Hoffnung (an)bauen
Können Architekten die Welt verbessern? Diese Frage stellt der Zumtobel Group Award, ein von einer internationalen Jury aus Architekten, Designern und Wissenschaftlern an nachhaltige und humanitäre Projekte verliehener Preis. Gewonnen haben dieses Jahr die Architekten von Mass Design aus Boston und das Atelier d´architecture autogérée aus Paris mit zwei ganz unterschiedlichen Initiativen, die Mut machen.
Vor rund vier Jahren rief das österreichische Unternehmen Zumtobel mit kuratorischer Unterstützung des Architekturforums Aedes in Berlin seinen eigenen Architekturwettbewerb ins Leben. Dank ihrer langjährigen Entwicklungsarbeit im Bereich innovativer Leuchtmittel ist den Unternehmern aus Dornbirn bewusst, wie viel Potenzial in visionären Architektur- und Stadtplanungslösungen liegt. Mit dem Zumtobel Group Award möchten sie einen Beitrag zur Verringerung des globalen Energieverbrauchs und zur Steigerung der Lebensqualität leisten – Nachahmung erwünscht!
In der diesjährigen Jury saßen unter anderem die Architekten Winy Maas aus Rotterdam, Sejima Kazuyo aus Tokio, Yung Ho Chang aus Peking sowie Stefan Behnisch aus Stuttgart. Unter den insgesamt 230 Bewerbern fiel ihre Wahl in der Kategorie „Gebaute Umwelt“ auf das Krankenhaus Butaro Hospital in Ruanda und in der Kategorie „Forschung und Initiative“ auf das Pilotprojekt R-Urban in der Pariser Vorstadt.
Architektur als Gesundheitsfürsorge
Michael Murphy und Alan Ricks studierten Architektur in Harvard, als sie beschlossen, ihre Nonprofit-Organisation Mass Design Group zu gründen. Ihr Anliegen ist es, dort aktiv zu werden, wo Architektur kaum eine Rolle spielt. Ziel ihrer Arbeit ist, vor allem für unterversorgte Bevölkerungen in ressourcenarmen Regionen ein menschenwürdiges Lebensumfeld zu schaffen. Ihren Wettbewerbsbeitrag, das Butaro Hospital, errichteten sie in enger Zusammenarbeit mit der US-amerikanischen Hilfsorganisation Partners in Health im Norden Ruandas. Ruanda zählt zu den ärmsten Ländern Afrikas, und in ländlichen Gebieten wie dem Burera District gehört die lebensbedrohliche Infektionskrankheit Tuberkulose noch immer zum Alltag.
Das Besondere an dem Bauvorhaben war die intensive Einbeziehung lokaler Arbeitskräfte. Deshalb kostete der Bau gerade einmal zwei Drittel der normalerweise zu erwartenden Kosten. Die Bauzeit fiel um ein Drittel kürzer aus als üblich. Dabei wurden zahlreiche temporäre Arbeitsplätze geschaffen, rund 500.000 Dollar flossen in das örtliche Gemeinwesen. Nur aufgrund der aktiven Hilfe der Einheimischen war es den Architekten möglich, innovative Technologie und eine gute Gesundheitsversorgung in die unterentwickelte Agrarregion zu bringen. Die Jury überzeugte das Projekt vor allem, da sie es als exemplarisches Vorbild für Folgeprojekte in ähnlich strukturierten Regionen betrachtete. Wie ein von Weitem sichtbares Symbol der Hoffnung thront das weiße Krankenhaus nun auf einem der „tausend Hügel“ Ruandas.
Selbstbestimmte Stadt
Der zweite Gewinner, das Atelier d´architecture autogérée (aaa) – auf Deutsch „Büro für selbstbestimmte Architektur“ – ist eine kollektive Plattform, die sich mit sozialen und politischen Veränderungen der modernen europäischen Stadt auseinandersetzt. R-Urban nennen sie ihr kollektives Pilotprojekt im nordwestlichen Pariser Vorort Colombes, mit dem sie das Lebensumfeld der 80.000 Einwohner in den kommenden Jahren renaturieren und optimieren wollen. Erklärtes Ziel ist, dass die Bürger von Colombes „produzieren, was sie konsumieren und konsumieren, was sie produzieren“ ( André Gorz) – im materiellen ebenso wie im ideellen Sinn.
Um alle einbinden zu können, werden kurze Kreisläufe und lokale Netzwerke geschaffen, die sich rund um drei Einheiten entwickeln sollen: AgroCité, RecyLab und EcoHab. AgroCité ist eine experimentelle Mikrofarm aus kollektiven Gärten mit pädagogischer Vermittlung zu den Themen alternative Energieproduktion, Kompostierung und Regenwassernutzung. Das RecyLab ist eine Einheit zur Wiederverwertung lokaler Abfälle sowie zur Umwandlung geeigneter Materialien in ökologische Bauelemente. EcoHab besteht aus drei experimentellen Wohneinheiten, mit deren Hilfe die Möglichkeiten des ökologischen Lebens erfahrbar werden.
Die Jury des Zumtobel Group Award begeisterte sich für das Ausmaß der Veränderung, das R-Urban mit kleinen, kollektiven Eingriffen möglich macht. Das Pilotprojekt zeige auf anschauliche Weise, wie mit wenig Mitteln soziale und ökologische Probleme bekämpft und die urbane Lebensqualität enorm gesteigert werden könne.
Der Zumtobel Group Award wird am16. November in Berlin verliehen.
Links