Hundert Jahre Nachhaltigkeit
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Was wir auch tun, meistens tun wir es im Sitzen: arbeiten, essen, fernsehen... Umso wichtiger ist es, wie wir sitzen. Denn das Sitzen bestimmt unsere Haltung. Der Büro- und Objektmöbelhersteller Wilkhahn arbeitet seit seiner Gründung im Jahr 1907 an der Optimierung des Sitzens. Mit einer Sonderausstellung blickt das Unternehmen jetzt auf 100 Jahre Firmengeschichte zurück. Diese ist gleichzeitig eine kleine Retrospektive des deutschen Möbeldesigns im 20. Jahrhundert, das maßgeblich vom Deutschen Werkbund und der Ulmer Hochschule für Gestaltung (HfG) geprägt war. Deren Maxime gilt bei Wilkhahn noch heute: „Ziel ist es, dauerhafte Güter zu produzieren, die Gebrauchsfähigkeit zu erhöhen und die Verschwendung zu reduzieren.“
Dreißig Kilometer südwestlich von Hannover erstreckt sich das Deister-Süntel-Tal. Schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts galt die waldreiche Gegend als Zentrum der Stuhlherstellung in Deutschland. Als die beiden verschwägerten Tischlermeister Christian Wilkening und Friedrich Hahne 1907 im „Stuhldorf“ Eimbeckhausen bei Bad Münder eine Möbeltischlerei gründeten, konnte niemand ahnen, dass daraus ein Unternehmen mit Weltgeltung entstehen würde. Als im Jahr 1920 Gründersohn Adolf Wilkening in das Unternehmen eintrat, begann der Wandel vom reinen Handwerks- zum elektrischen Produktionsbetrieb, beispielsweise durch die Automatisierung der bis dahin dampfgetriebenen Holzbearbeitungsmaschinen. Wilkhahn florierte und beschäftigte vor dem Zweiten Weltkrieg fast 40 Mitarbeiter, bevor die Produktion kriegsbedingt stillgelegt werden musste.
Nach Ende des zweiten Weltkrieges übernahmen die Gründersöhne Adolf Wilkening und Fritz Hahne den Tischlereibetrieb. Sie suchten nach neuen gestalterischen Wegen und knüpften Kontakte zu Walter Heyn, dem Leiter der Deutschen Werkstätten, sowie Georg Leowald und Herbert Hirche, Gestaltern also, die aus der Tradition des Bauhauses und des Deutschen Werkbunds heraus arbeiten. Die Nähe zur Ulmer Hochschule für Gestaltung mit ihrem ganzheitlichen Gestaltungsansatz, legte schließlich die Grundlagen für die weitere Unternehmensentwicklung. Als Pionierunternehmen des deutschen Industriedesign, experimentierte Wilkhahn mit neuen Werkstoffen und fand zu einer eigenen Formensprache: puristische Möbel, deren Form streng aus der Funktion entwickelt wird. Die „Jungen Wilden des Industriedesign“ der Ulmer HfG setzten dem Konsumwahn und der formalen Beliebigkeit die „Moral der Dinge“ entgegen und betonten die gesellschaftliche Verantwortung des Designers. Die Schaukelplastik von Walter Papst, der Reih- und Stapelstuhl 224 von Georg Leowald oder das Banksystem von Friso Kramer bleiben lebendige Zeugen des Aufbruchs in eine neue Zeit.
In den 1980er Jahren entwickelten Klaus Franck und Werner Sauer nach intensiven ergonomischen Studien gemeinsam einen völlig neuen Büro-Drehstuhl. Mit ihrer FS-Linie setzten sie das Prinzip des Bewegungssitzens konsequent um. Statt der hochgerüsteten „Sitzmaschinen“ mit Hebeln, Rädern und Einstellknöpfen gab es nun einen Stuhl, der sich ohne aufwändige Voreinstellungen flexibel der Körperhaltung anpasste und zur Bewegung animierte. Stühle dieser Serie wurden bislang weltweit über 2 Millionen Mal verkauft. Die Jahrtausendwende bedeutet schließlich auch für Wilkhahn einen Wechsel: Am 1.1.2000 übernimmt Dr. Jochen Hahne die Geschäftsleitung. Wiederum einen Entwicklungssprung stellt die im Jahr 2005 eingeführte Programmfamilie Aline von Andreas Störiko dar. Hier verbinden sich minimierter Materialeinsatz, maximale Transparenz und Funktionalität zu einem luftig-leichten Erscheinungsbild.
Ganzheitlichkeit und Ökologie
Produktgestaltung, grafisches Erscheinungsbild und Unternehmensorganisation werden bei Wilkhahn im Sinne der Ulmer Tradition als Einheit begriffen, die in allen Bereichen sichtbar werden soll. So führte Fritz Hahne bereits Mitte er 50er Jahre als eines der ersten deutschen Unternehmen die betriebliche Altersvorsorge ein. Ziel war es, ein partnerschaftliches, verantwortungsvolles Miteinander. „Keine Anordnung ohne Begründung“ lautete die Devise. Als stille Gesellschafter hält die Belegschaft heute knapp 3,5 Millionen Euro des Firmenkapitals. Auch die Ökologische Verantwortung wurde seit den 80er Jahren zum festen Bestandteil der Unternehmenskultur. Die 1993 fertig gestellten Produktionshallen von Thomas Herzog wurden in der Fachwelt immer wieder als Beispiel für ästhetisches und gleichzeitig umweltverträgliches Bauen herangezogen.
Dem Geist der Ulmer HfG ist Wilkhahn über die Jahrzehnte treu geblieben. Langlebigkeit, Nachhaltigkeit, Fairness in der Zusammenarbeit und ökologische Verantwortung: Was klingt wie die Utopie von ein paar realitätsscheuen Gutmenschen, kann durchaus auch in Zeiten der Globalisierung mit wirtschaftlichem Erfolg einhergehen, wie der Jahresumsatz von 76,7 Millionen Euro (im Jahr 2006) belegt.
„100 years +“
Die Sonderausstellung „100 Jahre Wilkhahn“ zeigt bis zum 30. November 2007 am Hauptsitz des Unternehmens in Bad Münder eine Werkschau aus der Geschichte des Unternehmens. Im ehemaligen Kesselhaus, das der Möbelgestalter und Architekt Georg Leowald entworfen hat, begegnet man Klassikern wie dem Drehstuhl FS des Duos Klaus Franck und Werner Sauer, dem Banksystem 1200 von Friso Kramer, dem legendären Stitz 2 von Hans Roericht, aber auch spielerischen Werken wie der berühmten knallroten Schaukelplastik von Walter Papst oder seinem eigenwilligen Strandkorb. Ein Rundgang über das Gelände und durch die Werkshallen von Frei Otto und Thomas Herzog im Anschluss ist ebenfalls empfehlenswert.
Anmeldungen zur Ausstellungsbesichtigune bitte an [email protected]
Wilkhahn
Fritz-Hahne-Straße 8
31848 Bad Münder
Links
Wilkhahn
www.wilkhahn.deMehr Stories
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