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Lighter than White

von Claudia Simone Hoff, 03.05.2012


Fragil stehen sie auf kleinen Sockeln und leuchten weiß vor schwarzem Hintergrund. Im Gewirr des Triennale-Museums während des Salone del Mobile Mitte April in Mailand konnte der Besucher leicht vorbeilaufen am kleinen Stand mit den fragilen Objekten eines taiwanesischen Porzellanherstellers. Und dabei gab es hier für europäisch geschulte Augen einiges Unerwartetes zu entdecken: New Chi
heißt das Label mit einer Kollektion von extravagant geformten Porzellanstücken, die allesamt von Heinrich Wang entworfen werden.


Der 1953 geborene Taiwanese ist der kreative Kopf des 2003 gegründeten Unternehmens New Chi – was so viel heißt wie „neue positive Energie“. Nach Jobs als Werber, Fotograf, Modedesigner, Schauspieler und Regisseur entschloss sich Heinrich Wang 1987 nach Detroit umzusiedeln, um dort die Kunst des Glashandwerks zu erlernen. Aus den USA brachte er die Idee der künstlerisch ambitionierten Glasherstellung nach Taiwan, was 1994 in der Gründung des Glasherstellers Tittot mündete.

Über die schwierige Umsetzung einer verrückten Idee

Die Idee eines Kunstobjekts – anstatt des Entwurfs reiner Nutzgegenstände – hatte sich Heinrich Wang auch beim Material Porzellan in den Kopf gesetzt. Doch war die Umsetzung dieses Gedankens ungleich schwerer als bei Glas. Um seine technisch anspruchsvollen Objekte herstellen zu können – die erste Kollektion von New Chi kam 2005 auf den Markt –, gründete er eigens in Shanghai eine Porzellanfabrik mit 60 Mitarbeitern, wie sein Sohn David beim Rundgang durch die Ausstellung Lighter than White erzählt. Es ist das erste Mal, dass sich der Hersteller in Europa präsentiert – auf Einladung des Triennale-Kurators. Heinrich Wang ist in der asiatischen Welt des Porzellans und Glases kein Unbekannter. Nicht nur unterhält er eigene Shops in verschiedenen Städten Taiwans sowie in Peking und Shanghai, seine Werke werden auch von Institutionen wie dem Pekinger Palastmuseum, dem Londoner Victoria & Albert Museum oder illustren Privatsammlern wie dem japanischen Architekten Tadao Ando, Prinz Charles oder Lady Gaga geschätzt.

Über schwebende Drachen und den richtigen Weißton

Fünf Jahre tüftelte Heinrich Wang an der technischen Umsetzung seiner Entwürfe. Er arbeitet mit geometrisch diffizilen Formen, mit Ecken und Kanten, hebt das Gleichgewicht der Figuren auf und ist immer auf der Suche nach dem perfekten Weiß – keine optimalen Voraussetzungen für die Herstellung von Porzellan. Denn beim Brennprozess wird das Material deformiert und schrumpft um etwa 15 Prozent, was bei runden Formen weniger ein Problem ist als bei eckigen. Heinrich Wang suchte deshalb jahrelang in Asien und auch Europa nach einem geeigneten Hersteller. Weil er den nicht fand, musste eine eigene Fabrik her. Warum, veranschaulicht im chinesischen Jahr des Drachens die Skulptur Stirring Winds on Water. Die komplette Figur des Drachens steht einzig auf einer Welle, was technisch nur sehr schwer umzusetzen war, wie David Wang erzählt. Hier experimentiert sein Vater Heinrich erstmals auch mit Farbe, sind seine Kreationen doch sonst strahlend weiß gehalten. Auch das Weiß kommt traditionell aus der chinesischen Kultur: Während der Tang- und Qing-Dynastie war das White China genannte Porzellan besonders beim Adel gefragt und auch Heinrich Wang hat sich auf dessen Herstellung verlegt.

Über gewagte Inhalte und Formen

Der Glas- und Porzellankünstler wagt sich aber nicht nur an neue Formen und Herstellungstechniken – er führt auch überkommene chinesische Kunsthandwerkstraditionen fort und setzt diese mit dem Material Porzellan um. Dabei beruft er sich auf Philosophie, Legenden und Symbole aus dem Reich der Mitte. Imperial Memories beispielsweise erinnert an den chinesischen Zun. Dabei handelt es sich um ein antikes Weingefäß aus Bronze oder Keramik, das in Adelskreisen benutzt wurde. Welche skulpturalen Qualitäten Wangs Entwürfe haben, zeigt auch eines der beliebtesten Objekte der New-Chi-Kollektion: Ballet. Der Gefäßteil einer Teekanne sowie einer Teetasse ist nach unten hin spitz zulaufend gestaltet – ähnlich einer Ballerina auf Spitzen –, so dass es den unerwartet aufliegenden Henkel braucht, der die Konstruktion ausbalanciert. So entsteht eine völlig neue Anmutung, ebenso wie es bei Bright Moon der Fall ist.  Während die Tasse samt Unterteller im geschlossenen Zustand wie ein Objekt in Kürbisform mit Drachen-Applikation daherkommt, ist der Drache in geöffnetem Zustand der Henkel einer Tasse. Und dabei passt der „Kürbis-Strunk“ aus Porzellan genau in den Unterteller und hält die Tasse in Position. Dies ist wahrhaftig die hohe Kunst der Porzellanherstellung.  


Weitere Produkte, Entdeckungen und Ausstellungs-Highlights des Salone del Mobile 2012 in unserem Special.

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Links

New Chi

www.new-chi.com

300 Jahre Porzellan

www.designlines.de

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