Jenseits vom Wow-Effekt
Bei den "iF gold awards 2008", die am 4. März auf der CeBit in Hannover verliehen wurden, standen erneut Produkte mit einer leisen und zurückhaltenden Formensprache im Mittelpunkt. Mit ihrer Betonung auf gestalterische Authentizität setzte die international hochkarätig besetzte Jury unter Vorsitz von Fritz Frenkler einen klaren Schlussstrich unter Retro oder allzu aufgeblasenes Marketingdesign. Ihre Botschaft: Das Design müsse endlich raus aus den Feuilletons und dort behandelt werden, wo es bisher viel zu selten zu finden ist: auf den Titelseiten des Wirtschaftsteils.
Dass auch in diesem Jahr erneut Apple als großer Gewinner beim "iF product design award" hervorging und gleich acht der 50 Goldpreise für sich entscheiden konnte, spricht Bände über die gegenwärtige Situation im Produktdesign. Denn anders als viele Konkurrenten, die Gestaltung immer noch als reines „Aufhübschen“ missverstehen, hat der kalifornische Computerhersteller Design zu seiner eigentlichen Kernkompetenz ausgebaut und sich damit einen enormen Wettbewerbsvorteil geschaffen. „Das 21. Jahrhundert wird das Jahrhundert des Designs und nicht mehr der Technologie“ prophezeit Fritz Frenkler. Schließlich ist technisches Know-how mittlerweile auf einem derart hohen Niveau global verfügbar, dass im Grunde fast jeder größere Hersteller einen passablen mp3-Player bauen könnte. Dass Apple mit seinem iPod dennoch weiter führend ist, liegt einzig an seinem intuitivem Design: „Nur wer die Einfachheit und Bedienungsschlichtheit von Produkten erkannt hat, kann auf Dauer erfolgreich sein und die „Neue Moderne“ mit prägen!“ erklärt Fritz Frenkler weiter.
„Von Apple lernen heißt siegen lernen“ könnte also das Motto lauten, mit dem so mancher Hersteller seine Produkte unter den Preisträgern lancieren konnte. Ralph Wiegmann, Geschäftsführer des "iF International Forum Design" in Hannover, erklärte damit auch das zunehmende Schwinden so genannter „Wow-Produkte“, die deutlich von den Konkurrenzmodellen herausstechen. Das Niveau der eingereichten Produkte sei aber insgesamt deutlich gestiegen.
50 Goldpreise in 14 Kategorien
Mit insgesamt 2.771 Einreichungen aus 35 Ländern verzeichnete der IF-Award 2008 einen Zuwachs von 20,9% gegenüber dem Vorjahr, was vor allem auch auf das gestiegene Interesse der asiatischen Hersteller zurückzuführen ist. 821 Produkte kamen schließlich in die engere Auswahl und wurden in die aktuelle Ausstellung im iF-Pavillon auf dem Messegelände Hannover aufgenommen. Die mit Designern wie Jasper Morrison, Naoto Fukasawa oder James Irvine sowie mit Unternehmern wie Philipp Grohe oder Jochen Hahne hochkarätig besetzte Jury zog ein insgesamt positives Resumé. In 14 verschiedenen Kategorien wurden die 50 Goldpreise anschließend verliehen, von Telekommunikation über Computer, Audio, Wohnen, Haushalt bis hin zu Freizeit und Transportation.
Apple ging mit acht Auszeichnungen für sein „iPhone“, ein dazugehörige Headset, den „ipod nano“, den „ipod classic“, den „ipod touch“, die neue Apple Tastatur mit und ohne Kabelanschluss sowie den neuen „iMac“ klar in Führung. An zweiter Stelle konnte Miele mit dem Dampfgarer „DGC5080“, der Waschmaschine „W4800“, dem Einbau-Backofen „H5681 B“ sowie dem Kühlschrank „Master Cool“ vier Auszeichnungen für sich entscheiden. Hoesch erhielt drei Preise für die Badezimmerausstattungen „Sensamare“ und „SingleBath“ sowie die Dusche „Ciela“, während Axor für die Dusche und den Wassermischer der „Citterio Badlinie“ zweimal ausgezeichnet wurde. Auch die bereits auf der Kölner Möbelmesse vorgestellte Küche von Porsche Design für Poggenpohl wurde mit einem Gold-Award prämiert.
Design mit inneren Werten
Bei einem anderen Teil der Preisträger erschloss sich die eigentliche Designinnovation erst auf den zweiten Blick. So wurde die Energiesparlampe „EcoClassic50“ von Philips ausgezeichnet, da ihre Lichtqualität der von herkömmlichen Glühbirnen nicht mehr nachsteht. Das britische Unternehmen USBCELL hat eine neue Kategorie aufladbarer Batterien entwickelt, die mit einem USB-Anschluss an jedem beliebigen Computer aufgeladen werden können und die bisher notwendigen Aufladegeräte somit überflüssig machen. Der Fahrradhersteller STORCK konnte mit seinem Rennradrahmen „Fascenario 0.7“ überzeugen, der dank neuester Produktionsmethoden und durch den Einsatzes von Karbon nur noch 1.080 Gramm auf die Waage bringt. Und die „RF Flurwand“ des Büroausstatters Bene wurde für ihre besonders sachliche Gestaltung gelobt, die trotz ihrer vielseitigen technischen Möglichkeiten optisch fast unsichtbar erscheint.
Umso sichtbarer waren dagegen die beiden Preisträger der Kategorie „Transportation“, um die sich die Gäste beim anschließenden Empfang gruppierten: Der Mähdrescher „Tucano“ sowie der Feldhäcksler „Jaguar“ von CLAAS. Bei ihnen zeigte sich die Jury von den komfortablen Kabinen sowie dem Grad an Perfektion beeindruckt, mit der die riesigen Maschinen bis ins Detail gestaltet wurden. Schade war, dass diesmal der Nachwuchspreis „iF concept product award“ abgekoppelt wurde – die Jurysitzung tagte parallel zur Preisverleihung – und man damit den spannenden Austausch zwischen jungen und etablierten Gestaltern aufgab.
Universal Design
Der „universal design award“, der einen Tag später am 5. März erstmals verliehen wurde, stellte die gestalterischen Herausforderungen der Zukunft im Mittelpunkt. Diese müssen vor allem auf den demografischen Wandel reagieren und Produkte mit einer „neuen Einfachheit“ generationenübergreifend verständlich machen. Vor allem ältere Menschen verlieren häufig den Anschluss an neue Technologien, da beispielsweise die Tasten zu klein sind oder unter der Fülle an technischen Spielereien die eigentliche Funktion eines Produktes in den Hintergrund gerät.
Doch auch wenn die dreiköpfige Jury, bestehend aus Fritz Frenkler (f/p-design, München), Noboru Koyama (Toyota, Japan) und Prof. Wolfgang Sattler (Bauhaus-Universität Weimar), den Schwerpunkt nicht nur auf „Ältere“ sondern auf „alle“ legen wollte, verharrten viele prämierte Entwürfe in den seniorentypischen Produktkategorien wie Blutdruckmessgeräten, Thermometer oder EKG-Geräten. Dabei wäre es gerade spannend, den Fokus stärker auf jene Dinge des Alltags zu legen, die auf ganz selbstverständliche Weise von Jungen wie Alten genutzt werden können. Apple hatte hier erneut die Nase vorn: Seinem "iPhone", "iPod" oder "iMac" wurde bescheinigt, auch in punkto Generationentauglichkeit vorbildhaft zu sein.
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