Eine Frage der Perspektive
Viel kritisiert und unterschätzt, und dennoch neugierig beobachtet: Die Vereinigten Arabischen Emirate sind ein Ort sowohl der baulichen Superlative als auch der gesellschaftlichen Gegensätze. Umgeben von religiösem Fanatismus und politischer Instabilität bemüht sich der Wüstenstaat, eine weltoffene Gesellschaft mit islamischem Hintergrund aufzubauen und sich zu einem Zentrum für Tourismus und Kultur im Mittleren Osten zu entwickeln. Die Art Dubai hat sich in den vergangenen sechs Jahren schon als wichtigste Kunstmesse – und politischer Seismograph – der arabischen Welt etabliert. Nun fanden zum ersten Mal die Design Days Dubai statt und auch sie schafften es, allen Vorbehalten und Bauzäunen zum Trotz, positiv zu überraschen.
Aus der arabischen Welt ist er kaum wegzudenken: Ursprünglich als Seil für Kamele benutzt, bewährt er sich bis heute als Halterung für die traditionellen Kopfbedeckungen arabischer Männer – gemeint ist der kronenartige Ring zur Befestigung des Kopftuchs. Nun hat der emiratische Designer Khalid Shafar den schwarzen, zu einem Reifen geformten Strick für sich entdeckt – doch nicht als althergebrachtes Modeaccessoire, sondern als dekoratives Gestaltungselement für seine Möbeledition Arabi. Sie besteht aus einem Raumteiler und einem Lüster, die aus diversen „Reifen“ angefertigt sind und mit Kupfer- oder Messingdrähten zusammengehalten werden.
Arabi ist Teil des von der Galerie Carwan initiierten Projektes „Contemporary Perspectives in Middle Eastern Crafts“. Die Pop-Up-Galerie aus Beirut hatte neben Khalid Shafar acht internationale Designstudios eingeladen, sich mit traditionellen Herstellungstechniken aus dem Mittleren Osten auseinanderzusetzen und gemeinsam mit lokalen Handwerkern limitierte Designeditionen zu gestalten. Die Resultate – eine Mischung aus originellen arabisch angehauchten Objekten – wurden während der ersten Ausgabe der Design Days Dubai präsentiert, die vom 18. bis 21. März 2012 unweit des Burj Khalifa in Downtown Dubai stattfand.
Kultur und Tourismus
Die viertägige Schau ist die erste Messe im Mittleren Osten und Südasien, die sich limitierten Designeditionen widmet und wie auch die Design Miami und ihr Schweizer Ableger Design Miami/ Basel parallel zu einer Kunstmesse, der Art Dubai, stattfindet. Bei Bekanntgabe der Veranstaltung waren die Blicke mehr als skeptisch: Warum eine weitere Designmesse? Zudem in den Vereinigten Arabischen Emiraten? Wo es zu so vielen Baustopps gekommen ist, unter anderem des neuen Kulturdistrikts in Abu Dhabi? Haben sich Frank Gehrys Guggenheim und Jean Nouvels Louvre nicht schon als Luftblasen erwiesen?
Es sind Vorbehalte, die aus dem Westen kommen und in keiner Weise von der arabischen Welt geteilt werden. Schließlich müssen sich die Emirate für die Zeit nach dem Öl rüsten und sind, trotz Bauverzögerungen, auf dem besten Weg, sich zum Zentrum für Tourismus und Kultur zu entwickeln – nicht notwendigerweise für den Westen, aber für die arabische Welt. Denn diese möchte einerseits den westlichen Luxus genießen und andererseits nicht auf muslimische Regeln verzichten. Und wo geht das besser als an einem Ort, der vom Arabischen Frühling größtenteils verschont geblieben ist?
Kunst und Design
Gerade auf der Art Dubai wird es deutlich: Auf der wichtigsten Kunstmesse der Region – die sich allen Vorbehalten zum Trotz zu einem politischen Seismographen der arabischen Welt zu etablieren scheint – spielt der Westen keine tragende Rolle mehr. Denn es gibt einen großen arabischsprachigen Markt, den die Galerien hier erreichen wollen. Was ist also naheliegender, als parallel zu dem erfolgreichen Event eine eigene Designmesse ins Leben zu rufen? Und an die Spitze den Franzosen Cyril Zammit zu setzen, der zuvor schon maßgeblich an der Entwicklung der Design Miami und Design Miami/ Basel beteiligt war?
Ihm ist es auch zu verdanken, dass die Veranstaltung in weniger als einem Jahr auf die Beine gestellt werden konnte – und das mit 22 Galerien aus der ganzen Welt. Zum Vergleich: Auf der Design Miami 2011 waren es 23. Und das mit einem Rahmenprogramm, das nichts mit den üblichen Performances und Design Talks gemein hatte. Vielmehr stand das starke Bemühen um Kulturvermittlung der Ölstaaten im Fokus: So gab es unter anderem mehrstündige Workshops, die einen Einblick in traditionelle Handwerkstechniken boten, oder Vorträge über Kriterien für ein erfolgreiches Investieren in Designobjekte. Auch bei der Wahl der Galerien hoben sich die Design Days Dubai ein wenig von ihren Pionieren ab: Hier standen weniger die europäischen Klassiker wie Prouvé, Perriand oder Wegner im Vordergrund. Vielmehr wurde zeitgenössisches Design gezeigt – und das auch nicht nur aus Europa, sondern ebenso aus Asien, Südafrika und dem Mittleren Osten.
Vorbehalte und Zukunft
Alles in allem war die Messe eine lebendige Mischung, ähnlich bunt wie die Emirate selbst, deren Einwohner zu über 90 Prozent Einwanderer sind. Hier herrscht ein Zukunftsoptimismus, der essenziell ist für die Zukunft des Ölstaates und dem auch verschobene Bauarbeiten nichts anzuhaben scheinen. Dennoch wird er im Westen gerne als Übermut verkannt. Vielleicht ist es langsam an der Zeit, die Perspektive zu wechseln.
Buchtipp
Caroline Klein:
Superlative Emirates: The new Dimension of Urban Design
Köln 2011, Daab Media
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