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Jaguar E-Type: Wiedergeburt einer Legende

Für viele das schönste Auto, das je gebaut wurde: Der 1961er Jaguar E-Type.

von Norman Kietzmann , 20.07.2017

Er gilt als das schönste Auto des 20. Jahrhunderts: Der 1961 bis 1974 gebaute Jaguar E-Type. Nach mehr als vier Dekaden kehrt die rollende Legende zurück: In Form von aufwendigen Restaurationen und einer limitierten Sonderedition für die Rennstrecke. Das Beste daran: Die Rückkehr zur Eleganz gelingt ganz ohne die Kinderkrankheiten der früheren Modelle. 

„Ich hatte in den sechziger Jahre einen Sportwagen, einen Jaguar E-Type. Doch jedes Mal, wenn ich ihn in London geparkt habe, wurde er von irgendjemanden geschrammt oder gar zerbeult. Also habe ich Rache genommen“, erinnerte sich Ken Adam. Was der Set-Designer der frühen James-Bond-Filme damit meinte, war 1965 auf der Leinwand zu sehen. In Goldfinger wurde 007-Darsteller Sean Connery zwar kein E-Type zur Seite gestellt. Doch dafür ein mit Maschinenpistole, Flammenwerfer und anderen „Extras“ ausgestatteter Aston Martin DB5. In der Romanvorlage Ian Flemings war von bewaffneten Fahrzeugen freilich keine Rede. Doch die Sorge um seinen E-Type beflügelte Ken Adam zur Erfindung der Bond-Gadgets, die fortan zum wichtigen Bestandteil der Agentenreihe wurden und keinen unwesentlichen Einfluss auf deren Erfolg ausübten. 

Beflügelte Fantasien 
Dass der Jaguar E-Type einen derart starken Beschützer-Instinkt hervorrief, kam nicht von ungefähr. Schon bei seiner Premiere auf dem Genfer Automobilsalon 1961 konnte der schlanke Wagen allen anderen Modellen die Schau stehlen. „Das schönste Auto der Welt", bekannte selbst Enzo Ferrari, der für gewöhnlich kein gutes Haar an der Konkurrenz ließ – erst Recht wenn diese auch noch von der Insel kam. Doch der E-Type war kein gewöhnliches Fortbewegungsmittel. Jaguar-Chefdesigner Malcolm Sayer suchte nach einer effizienten und nebenbei auch noch günstig zu produzierenden Form. Mit einem Listenpreis von 2.256 Pfund – entspricht einem heutigen Gegenwert von 38.000 Pfund (42.000 Euro) – war der E-Type tatsächlich erschwinglich. 

Mythos auf Rädern 
Was der Imagebildung zuträglich war: Wer diesen Sportwagen fahren wollte, musste auch sportlich sein. Bäuche finden in der winzigen Kabine keinen Platz. Dieser Umstand gilt zugegebenermaßen auch für andere Wagen. Doch der E-Type, der mit einem 3,8-Liter Reihensechszylinder eine Leistung von 269 PS und eine Höchstgeschwindigkeit von 241 km/h erzielte, führte Effizienz und Schönheit auf eindrucksvolle Weise zusammen. Die langgezogene Schnauze der selbsttragenden Stahlkarosserie ließ sich als Ganzes nach oben klappen – und gab den Motor wie den Inhalt einer Schmuckschatulle preis. Ein schmales, für heutige Verhältnisse geradezu winziges Heck verstärkte den Eindruck eines rollenden Projektils.

Leichtbau für die Rennstrecke
1963 wurden zwölf Exemplare einer „Lightweight“-Serie für die Rennstrecke ausgeliefert, bei der nicht nur die Karosserie aus Aluminium gefertigt wurde, sondern ebenso der sonst aus Grauguss hergestellte Motorblock. Der 920 Kilogramm leichte Wagen erreichte eine Geschwindigkeit von 259 km/h und fuhr bei zahlreichen Rennen mit. Als Steve McQueen 1964 die neue Coupé-Version E-Type 2+2 für die amerikanische Zeitschrift Sports Illustrated testete und lobende Worte fand, war der Hype perfekt. Die Aufnahme in die ständige Sammlung des MoMA war an dieser Stelle nur noch Beiwerk. Der E-Type war Kult – und ist es bis heute.

