Domotex 2013: Das nette Extra Design
Bodenbeläge. Bei diesem Stichwort hat wohl bislang kaum einer an zeitgenössisches Design gedacht. Und so lag die Messe Domotex in Hannover bisher auch nicht auf den Reiserouten der Designszene. Doch in diesem Jahr wollte die Messegesellschaft das ändern: Ein ganzes Bündel von designorientierten Formaten soll der Domotex ein neues Image verleihen und neue Zielgruppen erschließen.
Die Concept Rooms der Sonderschau Flooring Deluxe in den Hallen 6 und 9 führten exemplarisch vor, wie die Aufmerksamkeit der Designwelt zu erringen ist. Zuerst einmal signalisiert man Glaubwürdigkeit und Qualität, indem man einen namhaften Gestalter für sich gewinnt, in diesem Fall Stefan Diez, der die Sonderschau für die Messegesellschaft konzipierte. Diez wiederum lud eine Reihe von Designern und Künstlern ein – eine austarierte Mischung aus Münchner Freunden, deutschen und internationalen Kollegen. Wichtig auch die Aufgabenstellung: Die Gestalter sollten in Zusammenarbeit mit etablierten Unternehmen aus dem High-End-Bereich Inszenierungen und im besten Fall sogar Ideen für neue Produkte entwickeln. Solche experimentellen Paarungen auf Zeit sind in den vergangenen Jahren zu einem bewährten Spielplatz in der Designwelt geworden: Die Designer können Materialien und Fertigungsmethoden ausprobieren, die Unternehmen bekommen im Gegenzug neue Impulse.
Laminat jetzt auch massiv
Und zumindest einige der Experimente sind geglückt. Beispielsweise die Zusammenarbeit von Steffen Kehrle mit dem Teppichbodenhersteller Dura, die Stefan Diez selbst als das „beste Projekt“ bezeichnete. Kehrle durfte in der Fabrik mit selbstgebauten Werkzeugen die Produktion eines Tages einfärben. Das Ergebnis sind kräftige Farbverläufe und an Action Painting erinnernde Muster. Dura war begeistert und möchte das Konzept mit Kehrle weiterentwickeln. Damit ist dieses Projekt exemplarisch für alle gelungenen Kooperationen: Wenn die Firmen sich offen zeigten und die Gestalter sich mit den Möglichkeiten des Materials auseinandersetzten, konnte etwas Überraschendes, Neues entstehen. Beim Rundgang durch die in Schwarz-Weiß gehaltene Sonderschau fielen auch die gemusterten Teppiche von Normal Studio und Vorwerk auf. Wie bei Intarsien hatten die Pariser Designer Stücke ausschneiden und durch andere, in Material und Farbe abweichende ersetzen lassen. Vorwerk hat ebenfalls bereits Interesse an einer Weiterentwicklung signalisiert.
Pech hatte der Schweizer Designer Jörg Boner. „Ihm sind hintereinander zwei Partnerfirmen abgesprungen“, erzählte Stefan Diez. „Am Ende hatte er nur noch drei Wochen Zeit.“ Aber Boner ist Profi und hat mit seiner Installation The Wolf and the Machine auf die Schnelle zwar kein neues Produktkonzept, aber immerhin eine atmosphärische Installation auf die Beine gestellt. Einen schwierigen Partner hatte auch Tomás Alonso aus London mit dem Laminathersteller Classen: „Es gab gar keine Unterstützung. Ich habe alles alleine gemacht“. Mit einem kleinen, selbstentwickelten Passstück aus Gummi fügte er zwei schmalbrüstige Laminatplatten zu einem vermeintlich massiven Brett und baute aus dem neuen Werkstoff eine ironische Installation zum Thema Massivholz: einen Hochsitz und eine Gruppe rustikaler Sitzgelegenheiten.
Auf dem Teppich
Ein weiteres designorientiertes Format war die Inszenierung einer zeitgenössischen Wohnwelt unter dem Titel Meet/Design. Die von Tempo Berlin entwickelte Sonderschau zeigte in Halle 4, was kommt, wenn die Bodenbeläge einmal verlegt sind, und erweiterte so die Perspektive der Domotex. Dabei steuerte Meet/Design die Preisnische zwischen Möbeldiscountern und den exklusiven, hochpreisigen Möbelherstellern an. Auf 500 Quadratmetern konnten die Besucher ein urbanes Apartment besichtigen, das durch Splitlevel gegliedert war. In Wohn-, Esszimmer, Küche, Homeoffice und auf der Terrasse waren überwiegend Produkte skandinavischer Hersteller zu sehen, die durch ihr ambitioniertes und mutiges, aber trotzdem schlichtes Design überzeugten. Aus Deutschland dabei: die zeitgleich auf der imm cologne 2013 präsentierte Concept Kitchen des Designers Kilian Schindler für Naber.
Perser, zeitgenössisch
Lohnenswert war auch ein Stopp bei den Herstellern hochwertiger handgefertigter Teppiche mit zeitgenössischen Designs. In Halle 17 gruppierten sich die Stände von Unternehmen wie Rug Star, Jan Kath, Hossein Rezvani, Gebrüder Vartian oder Reuber Henning um eine Souk Deluxe genannte Sonderschau. Mit einem Laufsteg ging es über unterschiedlich hohe Podeste, die als Auslagetische – ähnlich wie auf Basaren – dienten. Die 26 präsentierten Exemplare erzählten vom geschichtsträchtigen Handwerk des Teppichknüpfens, das in seinen Ursprungsländern wie Nepal, Tibet, Indien oder Marokko über Generationen hinweg ganz landeseigene, sogar regionaltypische Handschriften entwickelte. Und sie zeigten, wie ambitionierte europäische Unternehmen die traditionellen Formen, Ornamente und Techniken in die Gegenwart holen. Der klassische rot-blaue Perserteppich unter dem Esstisch mag für viele jüngere Leute passé sein, in Halle 17 allerdings gab es jede Menge zeitgemäßen, gut gestalteten Ersatz.
Drangsalierte Tradition
Der Fokus der Domotex 2013 auf gestalterische Akzente spiegelte sich auch in den in zehn Kategorien verliehenen Carpet Design Awards für hochwertige handgefertigte Teppiche wider. Jan Kath beispielsweise gewann mit seiner Erased Heritage Collection die Kategorie Beste Kollektion Traditionell und stand damit für einen weiteren Trend in dem Segment: der Used oder Vintage Look. Der Name der Gewinnerserie beschreibt treffend das Entwurfskonzept: Kath verwendet traditionelle Ornamente von klassischen ägyptischen, iranischen oder türkischen Orientteppichen, verfremdet das Altbekannte aber durch scheinbare Abnutzung. Die Spuren der Zeit entstehen allerdings bereits in der Manufaktur, wenn die Arbeiter den Teppichen mit Bunsenbrennern, Säure und Wasser zu Leibe rücken. Dass der Used Look nach der Mode nun auch im Teppichdesign angekommen ist, ließ sich bei vielen Herstellern überprüfen.
Messe für die Masse
Auch wenn den Designern von Flooring Deluxe schöne Installationen gelungen sind und die handgeknüpften Seidenteppiche aus den Manufakturen verzauberten: Die Domotex bleibt eine Messe für den Massenmarkt. Laminat, Bambus und Auslegeware werden nach Millionen Quadratmetern pro Jahr und Hersteller berechnet, und manches Unternehmen freut sich über eine Kooperation mit einer großen Baumarktkette. Design ist da nicht mehr als ein nettes Extra, nicht mehr als der edle Perser auf dem Laminatfußboden.
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