Grandezza in den Alpen
Persönlicher Butler? Goldene Wasserhähne im Marmorbad? Champagner und Kaviar zum Apéro? Ausblicke auf Seen und Berge, die spektakulärer und schöner nicht sein könnten, inklusive? Skifahren auf Design-Brettern und abends dem Luxus in riesigen Räumen mit edlen Wandbespannungen, goldenen Putti, aufwändigen Parkettböden mit Kristalllüstern und dezenter Pianomusik frönen? Zugegeben, man braucht ein etwas größeres Portemonnaie, wenn man hier einkehren möchte. Dafür bekommt man aber auch einiges geboten. Nicht zuletzt die Atmosphäre der Belle-Epoque. Wovon die Rede ist? Von den Schweizer Grand Hotels. Dort wohnt man nicht einfach, man residiert in üppiger Pracht.
Falsche Châlets, Pelzmäntel und die Jeunesse dorée
Zahlreich liegen sie über das ganze Alpenland verstreut, meist in privilegierter landschaftlicher Lage. Wer dachte, dieser Luxus sei längst passé, der irrt. Aus dem Stadt- und Dorfbild in Luzern, Davos, Zermatt, Interlaken, Pontresina, Arosa oder Gstaad sind sie nicht wegzudenken. Als architektonische Großbauwerke – mit ihren bombastischen Ausschmückungen nicht gerade Vorreiter der modernen Architektur, jedoch pionierhaft, was ihre technische Ausstattung betraf – prägen sie auch heute noch den Charakter eines Ortes. Gestört wird dieser zuweilen erhabene Anblick nur durch gesichtslose Massenbauten aus den 1970er Jahren oder falsche Heidi-Alphütten-Romantik. Die Schweizer Tradition des Tourismus geht zurück bis in das Jahr 1834, noch heute ist er die drittgrößte Exportbranche des Landes. Zu verdanken haben wir die Hotelpaläste, die nirgendwo sonst in Europa in so geballter Dichte auftreten, den ersten Reisenden: Meist waren es Engländer auf der Grand Tour. Exklusives von zuhause gewohnt, wollten sie auch auf dem Kontinent nicht auf Annehmlichkeiten verzichten. Deshalb findet man in den traditionsreichen Tourismuszentren der Eidgenossenschaft viele grandiose Hotelbauten, die aus dem 19. Jahrhundert datieren. Wiederentdeckt, meist aufwändig restauriert und den Zeichen der Zeit folgend, werden sie vermehrt um Neubauten renommierter zeitgenössischer Architekten ergänzt und auch Innen auf Vordermann gebracht. Besonders zur Skisaison kann der gemeine Skifahrer der Haute-Volée, die Schau läuft im Pelzmantel mit Hermès-Täschchen und Designer-Sonnenbrillen nicht entgehen. Manch einer mag es bedauerlich finden, aber dies sind die Kunden der Grand Hotels.
Auf dem Weg in die Alpen ein Stopp am Vierwaldstädtersee
Wer nicht direkt mit dem Helikopter einfliegt, sondern stilgerecht mit dem Rolls-Royce oder Maybach auf dem Weg in die Berge ist, der wird vielleicht einen kurzen Stopp in Luzern einlegen. Die pittoreske Stadt besitzt viele Luxushotels. Da ist „The Hotel“ von Jean Nouvel, die Erweiterung des Hotels Astoria von Herzog de Meuron und die zahlreichen Jahrhundertwende-Hotelpaläste, die sich an der Uferlinie des Vierwaldstädtersees wie Perlen aneinanderreihen. Dort steht auch das Grand Hotel National. Gegründet wurde es 1870 von César Ritz. Ja genau, der Herr Ritz, der durch die Ritz-Hotels in London und Paris berühmt wurde. Goldverzierte Wände, handgewebte englische Stockwell-Teppiche und feinste Stoffe erwarten den Besucher. Dass auch die modernste Computertechnik vor den altehrwürdigen Hallen nicht Halt macht, ist selbstverständlich. Nur allein mit Telefonapparaten auf jedem Zimmer, wie noch 1929, ist der anspruchsvolle und verwöhnte Gast von heute nicht mehr zufrieden zu stellen.
