BMW Art Car 2017: Aufholjagd in Macau
Die chinesische Multimediakünstlerin Cao Fei gestaltete das 18. BMW Art Car fürs härtestes Straßenrennen der Welt.
Der Macau Grand Prix gilt als härtestes Straßenrennen der Welt. Im November nahm an der Tourenwagen-Weltmeisterschaft ein ungewöhnliches Fahrzeug teil: das 18. BMW Art Car, gestaltet von Cao Fei, einer chinesischen Multimediakünstlerin. Wir waren beim Startschuss an der Rennstrecke dabei.
Macau ist die Hauptstadt des Glücksspiels. Glitzernde Kasinofassaden reihen sich hier dicht aneinander und lassen Las Vegas nicht nur in puncto Glamour alt aussehen. In der einstigen portugiesischen Kolonie, die seit 1999 als Sonderwirtschaftszone zu China gehört, werden längst fünfmal höhere Einsätze getätigt als in der Wüstenstadt Nevadas. Es wird in Macau allerdings nicht nur um Geld gespielt. In den engen Häuserschluchten sowie auf den umliegenden Brücken wird seit sechs Jahrzeiten auch der Macau Grand Prix ausgetragen.
Bei der diesjährigen Tourenwagen-Weltmeisterschaft tanzte ein Fahrzeug deutlich aus der Reihe: Das von der chinesischen Multimediakünstlerin Cao Fei gestaltete 18. BMW Art Car konnte nach seiner Frühjahrs-Premiere in Peking nun seine Renntauglichkeit auf den Straßen der Glücksspielmetropole unter Beweis stellen. Cao Fei hat bereits im MoMA PS1 in New York, im Pariser Centre Pompidou und auf der Kunstbiennale in Venedig ausgestellt. Das K21 in Düsseldorf widmet ihr ab Obktober 2018 die erste große Soloschau in Deutschland.
Über das Objekt hinaus
Mit dem Art Car reiht sich die Künstlerin in eine prominente Riege ein: Vor ihr haben John Baldessari, Jeff Koons, Olafur Eliasson und Jenny Holzer einen BMW gestaltet. Angestoßen wurde die PS-getriebene Kunstreihe bereits in den Siebzigerjahren von Andy Warhol, Roy Lichtenstein und Alexander Calder. Während die Vorgänger auf den Karosserien mit Pinsel, Farbe oder bedruckten Folien Spuren hinterließen, ging Cao Fei in eine andere Richtung. „Ich denke, dass es an der Zeit ist, neue Technologien einzubringen und etwas kreieren, das über das reine Objekt hinausgeht“, erklärt die 35-Jährige.
Sie verkleidete das Fahrzeug mit mattschwarzen Karbonpaneelen und entwickelte eine Smartphone-App. Mithilfe der Software werden – durchs Display betrachtet – farbige Muster oberhalb des Autos visualisiert, die an imaginäre Pinselstriche in der Luft erinnern. Was sich dahinter verbirgt, ist ein in China gängiges Ritual: Neue Autos werden von Priestern oder Mönchen gesegnet, damit sie die Insassen vor Unglück bewahren. „Wir stehen in unserer Tradition den Dingen nicht nur objektiv gegenüber. Wir glauben, dass alles miteinander verbunden ist so wie die Äste mit dem Stamm eines Baumes“, erklärt Cao Fei, die selbst keinen Führerschein besitzt und vor Autos sogar ein wenig Angst hat, wie sie selbst sagt.
Dass es auf der Straße mitunter brenzlich zugeht, zeigte sich bereits am Vortag des Macau Grand Prix. Beim Qualifying war gleich ein ganzes Dutzend Rennfahrzeuge in eine Massenkarambolage verwickelt, bei der sie sich in drei Schichten übereinander stapelten. Eine Erklärung für den Unfall findet sich in der Beschaffenheit der Rennstrecke. Mit sieben bis vierzehn Metern in der Breite ist sie sehr eng. Steuert ein Wagen in die Leitplanken, wird er zurück auf die Fahrbahn geschleudert, blockiert sie und sorgt so für einen Massencrash. Verletzt wurde bei dieser Vorrunde niemand.
Filter menschlicher Interaktion
Aufatmen konnte Cao Fei allerdings noch aus einem weiteren Grund: Ihr Art Car mit der Startnummer 18 gehörte zu den wenigen Fahrzeugen, die dem Crash davongefahren sind. Nach den Aufräumarbeiten konnte die Qualifizierungsrunde fortgesetzt werden und endete für den schwarzen BMW mit einem zweiten Platz. Doch das Rennen am Folgetag verlief bei Nieselregen dramatisch. Der vom Brasilianer Augusto Farfus gesteuerte Wagen wurde von einem Konkurrenten gerammt, wobei die Heckpartie schwer beschädigt wurde. Weil ein abstehendes Element abzureißen und die Fahrbahn zu blockieren drohte, musste Farus einen Stopp in der Boxengasse einlegen. Aus der letzten Position an 16. Stelle kämpfte er sich Stück für Stück wieder nach vorne und konnte schließlich den vierten Platz erringen.
„Aus sportlicher Sicht sind wir natürlich etwas enttäuscht, wenn wir von Startplatz zwei als Vierter ins Ziel kommen. Aber die Aufholjagd, die Augusto mit unserem Art Car gezeigt hat, war beeindruckend, atemberaubend und dann letztlich doch noch versöhnlich“, erklärt BMW-Motorsport-Direktor Jens Marquardt. Erleichtert zeigt sich auch Cao Fei: „Ich war vor dem Rennen nervös und aufgeregt – und ich bin es auch danach noch. Augusto hat mich vorher gefragt, ob ich seinen Helm signieren kann. Ich habe das Wort ‚Fast‘ darauf geschrieben. Was er hier erreicht hat, war unglaublich“, sagt die Pekinger Künstlerin.
Die menschliche Komponente ist es auch, die sie in ihrer Arbeit interessiert. Vor zehn Jahren hat sie ihr erstes Virtual-Reality-Projekt Second Life entwickelt. Der Stand der Technik hat sich seither enorm weiterentwickelt. „Für mich als Künstlerin ist es spannend, diese Technik zu beobachten, sie auszuprobieren und zu schauen, wo ihre Grenzen liegen“, erklärt Cao Fei, für die das Virtuelle kein Selbstzweck ist. Was sie interessiert, ist die Frage, wie der Mensch mit der Technik umgeht. Ihr Art Car ist in diesem Sinne keine Beweihräucherung der Maschine, sondern eher ein Filter menschlicher Interaktion – der nebenbei auch noch für adrenalingetriebene Verfolgungsjagden bestens geeignet ist.