des Klubs. Nach Schlieβung der Kultinstitution im Juni 1971 folgten Auftritte in Woodstock, der Carnegie Hall und dem Lincoln Center. In den siebziger Jahren gab es wohl kaum eine Berühmtheit des Rock’n Roll, die nicht von der Joshua Light Show in psychedelisches Licht getaucht worden wäre – zum Beispiel Janis Joplin, Jimi Hendrix, John Lennon, The Who, Chuck Berry, The Doors und The Grateful Dead, um nur einige zu nennen.
Analoge Magie
Hinter der schwerelos wirkenden Bildwelt der Schau steckte ein mehrere Tonnen wiegender Maschinenpark aus drei Filmprojektoren, drei Overhead-Projektoren, hunderten Farbrädern, einer Batterie Karussell-Diaprojektoren, diversen motorisierten Reflektoren aus Aluminiumfolie, zerbrochenen Spiegeln und Polyesterfilm sowie zwei Haartrocknern, zwei kristallenen Aschenbechern und dutzenden Uhrenquarzen. Mithilfe dieses von den Machern selbst humorvoll „stoned age technology‟ getauften Sammelsuriums und des im Backstagebereich installierten Projektionssystems bespielten sie während der Liveauftritte der Musiker eine auf der Bühne montierte Leinwand.
Die Lichtshow setzte sich aus vier Komponenten zusammen. Die Basis bildete farbiges Licht, das mit verschiedenen Gegenstände gefiltert wurde. Die zweite Komponente bestand aus einer reichen Sammlung von Filmstills, Gemälden von Malern wie Goya oder Manet sowie Textpassagen und geometrischen Mustern. Den dritten, extrem effektvollen Bestandteil bildete die „wet show‟, eine Mischtechnik aus Wasser- und Ölfarben, die auf gläsernen Ziffernblättern addiert und simultan über Overheadprojektoren auf der Leinwand abgebildet wurden. Das vierte Element, „Lumia‟ genannt, war eine Neuinterpretation der von Thomas Wilfred in den zwanziger Jahren entwickelten „Farborgel‟ oder „Clavilux‟. Es bestand aus einer mechanischen Spiegelkonstruktion mit reflektierenden Folien und Projektoren, die einen Wirbel aus Licht, Farbe und Form entstehen lieβen.
In digitalen Zeiten
Auch heute überrascht die Joshua Light Show trotz digitaler Hilfsmittel noch mit den analogen Techniken und dem Materialaufwand von damals. Ihre handwerkliche Perfektion und ihre spontane Arbeitsweise, die Joshua White mit der Improvisation von Jazzmusikern vergleicht, sorgen im Zeitalter digitaler Medien für nostalgisches Staunen. Nachdem es in den achtziger und neunziger Jahren etwas ruhiger geworden war um die Gruppe, verhalf die Jahrtausendwende zu einem unverhofften Revival – vor allem in der Kunstwelt. Joshua White hat seither an zahlreichen Ausstellungen teilgenommen, die unter anderem in der Tate Liverpool, dem Centre Pompidou und dem Whitney Museum zu sehen waren.
Im Februar diesen Jahres brachte die Joshua Light Show zum Medienkunstfestival Transmediale ein bisschen „Summer of Love‟ in den kalten Berliner Winter. Im Haus der Kulturen der Welt begleiteten sie die Musik von Supersilent, Oneothrix Point Never und Manuel Göttsching mit ihren spektakulären Live-Performances. Zum ersten Mal seit den sechziger Jahren brachten sie ihre tonnenschwere Ausrüstung wieder nach Europa. Das Motto der Transmediale lautete in/compatible, und wahrscheinlich ist es gerade ihre augenscheinliche Unvereinbarkeit mit dem digitalen Zeitalter, die die Joshua Light Show so besonders macht.
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