Kronleuchter – Juwelen des Lichts
Kerzen kosten ein Vermögen? Licht ist reiner Luxus? Spiegel zur Vervielfältigung des Lichtscheins? Was heute unvorstellbar scheint, war noch im 18. Jahrhundert Alltag: Licht und die entsprechenden Leuchter konnten sich nur wenige leisten. Und wer gar einen Kronleuchter sein Eigen nannte, war in Adelskreisen zuhause. Der ebenso gesellschaftlich wie gestalterisch spannenden Geschichte des Kronleuchters geht ab morgen eine Ausstellung im Zürcher Museum Bellerive nach.
Versammelt hat Kuratorin Eva Ahfus dort veritable Trouvaillen der Leuchtengestaltung. Quer durch die Jahrhunderte bis in die Gegenwart wird die Entwicklung des Kronleuchters nachgezeichnet. Die Themen der einzelnen Räume deuten bereits an, wohin die Reise in die Welt des Kronleuchters geht: Juwelen des Lichts, Repräsentation, Der Bergkristall, Der Glasarmkronleuchter, Die Leuchtmittel, Kronleuchter vor 1800, Kronleuchter nach 1800, Um 1900 oder Lichtdesign lauten sie. Die Geschichte des Kronleuchters wird in der Ausstellung nicht nur an den Objekten, sondern auch anhand von Entwurfszeichnungen, fotografischen Dokumenten, Schriften und Positionen von zeitgenössischen Künstlern wie Jason Rhoades oder Martin von Ostrowski beleuchtet.
Glamour, Glanz und Glitter
Der Kronleuchter vereint viele Welten in sich, er ist Schmuck, Gebrauchsgegenstand, Symbol, Luxus und handwerkliches Experimentierfeld. Während sein Gestell zumeist aus Metall, Holz oder Elfenbein gefertigt wird, besteht sein Behang aus Bergkristall, Glas oder Kunststoff. Fertigungs- und materialtechnische Neuerungen wie die Erfindung der Glühlampe, des Kunststoffs oder neuer Leuchtmittel wie Halogen, Energiesparlampen oder Leuchtdioden, aber auch wirtschaftliche und soziale Umwälzungen wie die Entstehung des Bürgertums und die Industrialisierung hatten großen Einfluss auf die Entwicklung des Kronleuchters.
Starck, Béhar, Boontje & Co.
Während in der Vergangenheit insbesondere die heterogenen Einflüsse der Werkstätten Böhmens und Norditaliens stilprägend waren, beschäftigen sich heute zahlreiche zeitgenössische Designer mit der Gestaltung von Kronleuchtern und lustwandeln dabei zwischen Tradition und Moderne, zwischen Design und Kunst: Philippe Starck hat einen extravaganten Chandelier für Baccarat entworfen, Studio Job einen Kronleuchter aus Papier für Moooi gebastelt, Ingo Maurer sich mit Porca Miseria! ausgetobt und Tom Dixon sich Ball für Swarovski ausgedacht. Der österreichische Hersteller von geschliffenen Kristallen mischt übrigens ganz vorn mit bei der Allianz von Licht und opulenten Leuchtern, denn jedes Jahr präsentiert er auf dem Mailänder Salone del Mobile die Kollektion Crystal Palace. Dafür interpretieren namhafte zeitgenössische Designer und Architekten wie Amanda Levete, Yves Béhar oder Tord Boontje den klassischen Kronleuchter neu – und der ist dann meist über und über besetzt mit funkelnden Swarovski-Kristallen.
Von Sonnenkönigen und preußischen Schätzen
Zwar gab es bereits im Mittelalter einfache Formen von Kronleuchtern in Kirchen, doch erst im 17. Jahrhundert wurden sie zum Symbol für Reichtum und Luxus. Licht und Beleuchtung verkörpern seit Jahrhunderten immer auch einen Machtanspruch. Während sich im Italien des Barocks Künstler wie Gian Lorenzo Bernini für die aufwändigen Feste des Adels Feuerwerke und Illuminationen ausdachten, sind es im barocken Versailles die kostspieligen Spiegelgalerien, die das Licht der nicht minder opulenten und wertvollen Kristall-Lüster ins Unendliche reflektierten. Der französische Sonnenkönig Ludwig XIV. ließ die Kronleuchter zum must have der adeligen Oberschicht avancieren, und der Miroitier des französischen Hofs und zuständig für die Herstellung der Spiegelkunst, Jean Baptiste Delaroüe, schuf immer neue Kreationen. Diese waren Vorbild für Friedrich den Großen, der eine so große Anzahl von Leuchtern in seinen Schlössern versammelte, dass wir ihm die heute umfangreichste Sammlung historischer Beleuchtungskörper in Europa verdanken. Sie können in den Schlössern Berlins und Brandenburgs bestaunt werden. Die große Anzahl von 1500 Lüstern darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese Leuchter auch für die Königshäuser ein teures Vergnügen waren. Nicht nur die Herstellung und die verwendeten Materialien wie Porzellan, Elfenbein, Bernstein, Geweihe oder Bergkristall waren kostspielig, auch das Leuchtmittel Kerze – in den Zeiten der Billig-Teekerzen von IKEA fast nicht mehr vorstellbar – war fast unbezahlbar.
