Liaison aus Design und Natur
Topfpflanzen sind out. Nicht nur in prestigeträchtigen Vorstandsetagen gilt die kleinteilig domestizierte Flora zunehmend als politisch unkorrekt, weil zu bieder. Auf gut Deutsch: Topfpflanzen sind spießig. Zum ambitionierten Architektur-Projekt von Heute gehört ganz selbstverständlich ein ebenso ambitionierter Garten oder Außenbereich. Wie aber sieht es mit den Innenräumen aus? Welche Möglichkeiten der Begrünung im Sinne einer stimmigen Corporate Identity gibt es? Dass mit herkömmlichen Blumentöpfen kein Blumenpott mehr zu gewinnen ist, wissen die Architekten von Firmenbauten, Museen und anderen öffentlichen Räumen längst. Genau hier gibt es neue Ansätze. Ein Blick auf das Trierer Büro indoorlandscaping oder auch nach Paris zum 2006 eröffneten Musée du Quai Branly zeigt großzügige Grünflächen, die – und das ist neu – in die Vertikale streben. Ganz lässig ranken sich da Blättermatten die Wände hoch und rangieren zwischen Klima-Element und Kunst-Objekt. So zog Bernhard Häring vom Trierer Büro beispielsweise unter die Dachschrägen der Münchner HypoVereinsbank eine 110 Quadratmeter umfassende, u-förmig angelegte Wand ein, die optisch Laune macht und den Konferenzräumen ein angenehmeres Verhandlungsklima verschafft.
Das neue Grün strebt nach Höherem
Auf dieser eigens patentierten Grünen Wand (GrüneWand®), einem Trägermedium mit spezifischem Substrat, gedeihen kleinblättrige Pflanzen wie Soleirolia soleirolii oder Bubiköpfchen und Ficus pumila besonders gut. Nun, was kann das neue Grün? Haben wir der Natur den Raum abgetrotzt, damit sie jetzt auf leisen Sohlen im Designermäntelchen zurückkehrt? Damit sie klammheimlich Vorstandsetagen, Museen und Einkaufspassagen erobert – und bald auch unsere Wohnzimmer? Soll sie nur, denn die Vorteile liegen auf der Hand. Da gibt es zum einen farbpsychologische Aspekte: Die Farbe der Hoffnung beruhigt. Die Hochkantwiese kann aber noch mehr: Sie produziert Sauerstoff, reguliert die Luftfeuchtigkeit, dämmt den Geräuschpegel ein und wirkt somit Stress entgegen. Ein Nachteil könnte die intensive Pflege oder die ständige Kontrolle der Bewässerungsanlage sein, die den Pflanzenteppich mit Feuchtigkeit versorgt. Alle zwei bis drei Monate sollte da ein Fachmann hinzugezogen werden, ebenso wie schon bei der Installierung der Grünen Wand. Aktuell arbeitet das Büro indoorlandscaping mit seiner Vertriebsfirma artaqua daran, die grüne Wand als mobiles Element auch für den privaten Rahmen zu entwickeln.
Dschungel im Design-District
Andreas Schmidt, Geschäftsinhaber von indoorlandscaping, umschreibt sein berufliches Profil als eine Verknüpfung zwischen Architekt, Bauherr und Gärtner. „Wir sind Gestalter und sehen uns als Landschaftsarchitekten für den Innenraum. Wir verbinden die Sprache oder Philosophie eines Architekten mit dem Wissen eines Gärtners: im Kopf die Sprache, an den Füßen Gummistiefel“. Wie groß ist denn da die gestalterische Freiheit innerhalb eines Kundenauftrags tatsächlich? „Man muss sich schon an die Vorstellungen anpassen, aber im Prozess Ideen zu entwickeln ist oft der beste Weg“, erklärt Schmidt. „Ich bin primär kein Klimaplaner, sondern Gestalter!“
Neben der Grünen Wand zeichnet sich Schmidts hochspezialisiertes Team inzwischen für eine Reihe markanter Projekte verantwortlich, wie zum Beispiel die sogenannten „Hängenden Gärten“ in den von Herzog de Meuron konzipierten Fünf Höfen in der Münchner Innenstadt. Den Entwurf der Baseler Architekten hat Schmidts Münchner Partner Bernhard Häring pflanzenphysiologisch umgesetzt: Aus rund 14 Metern Höhe baumeln acht bis zehn Meter lange, efeuartige Ranken von der Decke der mehrstöckigen Shoppingmall. Da fehlen nur noch ein paar Kolibris und Schmetterlinge, um die Illusion vom inszenierten Dschungel perfekt zu machen. Ein Stück kontrollierte Wildnis, umgeben von Designerläden, Cafés und Ausstellungsräumen. Ein anderes Projekt des Büros sieht beispielsweise die Begrünung für die Münchner SWM-Hallenbäder vor.
Natur in der Nische
Natur in der Nische
Noch gilt die neuartige Indoor-Begrünung als Nische. Wie gut man das sogenannte Corporate Green in das Corporate Design eines Unternehmens integrieren kann, hat man auch schon im Ausland verstanden. Neben einem Spa im Moskauer Grand Hyatt Hotel plant das Büro derzeit für die Bank of America die Begrünung des neuen Headquarter Towers in Charlotte, North Carolina, das die Architekten Perkins + Will aus Chicago realisieren. Hier bildet die Verbindung von Ökologie und Ökonomie ein anspruchsvolles Leitthema, das verschiedene Elemente transportiert: Von der Wasserwand über die inzwischen gut etablierte GrüneWand® sollen Wintergärten entstehen, die 21 Meter hoch und 14 Meter breit sind, dazu kommen acht sogenannte Skygärten – verglaste Erker, die neuen Lebensraum für großzügig dimensionierte Pflanzenelemente bieten.
Grenzen sprengende Botanik
Mit seinen senkrechten Pflanzenwänden, den „murs végétaux“, hat sich auch Patrick Blanc , Botaniker des CNRS (Centre Nationale de la Recherche Scientifique) einen Namen gemacht. Er eröffnet dem Grün gern neue Perspektiven, so auch bei seinem spektakulärsten Projekt: Für das von Jean Nouvel geplante und Mitte 2006 eröffnete Musée du Quai Branly verwandelte er die Fassade des Verwaltungstrakts in einen vertikalen Garten, für den er 15.000 Pflanzen – 140 Arten aus der ganzen Welt – auf 800 Quadratmeter verteilte. Ein symbolträchtiger Akt, denn das Museum ist den unterschiedlichen Stammeskünsten und dem Dialog der Kulturen gewidmet. Zumindest die hier gedeihenden Gewächse zeigen, dass eine friedliche Koexistenz im vorgegebenen Rahmen möglich ist. Gleichzeitig wachsen sie wie selbstverständlich in der Vertikalen und stehen damit quasi für einen Richtungswechsel in neue Gefilde. Ob der in die Höhe strebende, neu formatierte Pflanzenbewuchs mehr ist als nur ein Trend, bleibt abzuwarten. Ein Hinweis, gewohnte Denkschemata zu verlassen, ist er allemal. Alles im Grünen Bereich, bleibt da festzustellen.
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