Rückkehr nach vier Dekaden  
Noch immer ziehen die rollenden Schönheiten sehnsüchtige Blicke auf sich, wenn sie über die Straßen gleiten. Vergessen sind in diesen Momenten die widerspenstigen Motoren, die häufig nur dann anspringen, wenn ihnen gerade danach ist und so manchem Ausflug ins Grüne zu einer unfreiwilligen Verlängerung verhelfen. Der emotionalen Bindung zum E-Type haben diese Erfahrungen keinen Abbruch getan – im Gegenteil. Auch bei Jaguar ist man sich dessen bewusst und hat nun – 43 Jahre nachdem der letzte E-Type 1974 vom Band lief – einen vorsichtigen Neustart eingeleitet. Reborn heißt die neue Serie von zunächst nur zehn von Jaguar komplett restaurierten Originalen, die keineswegs nur zerlegt und wieder neu zusammengesetzt wurden. 

Schraube um Schraube
Rund neun Monate hat die Restaurierung des ersten Exemplars gedauert, einem Fixed Head Coupé 4.2 aus der Serie 1, Baujahr 1965. Sämtliche Komponenten sind einzeln geprüft, gesäubert und falls nötig durch neue Bauteile ersetzt worden, die zum Teil sogar bei den alten Zulieferern gefertigt wurden. Die aufgefrischten Originale sind in einem technisch perfekten Zustand und jagen wieder mit 240 km/h über die Straßen – und zwar ohne die Kinderkrankheiten der früheren Modelle. Will heißen: Der Motor springt endlich zuverlässig an, während die Verarbeitungsqualität sämtlicher Karosserieteile auf heutige Standards angehoben wurde. „Wir können mit Fug und Recht behaupten, dass Käufer nun Komponenten erwerben, die besser sind als das Original“, ist Tim Henning, Direktor von Jaguar Land Rover Heritage, überzeugt.

Betongold und Blechgold 
Soviel Liebhaberei hat ihren Preis: Mindestens 322.000 Euro kosten die ersten Modelle aus der Reborn-Serie, die in den kommenden Jahren weiter fortgesetzt werden soll. Positiver Nebeneffekt: Jaguar konnte das in den letzten Jahrzehnten recht lückenhaft gewordene Ersatzteilsortiment wieder auffüllen und bietet nun einen kompletten und originalgetreuen Satz von Karosserieblechen für die Serie 1 an. Auch dies geschieht nicht ohne Grund. Schließlich erzielen Oldtimer im Moment erhebliche Wertzuwächse. Zum Betongold reiht sich Blechgold als verlässliche Geldanlage bei Niedrigzinsen. Doch schon an dieser Stelle wird es kniffelig, weil perfekt erhaltene Exemplare nicht nur extrem rar sind. Fast alle Fahrzeuge haben über die Jahrzehnte mehrfache Besitzerwechsel und Umbauten erlebt.

Siebenstellige Wertzuwächse 
Die Deutungshoheit in der Frage, was original und damit auch wertvoll ist, wollen sich die Hersteller nicht nehmen lassen. Schon seit mehreren Jahren bietet Ferrari den aufwändigen wie kostspieligen Restaurationsservice Ferrari Classiche an, wo die Flitzer aus Maranello nicht nur grunderneuert und in den Originalzustand zurückversetzt werden. Die Besitzer erhalten am Ende ein Echtheitszertifikat, das je nach Seltenheit des Modells einen siebenstelligen Wertzuwachs bedeuten kann. Dass Jaguar Heritage für den E-Type an dieser Stelle nun nachzieht, erscheint konsequent. Schließlich handelt es sich nicht um irgendeine Oldtimer-Reihe, sondern um die womöglich schönsten Vierräder, die je gebaut wurden.  

Leichtgewichte auf der Rennstrecke
Dass das Interesse weiterhin hoch ist, zeigt eine weitere Reedition. Bereits 2014 sind sechs komplett neue Lightweight E-Types am Jaguar-Stammsitz in Coventry gebaut worden – nach den Originalbauplänen von 1963. Frühere Unebenheiten der Karosserien, bei denen die linke Seite oft leicht von der rechten leicht abwich, sind nun ausgeglichen worden. Dennoch durften charakteristische Details nicht fehlen wie die bereits in den sechziger Jahren verwendeten Nieten aus dem Flugzeugbau. 

Die über eine Million Euro teueren Fahrzeuge komplettieren die ursprünglich auf 18 Exemplare angelegte Serie, von der sich in den Sechzigern jedoch nur zwölf Exemplare verkaufen ließen. Absatzprobleme sind heute nicht zu beklagen: Angeblich sollen mehr als einhundert Bestellungen für die sechs Neuauflagen eingegangen sein. Ausgeliefert wurden sie an Kunden, die sie nicht nur für sonntägliche Spritztouren nutzen, sondern tatsächlich über die Rennbahn jagen. Ob sich Jaguar, wie schon mehrfach gemunkelt, auch bei der Entwicklung neuer Fahrzeuge vom E-Type inspirieren lässt?

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Jaguar Heritage

www.jaguarheritage.com

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