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horgenglarus und die „Neue Einfachheit“

Schweizer Wertarbeit zum Sitzen: eine Ausstellung über horgenglarus in Berlin.

von Jörg Zimmermann, 28.08.2013

Ob in der Züricher Atelier Bar, auf dem Weisshorn in Arosa oder gar im Bundeshaus in Bern – die Stühle von horgenglarus finden sich allerorten in der Schweiz. Und die Behauptung, jeder Eidgenosse habe schon einmal auf einem solchen gesessen, darf schlicht als Tatsache gelten. Seit mehr als 130 Jahren fertigt das Unternehmen Möbel in handwerklicher Manier. Nachhaltige Materialien, klare Gestaltung und solide Verarbeitung ist allen Stühlen von horgenglarus gemeinsam. Viele der Entwürfe gehen auf bekannte Gestalter und Architekten zurück, welche die hohe Qualität in der Fertigung und die Langlebigkeit der Möbel besonders schätzen. Eine Ausstellung in Berlin bietet ab übermorgen die Gelegenheit, einige der Modelle probezusitzen.

Handwerkliche Fertigung
Gegründet wurde die Möbelfabrikation 1880 von Emil Baumann in Horgen am Zürichsee, 1902 entstand die zweite Produktionsstätte in Glarus. Die beiden ursprünglichen Fertigungsorte geben dem Unternehmen bis heute den Namen. Auch wenn in die Fertigung mittlerweile einige CNC-Fräsen Einzug gehalten haben, in Glarus wird weiterhin nach alter Tradition produziert. Das Holz stammt vornehmlich aus nachhaltiger Wirtschaft im Berner Jura und wird in Bugholztechnik verarbeitet. In den Dampföfen lässt 90 Grad heißer Dampf das Holz geschmeidig werden, nach zwei Stunden wird es schließlich in Form gebogen und über mehrere Tage langsam getrocknet. Rund 50 Produktionsschritte sind notwendig, bis ein Stuhl im typischen Schwarz bereit steht. Im Jahr entstehen auf die Weise etwa 20.000 Stühle, gut 90 Stück pro Tag. Nicht immer höhere Stückzahlen hat Marco Wenger, seit 2012 Geschäftsführer, für die Unternehmensentwicklung im Sinn, sondern vor allem die Garantie auf Beständigkeit und Qualität. „Unsere Produkte sollen eben länger halten als eine Generation.“


Zeitgemäße Interpretationen
Dieser Ansatz wird auch beim Blick auf die Produktpalette deutlich. Das Modell Classic, ein Werksentwurf von 1918, wird in seiner schnörkellosen Anmutung seitdem unverändert hergestellt. Schon Le Corbusier gefiel die Einfachheit der Formen. Zur Internationalen Kunstgewerbeausstellung 1925 in Paris präsentierte er die Produkte von horgenglarus in seinem Pavillon des l’Esprit Nouveau als Beispiele einer zukunftsweisenden Wohnkultur. Fortan arbeitete das Unternehmen eng mit Architekten und Designern zusammen. Max Ernst Haefli und Werner Max Moser lieferten in den 1920ern und 1930ern Entwürfe, später kooperierten Max Bill und Hans Bellmann. Viele der Stuhlmodelle sind als Ableitung aus dem Classic zu verstehen. Zuletzt schuf der früh verstorbene Hannes Wettstein mit Icon eine zeitgemäße Interpretation. Bekannte Architekten wie Max Dudler und Herzog & de Meuron verwenden Stühle von horgenglarus bei ihren Projekten. Dudler beispielsweise ließ 2012 einen eigenen Entwurf für die Bankzentrale der UBS in Zürich fertigen.

Ausstellung in der Werkbund Galerie
Dieses Sondermodell ist mit weiteren Stühlen aus der aktuellen Produktion in einer Ausstellung in der Berliner Werkbund-Galerie zu sehen. Neben Stühlen von Dudler, Moser, Haefli und Wettstein belegen zahlreiche Fotoaufnahmen den aufwendigen Herstellungsprozess. Die Ausstellung passt in die Pläne von Marco Wenger, zukünftig vermehrt auch den deutschen Markt mit Stühlen in schweizerischer Qualität zu versorgen. Bei Architekten und Ausstattern könnte horgenglarus mit seinen klassischen Modellen schnell Zuspruch finden, denn die alte Idee der „Neuen Einfachheit“ hat im 21. Jahrhundert nichts an Anziehungskraft verloren.

Werkbund-Galerie Berlin
horgenglarus – Stühle von Wettstein, Moser, Haefeli, Dudler
30. August bis 15. Oktober 2013

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horgenglarus

Werkbund Berlin

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