Stein des Lichts: der Bergkristall
Als zu Beginn des 18. Jahrhunderts in der Schweiz reiche Vorkommen von Bergkristall gefunden wurden, war es erstmals möglich, den gesamten Kronleuchterbehang aus dem edlen Material herzustellen – bis dahin war das Material aus Kostengründen nur zu kleinen, facettierten Perlen, Oliven oder Birnen verschliffen worden. Das Mineral Bergkristall bricht nicht nur das Licht besonders schön, sondern ist neben Talisman und Hoheitszeichen auch der Stein des Lichts. Es war 1735 abermals der französische Hof, der die Kronleuchter-Mode vorantrieb, denn unter der Regentschaft Ludwig XV. wurden große Aufträge vergeben: Stilistisch orientierte man sich nicht nur an der Natur, denn neben Laubblättern und Blüten wurden die hängenden Bergkristallteile auch in Form von Musikinstrumente wie Gamben oder Lauten ausgeführt.
Funkeln und Glitzern bei Hofe
Der Kronleuchter diente bei Hofe nicht nur als Lichtspender bei abendlichen Festen, sondern vor allem der Zurschaustellung von Luxus und Reichtum. Dabei folgte seine Verwendung in den Räumen zeremoniellen Gesetzen: Ein Kronleuchter war umso größer und kostbarer, je bedeutender der ihm zugedachte Raum war. Die Inszenierung des Lichts war neben der Seidenbespannung der Wände, den Möbeln, Gemälden und Kunstgegenständen ein zentraler Bestandteil der Raumgestaltung – tagsüber reflektierte der Behang aus Bergkristall oder Glas das Licht in die Tiefe der Räume, abends ließ der Kronleuchter festliche Diners und Bälle funkeln. Die kostspieligen Kerzen wurden übrigens vom Silberkämmerer gehortet und nicht an jeden herausgegeben.
Vom Ballsaal ins Wohnzimmer
Der Übergang vom Rokoko zum Frühklassizismus war gekennzeichnet durch neue Kompositionen nach antiken Vorbildern: Streng und klar und meist zarter und eleganter als im 17. Jahrhundert waren die Kronleuchter nun gestaltet. An den Armen der Metallgestelle, die verziert waren mit Masken, Sphingen oder Mäanderfriesen, hingen nun Glasteile in Form von Eiszapfen oder feinen Perlenketten. Mit der Erfindung der Glühlampe hielt der Kronleuchter dann Einzug in die bürgerlichen Haushalte und diente fortan der schnöden Dekoration. Denn die Industrialisierung im 19. Jahrhundert machte es möglich, dass die einst in reiner Handarbeit gefertigten Kronleuchter nun in Massenproduktion hergestellt werden konnten. Viele Künstler und Architekten machten sich an die Gestaltung des Kronleuchters, wobei sich die Mitglieder der Wiener Werkstätte als besonders einfallsreich erwiesen. Noch heute sind ihre Preziosen erhältlich bei Lobmeyr in Wien, wo man die Lüster in allen Formen und aus verschiedenen Epochen herstellt und 1883 den ersten elektrischen Kristall-Lüster entwickelt hatte. Einige der Prachtexemplare des österreichischen Herstellers sind auch in der Zürcher Ausstellung zu sehen, darunter ein besonders auffälliges Exemplar namens Starbust, das Hans Harald Rath in den sechziger Jahren für die New Yorker Metropolitan Opera entworfen hatte.
Und wer einmal nach Wien kommt, sollte nicht nur die funkelnden Kunstwerke bei Lobmeyr bewundern, sondern auch rasch noch im Gemeinderatssitzungssaal des Wiener Rathauses vorbei schauen. Hier hängt ein Kronleuchter vom Ende des 19. Jahrhunderts – nein, nicht irgendeiner: Er misst fünf Meter im Durchmesser und wiegt 3200 Kilogramm.
Weitere Informationen
Die Ausstellung „Kronleuchter – Juwelen des Lichts“ findet vom 2. Dezember 2010 bis 27. März 2011 im Zürcher Museum Bellerive statt.
In Kooperation mit Light & Glass European Society and Documentation Centre for Chandeliers, Light and Lighting findet am 25. und 26. März 2011 das Symposium „Juwelen des Lichts” statt.
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