(K)eine Frage des guten Geschmacks - Die Ambiente 2008
Über Geschmack lässt sich ja bekanntlich nicht streiten. Obwohl – wer sich auf der Frankfurter Konsumgütermesse „Ambiente“, die gestern ihre Tore schloss, umsah, kann dem wohl nicht mehr wirklich zustimmen. Zu verschieden war die Qualität der Aussteller und Ausstellungsstücke. Wähnte man sich beim Durchstöbern der unzähligen Hallen doch zuweilen in einem bunten, wirren Kuriositäten-Kabinett. Da gab es beispielsweise kleine weiß-blaue Deko-Leuchttürme, künstliche Blumen jeglicher Couleur, Bastkörbe im Landhausstil, verkitschte Glasobjekte oder türkische Kochtöpfe mit osmanischen Mustern. Alles in allem nicht gerade das, wonach dem Designfreak dürstet. Von den erwarteten Neuheiten erst gar nicht zu reden – so wenige gab es davon oder sie gingen im beliebigen Mischmasch einfach unter. Ein bisschen wurde der gestresste, erwartungsvolle und vielleicht ein wenig enttäuschte Besucher dann aber doch noch belohnt. Und auch das Auge durfte sich endlich erfreuen: Da war zum einem die festliche Verleihung des Designpreises der Bundesrepublik Deutschland sowie die unter dem Begriff „Dining“ zusammengefassten Aussteller in den Hallen 9 und 10.
Nun, fairerweise muss man allerdings anmerken, dass die „ambiente“ eine reine Fachbesuchermesse ist. Hier wird Handel getrieben und so sahen die meisten Messestände dann leider auch aus. Bis auf die großen, weltweit agierenden Unternehmen wurde auf architektonische Inszenierungen weitgehend verzichtet. Unter dem Dach der weltweit größten Konsumgütermesse fanden vom 8. bis 12. Februar 2008 drei Weltleitmessen auf einer Fläche von 193.000 Quadratmetern statt: „Dining“, „Giving“ und „Living“ – mit insgesamt 4.600 Ausstellern aus 84 Ländern. Der Bereich „Dining“ war für die Designlines am interessantesten, denn dort wurden Produkte rund um die Themen Tisch, Küche und Haushalt gezeigt. Von der Zahl der Aussteller war dieser Messebereich mit 2.177 Ausstellern eindeutig der größte. Aber bekanntlich zählt ja nicht unbedingt Quantität, sondern Qualität. Dafür war Dank Unternehmen wie Alessi, iittala, Bodum, Rosenthal, Stelton oder Koziol jedoch gesorgt. Aber ähnlich wie auf der Kölner Messe imm hatte man auch hier nicht gerade das Gefühl von einer überwältigenden Fülle von Neuheiten umgeben zu sein. Dafür war vieles schon bekannt.
Inflation der Preise
Preise, Preisverleihungen, Ausstellungen zu den Preisen, Bücher über Preise – der Besucher wusste am Ende gar nicht mehr, was welcher Preis für eine Bedeutung, geschweige denn, wer ihn von wem und warum erhalten hatte. Der erste Ausstellungstag begann mit der Verleihung des Designpreises der Bundesrepublik Deutschland, der vom Rat für Formgebung im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie vergeben wird. Im großen Panoramasaal war dann auch eine illustre Gästeschar versammelt. So drängten sich beispielsweise Richard Sapper und Dieter Rams durch die Ränge. Nach einer Einführung mit sphärisch-experimenteller Musik wurde der aus Krankheitsgründen nicht anwesende Unternehmer Dr. Manfred Lamy für sein Lebenswerk geehrt. Er beauftragte Designer wie Dieter Rams oder Naoto Fukasawa mit Entwürfen für das Unternehmen Lamy. In einer etwas faden Zeremonie wurden insgesamt fünf Preise in Gold sowie zwanzig in Silber vergeben – von einer Jury ausgewählt aus insgesamt 1.023 eingereichten Produkten und Kommunikationsdesign-Arbeiten. Der Münchner Designer Stefan Diez räumte gleich zwei Preise ab: den einen für das Aufbewahrungsset „Shuttle“ von Rosenthal, den anderen für die Taschenkollektion „Kuvert“ von Authentics. „Shuttle“ zeichnet sich dadurch aus, dass verschieden große Behältnisse erst durch die Aufsätze in ihrer Funktion definiert werden. So entstehen Streuer, Kannen, Karaffen oder Saucieren. Auffällig an der Designpreisverleihung war, dass eine große Bandbreite von Produkten ausgezeichnet wurde. Neben dem Motorrad „BMW G650 Xcountry“ und einem TV-Spot für Fiat beispielsweise das Ausstellungsdesign des Mercedes-Benz-Museums von HG Merz, die Medikamentenpackungen des Schweizer Pharmaunternehmens Helvepharm oder der Kletterkarabiner „Bionic“ von NOSE AG Design Intelligence für die Mammut Sports Group.
