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Im Büro der Zukunft

von Norman Kietzmann, 29.09.2006

Die Gestaltung von Büroräumen steht vor einem grundlegenden Wandel. Zu schwerfällig und unflexibel sind die traditionellen Büros geworden mit ihren starren räumlichen Ordnungen und festen Hierarchien. Was heute zählt, sind vor allem Wandelbarkeit, Interaktion und Komfort.
Mit dem Internet hat sich auch die Arbeitswelt deutlich beschleunigt. Daten können in Windeseile um die Welt geschickt werden, Firmen vernetzen sich zu globalen Business-Netzwerken und auch in den Büros folgt die Arbeitsorganisation immer seltener festen Mustern. Teams finden sich zu Projekten zusammen und lösen sich wieder auf, sobald ein Job erledigt ist. Einsatzbereitschaft wird rund um die Uhr von den Mitarbeitern verlangt sowie ein Höchstmaß an Flexibilität.
Das herkömmliche Büro kann mit seiner festen Ordnung bei dieser Entwicklung kaum mithalten. Zu schwerfällig und unflexibel ist es geworden. Die starren räumlichen Trennungen behindern eher den direkten Austausch und lassen sich auch nicht an die veränderlichen Größen von Projektteams anpassen. Dabei ist gerade dies entscheidend, denn in Zeiten von zunehmend virtueller Kommunikation wird der persönliche Austausch von Mensch zu Mensch immer wichtiger. Arbeitsplätze müssen mit wenig Aufwand neu konfigurierbar sein und sich schnell von Einzel- zu Teamarbeitsplätzen verwandeln lassen und umgekehrt. Veränderlichkeit, Kombinierbarkeit und Erweiterbarkeit sind die zentralen Themen im Bürodesign geworden.
Dabei wird der Raum geöffnet und die Trennung der Mitarbeiter nach Hierarchien und Abteilungen aufgehoben. Der Chef und die Projektleiter sitzen im selben Raum wie die übrigen Mitarbeiter. Einige Bürosysteme gehen sogar noch weiter und bringen alle an einen gemeinsamen Tisch. So verdichtet das System „Joyn“ von Vitra beispielsweise den ganzen Arbeitsprozess auf einer einzigen Ebene: Um eine große Tischplatte herum sind mehrere Arbeitsplätze angeordnet, die mit Sichtblenden voneinander getrennt sind. Wenn man möchte, kann man diese Trennung aufheben und verschiedene Plätze miteinander verbinden. Die Verwandelbarkeit erfolgt prompt und kann in wenigen Sekunden ohne aufwändige Installationen durchgeführt werden. Die Sichtblenden brauchen einfach nur herausgezogen, umgesteckt oder verschoben werden und schon ergibt sich eine neue Konfiguration. Der Einzelne behält somit die Möglichkeit, sich auch im Team zurückzuziehen und ist dennoch nicht abgeschottet vom restlichen Geschehen im Büro. Der zentrale Kabelschacht in der Mitte des Tisches erlaubt es auch im Nachhinein, neue Geräte anzuschließen ohne dass dafür jemand unter den Tisch klettern muss und nach einer freien Steckdose zu suchen braucht. Arbeiten funktioniert hier nach dem Plug-and-Play Prinzip. Ruheinseln, die separat im Raum stehen, ergänzen das System und bieten, die Möglichkeit, sich für Aufgaben, die hohe Konzentration verlangen, zurückzuziehen. Die Flexibilität der neuen Bürosysteme bietet noch weitere Vorteile: Sie reduziert die Investitionskosten für neue Büroeinrichtungen und macht die Unternehmen zugleich ungebundener, da man mit ihnen auch problemlos umziehen kann. Auch können die Büros sich je nach Auftragslage vergrößern und verkleinern.
Komfort und Sinnlichkeit
Neben einer größeren Flexibilität der Möbelsysteme hat sich aber auch die Betrachtung der Arbeitsräume insgesamt verändert. Galt noch bis in die Neunziger Jahre, die Arbeitsumgebung eher kühl, zurückhaltend und funktional zu halten, ist heute eine emotionale Komponente hinzugekommen. Die Mitarbeiter sollen sich wohl fühlen und nicht in eine Arbeitsbatterie eingepfercht. Verschiedene Hersteller wie beispielsweise die italienische Marke Porro haben bereits Serien entwickelt, die Materialien und Formelemente aus Wohnräumen in den Bürobereich transferieren. Funktionelle und ergonomische Anforderungen sind zwar nach wie vor sehr wichtig, werden jedoch nicht mehr überbetont im Design, wie es bei herkömmlichen Bürosystemen üblich ist. Mit anderen Worten: Ein Stuhl muss funktional und ergonomisch sein, jedoch nicht unbedingt danach aussehen. So mancher High-Tech-Stuhl von heute erinnert ja teilweise eher an eine Maschine als an ein Objekt, auf dem man sitzen kann. Atmosphäre, Komfort und Sinnlichkeit spielen fortan auch im Büro eine Rolle. Dazu gehört, dass Farbe wieder erlaubt ist und sich selbst ein seriöses Unternehmen nicht mehr zwangsläufig grau in grau einrichten muss. Schließlich ist Ästhetik auch Funktion, trägt sie doch zur Motivation der Mitarbeiter bei und verbessert die Wahrnehmung des Unternehmens gegenüber ihren Besuchern.