New York in Davos
Moderne Architektur in den Alpen macht von sich reden, sei es Peter Zumthors Therme Vals, Zaha Hadids Innsbrucker Hungerburgbahn oder Bauten für die Hotellerie wie Sir Norman Fosters Anbau des Dolder Grand Hotels in Zürich oder Mario Bottas Spa für das Tschuggen Grand Hotel in Arosa. Und dann ist da noch das Projekt Schatzalp-Turm. Bereits Thomas Mann beschrieb im „Zauberberg“ das im Jahr 1900 im Belle-Epoque-Stil erbaute Luxus-Sanatorium oberhalb von Davos. Nach der Erfindung von Medikamenten, die die Tuberkulose heilen konnten, wurde das Sanatorium in ein Berghotel umgebaut. Noch bis vor kurzem atmete es die Atmosphäre der Jahrhundertwende, gerade weil das Interieur nicht dem Stand der Moderne entsprach, sprich ein wenig altmodisch anmutete. Aber damit und natürlich auch mit den gemäßigten Übernachtungspreisen soll nun Schluss sein – dieses Hotelkonzept erwies sich als (finanziell) nicht länger tragbar. Deshalb nun Herzog de Meuron, wieder einmal, ist man fast geneigt zu sagen. Das Basler Architekturbüro gibt sich nicht damit zufrieden das Hotel um einen simplen Anbau zu erweitern – nein, ein wenig New York in Davos darf es schon sein. Und so wird auf 1800 m Höhe sehr wahrscheinlich ein Hochhaus entstehen. Allerdings mit einem Vorteil: Der Turm spart wertvolle Bodenfläche und ermöglicht kurze Erschließungswege – Le Corbusier lässt grüßen.
Wo bereits Lenin Ski fuhr
Auch das Engadin im Schweizer Kanton Graubünden ist reich an historischen Schätzen der Hotelkultur. Da ist Sils-Maria mit dem monumentalen, 1905 eröffneten Hotel Waldhaus, in dem schon Hermann Hesse, Friedrich Dürrenmatt und Albert Einstein übernachteten und Pontresina mit seinem 1848 entstandenen Grand Hotel Kronenhof. Stuckaturen in Pastell und Blau zieren den Salon Bleu und im Cheminéeraum lässt sich in zwei Lounge Chairs von Charles und Ray Eames der Blick auf das Kaminfeuer genießen. Der Inbegriff des mondänen Skisportortes jedoch – auch wenn von winterlicher Idylle nicht mehr wirklich die Rede sein kann – ist St. Moritz. Da wird auf dem zugefrorenen See Polo gespielt, der Maserati geparkt und die neueste Hunde-Züchtung spazieren geführt. Alfred Hitchcock verbrachte hier gar seine Flitterwochen. Neben dem Kulm Hotel und Badrutt’s Palace ist das Hotel Suvretta House eines der Fünf-Sterne-Hotelpaläste des Ortes, erbaut wurde es im Jahr 1912 vom Architekten Karl Koller. Man wähnt sich in einem Schloss – so groß ist das Haus.
Grand Hotels waren seit jeher und sind auch heute noch ein Raum des Theaters, der Inszenierung, in der das Sehen und Gesehen werden einfach und gewinnverheißend ist – nicht zuletzt durch die meist pompöse Ausgestaltung der Lobbies, Salons, Esssäle und Hotelzimmer. Ach so: Oben bei den Millionären am Suvretta-Hügel in St. Moritz steht auch noch das Drei-Sterne-Hotel Randolins. Ein Doppelzimmer kostet 71 Euro pro Nacht.
Ausstellungstipp
Arosa – Die Moderne in den Bergen
24.01.2008 – 21.02.2008
Mo – Fr 8-21, Sa 8 – 16, So und Feiertage geschlossen
Haupthalle, Zentrum, ETH Zürich
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