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LivingKitchen 2013 – Verhaltenes Verhalten

von Claudia Simone Hoff, 22.01.2013


Backofentüren, die verschwinden. Innenausstattungen, die Ordnung in Luxus verwandeln. Grau als neues Schwarz. Fronten, Gerätetüren und Arbeitsflächen aus Glas. Gern auch in Pink oder Gelb. Sägeraues Holz mit Verästelungen. Dampfabzugshauben, die aussehen, als hätte sie Donald Judd entworfen. Digital gesteuerte Kühlschränke. Eines war unübersehbar auf der Kölner Küchenmöbelmesse LivingKitchen: Das Detail ist auf dem Vormarsch, echte Innovationen hingegen machten sich rar.


Auch wenn einige wichtige deutsche Hersteller wie Siematic oder Poggenpohl der LivingKitchen fern geblieben waren: Spannend ist die gestiegene Internationaliät, mit der die zweite Auflage der Messe punkten konnte. Nicht nur kamen mehr Besucher aus Asien nach Köln, auch gingen die italienischen Küchenhersteller zum Angriff über.

Ein Hauch von Italien

Hatte man zur Messepremiere 2011 vergeblich nach ihnen Ausschau gehalten, versammelten sich Minotticucine, Dada, Lago und 1920 Riva in der – zugegeben kleinen – Sonderschau „Ambiente Cucina. Italian Kitchen Show“. Dass hier vor allem die bereits auf der Mailänder Eurocucina vorgestellten Neuheiten zu sehen waren – das verwundert kaum, sind die meisten Hersteller doch schlichtweg zu klein für fortwährende Produktinnovationen. Stattdessen gab es italienisches Design in großartiger handwerklicher Verarbeitung zu sehen. Verständlich, dass dem immer mehr deutsche Hersteller nacheifern – wie man bei Eggersmann beobachten konnte. Minotticucine jedenfalls wartete mit dem feinen Steinmodell Era auf, während Schiffini Cinqueterre von Vico Magistretti und die Wallnussholz-Küche Pampa von Alfredo Häberli auf die Reise nach Köln schickte. Die machte mit einem Detail auf sich aufmerksam: den eingelassenen, ungewöhnlich geformten Griffen.

Glas und Gläsernes

Ebenfalls für seine Detailverliebheit bekannt, feierte der deutsche Hersteller Gaggenau in Köln gleich mehrere Premieren an dem von Chefdesigner Sven Baacke entworfenen Stand in Form eines Schaumagazins: 330 Jahre Unternehmensgeschichte und zwei neue Gerätelinien – durchaus beachtlich für einen Nischenhersteller. Während die Serie 400 mit dem auffälligen Frontüberstand, blendenlosen Oberflächen und grifflosen Türen skulptural anmutet, ist auch die Serie 200 mit (Dampf-)Backofen, Mikrowelle, Espresso-Vollautomat und Wärmeschublade erhältlich –  jedoch mit Vollglasfronten in drei Farbvarianten versehen. Der fragile Werkstoff Glas war neben Holz übrigens überall in Köln zu sehen. Küppersbusch präsentierte seine designaffine, mit Glastüren versehene Einbaulinie Individual, Schüller setzte auf satinierte Glasfronten, und Bosch machte das Material sogar zum übergeordneten Thema seines Messestands. Hier wurde Glas in Kombination mit Farbe zum Trend erklärt (ColorGlass-Edition und SmartCool Color-Edition).

Triumph der Inszenierung

Während der Messestand von Bosch in gleißendem Weiß unterkühlt und aufgeräumt wirkte, hatte sich Neff für eine emotionale Gestaltung entschieden. Denn trotz aller technischen Raffinessen, gerade bei den Elektrogeräteherstellern: Es ist die Präsentation der Produkte in einem inszenierten Rahmen und das unmittelbare Nebeneinander von konkurrierenden Herstellern, die den Reiz einer Messe ausmachen. Nichts scheint besser geeignet, vermeintlich langweilige Küchenmöbel und -elektrogeräte atmosphärisch aufzuladen als frische Lebensmittel und Blumen, Kleinmöbel und feine Tableware.