Die stärkere Sensibilisierung gegenüber Design wird sich auch verstärkt auf die elektronische Ausstattung ausweiten. Die Tendenz ist auch hier: Weg vom vordergründig technisch Funktionalen hin zu einer reduzierten, aber anspruchsvollen Ästhetik. Die Computer von Apple sind ein besonderes Beispiel dafür, wie Arbeiten am Bildschirm auch zu einem visuellen Vergnügen werden kann, ohne dass sich die Produkte allzu sehr in den Vordergrund stellen. Dazu kommt, dass die technischen Geräte noch kompakter und unauffälliger werden als heute und den Raum schließlich nicht mehr als monströse graue Kisten dominieren werden. Im Idealfall wird die Technik geradezu „unsichtbar“.
Wenn der Bürostuhl zur Gymnasik ruft.
Ein weiterer Trend ist die Entwicklung hin zu einem intelligenten und in sich vernetzten Büro. So ist für die Büromesse Orgatec, die Ende Oktober in Köln stattfinden wird, ein Bürosystem des Herstellers Dauphin HumanDesign Group angekündigt worden, das mittels Sensoren erkennen kann, ob der Bürostuhl besetzt ist oder nicht. Das Signal wird anschließend an bis zu 15 Empfänger per Funk weitergeleitet, die sich in den Steckern von Computern, Monitoren, Druckern, Stereoanlagen oder anderen technischen Geräten befinden. Systeme wie Heizung, Klimaanlage und Beleuchtung können ebenfalls angeschlossen werden. Nimmt der Mitarbeiter am Morgen Platz, schalten sich nun automatisch Computer, Drucker, Klimaanlage und Kaffeemaschine ein. Verlässt er später seinen Platz für ein Meeting oder einen Termin außer Haus, wird der PC abgeschaltet, das Licht gedimmt, die Leistung der Heizung reduziert und selbst das Radio sendet nicht mehr ins Leere. Der Sensorstuhl hat nach einer genau definierbaren Zeit alle angeschlossenen Geräte im Umkreis von bis zu 30 Metern heruntergeregelt und spart somit Energie. Ein weiteres Sensorprogramm erinnert den „Be-Sitzer“ sogar per Licht- oder Tonsignal daran, von Zeit zu Zeit einmal aufzustehen und sich zu bewegen. Denn gute Bürostühle sind schließlich auch aktive Gesundheitsvorsorge und eine Investition, die sich auszahlt. Vier von fünf Büromitarbeitern klagen mittlerweile über Verspannungen, Rückenschmerzen, Sehnenscheidentzündungen oder ähnliche „Bürokrankheiten“ und verursachen durch krankheitsbedingte Fehlzeiten enorme Folgekosten für die Unternehmen. Ergonomie wird daher ein zentrales Thema in den nächsten Jahren, denn bereits mit relativ geringen Investitionen wäre ein Großteil jener Gesundheitsschäden zu vermeiden.
Alles in Allem wird das Büro menschlicher und komfortabler werden. Eine Ursache dafür liegt sicher auch in der Veränderung der Arbeitsweisen an sich. Immer mehr Arbeit wird von immer weniger Mitarbeitern erledigt und so verschieben sich die Arbeitszeiten nicht selten immer mehr in den Abend hinein. Eine jüngste Studie unter britischen Führungskräften hat ergeben, dass viele Chefs mittlerweile kein Problem mehr haben, wenn ihre Mitarbeiter untereinander Beziehungen eingehen. Denn bei langen Arbeitszeiten, wie sie in Metropolen wie London, Paris oder New York üblich sind, bleibt wohl immer weniger Zeit, anderswo jemanden kennen zu lernen. Das bleibt zwar nicht zu hoffen, doch wenn der Büroalltag durch die neuen Einrichtungssysteme ein wenig abwechslungsreicher und angenehmer wird, ist dies sicher ein Schritt in die richtige Richtung.
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