Eine goldene Auszeichnung erhielt der Abfallbehälter von Tools Design für das dänische Unternehmen Eva Denmark. Der kegelstumpfförmige Eimer besticht vor allem durch seine Deckelfunktion, die ohne mechanische Elemente auskommt und von jeder Seite wie ein Klappdeckel geöffnet werden kann. Der in verschiedenen Farben erhältliche, aus hitzebeständigem Silikon bestehende Topfuntersetzer Propeller von Jakob Wagner Design für das ebenfalls dänische Unternehmen Menu kann zusammengeklappt werden und spart dadurch Platz. Mehrere aneinandergesetzt ergeben eine größere Standfläche und ganz nebenbei ein schönes Muster – solches Design hätte man gern mehr gesehen. Unter den Nominierten befanden sich auch Produkte wie das Sofa Blanche von Brühl und die Tellerkopfbrause Raindance Connect Shower pipe von Hansgrohe, die aber leer ausgingen.
Ausgestellt
Über das unübersichtliche Gelände der Frankfurter Messe verteilt fanden auch einige kleine Ausstellungen statt. Koziol feierte seinen 80. Geburtstag mit einer Ausstellung und in der Galleria 0 waren unter dem Titel „Pro-K Produkte des Jahres 2008“ besonders kreative, ästhetische und funktional gestaltete Produkte aus Kunststoff zu sehen: so die kleine schlichte Kaffeemaschine WMF 1 und die Schale „Anemone“ von Koziol. Auch die Gewinner des Wettbewerbs „Design Plus“ waren in einer eigenen Ausstellung mit dazugehöriger Publikation vertreten. Allein 19 der Gewinnerprodukte, die u. a. von der französischen Designerin Matali Crasset gekürt wurden, drehten sich um die Themen Tisch und Küche. Dazu gehörte beispielsweise der Kochtopf „Hotpan“ des Schweizer Unternehmens Kuhn Rikon. Der Clou hierbei: Der Edelstahl-Kochtopf kann in eine Melaminschüssel gestellt werden. Das sieht nicht nur schön aus, sondern spart auch Energie: Durch ein ausgeklügeltes, patentiertes System wird das sogenannte „Softgaren“ ohne künstlich hergestellte Energie möglich. Weitere Design-Plus-Gewinner sind das Besteck Pure von Auerhahn, der Fruit Basket von Alessi und die bereits erwähnte WMF-1-Kaffeemaschine.
Lily Pond und die Banana Boys
Ein Aussteller, der entgegen dem Trend gleich mehrere Neuheiten präsentierte, war das italienische Unternehmen Alessi. Neben dem schlichten Tafelservice „PlateBowlCup“ aus weißem Porzellan und der Kristall-Glasserie „Glass Family“ des britischen Designers Jasper Morrison stach – sozusagen als gestalterisches Pendant dazu – die Serie „OrienTales“ hervor. Die Designer Stefano Giovannoni und Rumiko Takeda zeigen sich in Zusammenarbeit mit dem National Palace Museum in Taiwan bunt-verspielt und daran scheiden sich wahrscheinlich die (Design-)Geister. So kann der Liebhaber der asiatischen Küche Zucker aus einer „Fruit Sugar Bowl“ in Form einer Lotusblüte löffeln, Essstäbchen auf einer goldfischförmigen Ablage niederlegen oder Sojasauce mit „Lily Bird“ servieren. Manchmal hätte man es auf dieser Messe allerdings am liebsten mit den drei Affen der Flaschenverschluss-Serie „Banana Boys“ gehalten: Nicht sehen, nicht hören, nicht sprechen – Kitsch hin oder her.
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