Stories

Die Intelligenz der Dinge

von Julia Bluth, 02.11.2012


Ein dunkler Raum, nackte Backsteinwände, alte Holzbalken und mittendrin: eine Kathedrale aus Licht. Arcades lautet der Titel der mystisch wirkenden Installation aus vierzehn Lichtsäulen, die kürzlich anlässlich der Interieur Biennale im belgischen Städtchen Kortrijk zu sehen war. Hinter der Illusion gotischer Bögen steckt ein ausgeklügeltes System aus direktem und indirektem Licht, das die Regeln der Physik auf den Kopf zu stellen scheint und zum kontemplativen Staunen einlädt. Willkommen in der Welt von Troika.


Das interdisziplinäre Designkollektiv Troika wurde von Conny Freyer, Eva Rucki und Sebastien Noel 2003 nach ihrem Masterstudium am Royal College of Art in London gegründet. In ihren Installationen spielen sie bevorzugt mit den Widersprüchen  zwischen menschlicher Wahrnehmung und physikalischen Gesetzen. Die leuchtenden Bögen von Arcades beruhen beispielsweise auf einer visuellen Täuschung, die entsteht, wenn Licht durch optische Linsen gebrochen wird. Das Ergebnis wirkt poetisch und dennoch unbegreiflich, verblüfft und verzaubert gleichermaßen. Die beiden Deutschen Conny Freyer und Eva Rucki studierten am Royal College Kommunikationsdesign und arbeiten auch im Bereich der Fotografie und Illustration. Sebastien Noel studierte vor seinem Master in Produktdesign Ingenieurswesen in Paris, ein Umstand, der ohne Zweifel der technischen Seite ihrer Werke zugute kommt. Alle Arbeiten von Troika entstehen in einem gemeinsamen Prozess, in den die verschiedenen Hintergründe der Akteure einfließen.

the past is not out-of-date“

Für das London Festival of Architecture diesen Sommer entwarfen die drei Querdenker eine fünf Meter hohe LED-Skulptur mit dem Titel The Weather Yesterday, die am Londoner Hoxton Square aufgestellt wurde.
The Weather Yesterday verfügt über eine grafische Anzeigenfläche, die die Temperatur sowie alle Wetterlagen von heiter über wolkig bis regnerisch anzeigen kann – jedoch nur die vom Tag vorher. So wird die gesellschaftliche Obsession mit technischen Geräten, Gadgets und Apps ebenso ad absurdum geführt wie die allgemein menschliche und im Besonderen britische Leidenschaft für Gespräche über das Wetter.

Die Skulptur erinnert sichtlich an alte Neonreklamen und Informationstafeln aus den achtziger Jahren, deren Ästhetik jedoch mit digitaler LED-Technologie kombiniert wurde. Fragt man Troika nach der Ursache ihrer Begeisterung für die technischen Objekte vergangener Tage, verweisen sie auf ihre Neugier, den Dingen und der in ihnen schlummernden Intelligenz auf den Grund zu gehen. Eine Begleiterscheinung des digitalen Zeitalters sei das Gefühl, nur das Neueste wäre gut genug. So wird das Neue schnell zu einem Fetisch, der nach kürzester Zeit seinen Status verliert und ausgetauscht werden muss. Ein endloser Kreislauf.

Analog und digital

Da die drei Gründer von Troika in den siebziger Jahren geboren wurden, sind sie Teil der Generation, die mit zwei Systemen sozialisiert und ausgebildet wurde: dem analogen und dem digitalen. Mit ihrer Installation Hard Coded Memory für Swarovskis laufende Ausstellung Digital Crystal im Londoner Design Museum setzen sie sich mit der Beeinflussung der menschlichen Erinnerung durch die Bilderflut digitaler Fotografie auseinander. Tagtäglich werden unzählige Fotos produziert, auf digitalen Speichern abgelegt und auf Plattformen sozialer Netzwerke hochgeladen. Nicht nur wird die eigene Erinnerung durch die Abbildungen geprägt und beeinflusst, das Vergessen der vielen banalen Momente des Lebens wird deutlich schwerer.

Hard Coded Memory ist eine mechanische Installation aus drehenden Scheiben und optischen Linsen, über die Porträtfotos mit geringer Auflösung auf eine Wand des Ausstellungsraums projiziert werden. Eine LED-Lichtquelle wird durch die Drehung der Scheiben an die Linsen herangeführt und wieder entfernt, sodass auf der Wand entsprechend größere und kleinere Lichtpunkte zu sehen sind. Die Menge der Bilder ist bewusst auf drei pro Minute beschränkt und die verschwommen wirkenden Porträts verraten die Zeit ihrer Entstehung vor allem durch die wahrnehmbare Körperhaltung und Pose. Hard Coded Memory zelebriert das Vergessen im digitalen Zeitalter und veranlasst den Betrachter, über die Wandlung seiner Realität und Erfahrung nachzudenken.

Conny Freyer, Eva Rucki und Sebastien Noel bieten mit ihren Arbeiten einen einzigartigen und unprätentiösen Blick auf unsere Zeit und Gesellschaft, der die beliebte Frage nach Design oder Kunst hinfällig werden lässt. Und vielleicht gibt es Troika bald für zu Hause: Im Gespräch sind limitierte Auflagen einiger ihrer Installationen.
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