Das Parfum
Autos und Busse stauen sich auf dem Weg nach oben. Was es dort zu sehen gibt? Eine pittoreske, an den Hang gebaute Kleinstadt. Das provençalische Grasse ist aber nicht nur eine ville perchée wie sie im Buche steht, hier befindet sich seit dem 19. Jahrhundert auch das Zentrum der französischen Parfumindustrie. Designlines ist auch auf den Berg gefahren und hat sich auf eine Spurensuche in die Welt der Blüten, Parfumfabriken und Düfte begeben.
Drei große Parfumhersteller sind mitten in der Stadt am Berg präsent: Fragonard, Molinard und Galimard. Ströme von Tagestouristen drängen sich durch enge, von Geschäften gesäumte Gassen, und die meisten machen am liebsten Halt bei Fragonard.
Zu Besuch bei Fragonard
Seit 1926 in Grasse ansässig, stellt das Unternehmen längst nicht mehr nur flüssige Düfte her, sondern alles, was mit Duft zu tun hat, meist eingehüllt in zuweilen etwas altmodisch anmutenden, sehr farbenfrohen Verpackungen: Parfums, Seifen, Cremes oder Raumdüfte. Das architektonisch mediterran anmutende Firmengebäude von Fragonard birgt neben mehreren, aufwändig inszenierten Verkaufsräumen und Fabrikationshallen auch ein Museum, das in historischer Kulisse die Geschichte der Parfumherstellung nachvollzieht. Und so kann der Besucher lustwandeln zwischen Vitrinen mit alten Parfumflakons, historischen Werbeschildern, Möbeln und Kostümen der Zeit.
Vom Werden des Parfums
Parfum – ein Gemisch aus Alkohol, destilliertem Wasser und darin gelösten natürlichen oder künstlich hergestellten Essenzen – war bereits in den Hochkulturen von Ägypten, Mesopotamien und Indien bekannt. Über Jahrhunderte wurde der kostbare Duftstoff vor allem in der Medizin verwendet, galt Wohlgeruch gemeinhin doch als Ausdruck eines gesunden Körpers. Er stand für Reinigung, Schutz und materiellen Wohlstand, und man glaubte gar an ihn als Heilmittel gegen Pest, Pocken und Cholera. Die ästhetische Wirkung des Parfums – um die sich heute alles dreht in Werbung und Marketing – gewann erst viel später an Bedeutung und wurde mit der Aufklärung zum Statussymbol. Die Industrialisierung im 19. Jahrhundert bedeutete für die Parfumherstellung eine Revolution, konnten nun rare und kostspielige Inhaltsstoffe synthetisch hergestellt und Parfums für breite Bevölkerungsschichten zugänglich gemacht werden. Nun begann man, Parfum auch als Badesalz, als Wäschesäckchen oder Räucherstäbchen zu verwenden.
Parfum ist nicht gleich Parfum
Zur Herstellung von Parfum benötigt man vor allem verschiedene Duftbausteine. Das können Blüten und Früchte (Jasmin, Rose, Pelargonie, Orange, Bergamotte), Gewürze (Koriander, Nelken, Anis), Rinden und Harze (Wacholder, Myrrhe, Sandelholz), tierische Sekrete (Moschus, Amber) oder aber Blätter, Gräser, Moose und Wurzeln (Citronella, Patschuli, Vetiver) sein. Sie bilden dann die Kopf-, Herz- und Basisnote des Parfums – so werden die verschiedenen Phasen des Duftablaufs in der Fachsprache genannt. Parfum wird in verschiedene Verdünnungsklassen eingeteilt, die je nach Riechstoffanteil variieren. Während ein Eau de Solide (EdS) nur 1 bis 3 Prozent Riechstoffanteil besitzt, Eau de Cologne (EdC) 3 bis 5 Prozent und Eau de Toilette bereits 6 bis 9 Prozent, steigert sich dieser Anteil über Eau de Parfum (EdP) bei 10 bis 14 Prozent bis hin zu Extrait Parfum mit einem Anteil von 15 bis 30 Prozent. Dementsprechend variiert auch der Preis für das Duftwasser. Duftessenzen sind teuer und nur aufwändig herzustellen: So braucht man beispielsweise für ein Kilogramm reinen Rosenöls, das etwa 6000 Euro kostet, fünf Tonnen Blüten.
Wie kommt der Duft in den Flakon?
Wie wird nun aber das wertvolle Blütenextrakt gewonnen, wie kommt das Parfum in die Flasche? Auf diese Fragen richtet sich das Hauptaugenmerk des Parfum-Museums von Fragonard und erklärt anschaulich an Originalobjekten unterschiedliche Arten der Herstellung von Parfum. Bei der sogenannten Enfleurage – die im Museum nachgestellt, aber heute nur noch selten angewandt wird –, werden von einem Holzrahmen gefasste Glasplatten mit Fett bestrichen und anschließend die Blüten sorgfältig darauf ausgelegt. Hat das Fett die Duftstoffe der Blüten aufgesogen, wird das Blütenöl mit Extraktionsmitteln dann vom Fett getrennt. Oder aber die Destillation: Dabei werden die Zutaten zerkleinert, von heißem Dampf durchdrungen und die austretenden ätherischen Öle vom Wasser aufgefangen. Die Parfumstadt Grasse verfügt übrigens über rund 700 Hektar Riechblumenkulturen (Jasmin, Rosen, Lavendel, Orangenblüten), bekommt aufgrund der Kostenexplosion beim aufwändigen Anbau jedoch Konkurrenz aus Indien und Marokko.
Chanel, Yves Sain Laurent, Dior und Co.
Fast ebenso wichtig wie der Duft selbst ist heute auch seine Aufmachung. Im 20. Jahrhundert gelang die Flakon- und Verpackungskunst zu voller Blüte. Im Jugendstil und in den zwanziger Jahren taten sich Kristallhersteller wie Lalique oder Baccarat mit der Gestaltung von kostbaren Glasobjekten für die Aufbewahrung des flüssigen Duftstoffs hervor. Das kam nicht von ungefähr, begannen die großen Modehäuser doch in dieser Zeit, eigene Parfums parallel zu den Kleiderkollektionen zu entwickeln. Paul Poiret war mit den Parfums de Rosine der erste, es folgten Lanvin, Ricci, Rochas, Balmain und Dior. 1926 dann kreierte Ernest Beaux einen veritablen Parfumklassiker: Chanel N° 5. Und das passiert nun wirklich nicht oft: Denn die meisten der Neuerscheinungen werden innerhalb von drei Jahren wieder vom Markt genommen – weil sich niemand die Düfte an Hals, Ohr oder Handgelenk sprühen will.
Links
Grasse
www.grasse.frMusée International de la Parfumerie
www.museesdegrasse.comSociété Française des Parfumeurs
www.parfumeur-createur.comGalimard
www.galimard.comMolinard
www.molinard.com