Auch wenn das Motto „Kochen mit Begeisterung“ wie aus der Marketing-Schublade gezaubert klingt, war die Umsetzung am Stand von Neff überraschend gelungen. An einer Kochinsel bereiteten Köche nicht nur Schnittchen und beerige Drinks zu – eine Gewürz-Präsentation in offenen Schalen gab dem Ganzen die nötige Schärfe. Bei Neff war auch die Backofentür zu sehen, die bei Bedarf verschwinden kann: Slide & Hide heißt das Wunderwerk, das durch die versenkbare Tür das Kochen und Reinigen erleichtert. Auch wenn viele Messestände auf der LivingKitchen gestalterisch eher Mittelmaß waren – gab es neben Neff und Gaggenau noch einige andere Hersteller, die sich so richtig ausgetobt hatten. Die Nase vorn in Punkto Emotionalität hatte neben der Inszenierung Das Haus von Luca Nichetto im Pure Village – mit einer Wohnküche mit Edelstahlmodulen von Alpes Inox – der Stand von Schüller. Meterhoch gestapelte Paletten, als Marktstände inszenierte Küchen und ein Kiosk im Streetstyle fungierten als Plattform für die zwei Kollektionen des deutschen Herstellers.

Die Wohnküche und kein Ende

Die Inszenierung am Messestand von Schüller machte überdeutlich: Der Trend zur Wohnküche ist ungebrochen. Wohl deshalb ist Holz nach wie vor ein wichtiges Thema. Während der italienische Hersteller Boffi das Modell Aprile von Piero Lissoni in seinem Showroom in den Spichernhöfen präsentierte, zeigten holzaffine Hersteller wie Riva 1920 und Team 7 auf der Messe ihre Ideen.

Apropos Wohnküche: Kaum jemanden scheint die mögliche Unordnung auf den Arbeitsflächen oder unangenehmer Essensgeruch davon abzuhalten, das Kochen ins Wohnzimmer zu verlagern. Vielleicht auch deshalb, weil die Hersteller aufrüsten mit luxuriösen Ordnungssystemen für Schränke und Schubladen sowie technisch und gestalterisch ausgeklügelten Dunstabzugshauben. Während Bulthaup in seinem Showroom das wandelbare Ordnungssystem zeigte, kam der Messebesucher bei Leicht mit der Q-Box und vor allem bei Eggersmann aus dem Staunen nicht mehr heraus. Zog man hier nämlich die Schublade auf, entdeckte man ein Detail, das es in sich hat. Das Ordnungssystem Box Tec kommt nämlich richtig luxuriös daher: in Mooreiche, heller Esche, Alcantara, Linoleum und Edelstahl – samt Porzellandosen und Folienabreißer.

Parallel zu den zahlreichen neuen Ordnungssystem waren die Dunstabzugshauben ein wahrer Hingucker. Ist es doch so, dass inzwischen selbst Elektrogeräte zum echten Lifestyle-Produkt avanciert sind. Hersteller, die etwas auf sich halten, haben deshalb Downdraft-Modelle im Programm (Eisinger, Franke, Küppersbusch, Bora, Neff), die nur herausfahren, wenn man sie auch braucht. Franke indes zeigte mit Mercury eine objekthafte Insellösung in klarer kubischer Formensprache: Donald Judd lässt grüßen!

Allein zuhause

Bei so viel Luxus bei Material und Verarbeitung, schierer Größe, kostspieliger Geräte und Sonderzubehör wie TFT-Touch-Displays (Gaggenau), freeInduction (Siemens), selbstreinigenden Backöfen (Bosch), Tepan-Edelstahl-Grills (Bora), automatischen Schubladeneinzügen (Häcker) oder weit schwenkbaren Armaturen (Dornbracht) hat die Küchenindustrie in anbetracht der steigenden Zahl von Singlehaushalten auch an die kleinere Wohnung und den schmaleren Geldbeutel gedacht. Warendorf stellte – fast anachronistisch neben einem sieben Meter langen, sich automatisch öffnenden Modell namens Hidden KitchenSwing in kleineren Ausmaßen vor. Ebenso wie beim Porzellanhersteller Villeroy & Boch, der mit Monumentum nun auch ein platzsparendes keramisches Becken als Eckmodul anbietet. Ebenfalls ein Becken in kompakten Maßen (Blancoelon XL 6 S) hatte das baden-württembergische Familienunternehmen Blanco mit nach Köln gebracht.

Die Rückkehr des Komforts

Hier freute man sich über den Interior Innovation Award 2013 (Kategorie best of best) für das Spülbecken Blancoattika, das auf der Messe erstmals ohne Armaturenbank zu sehen war. In der Linienführung auf das Wesentlich reduziert, kommt so das sorgfältig verarbeitete Material Edelstahl erst richtig zur Geltung. Blanco reiht sich übrigens ein in die Riege der Hersteller, die den Innenraum des Küchenschranks für sich entdeckt haben. Bei Blancoselect wird mit einem ausgeklügelten System Abfall gesammelt – formschön und funktional. Die Allianz von Form und Funktion trifft auch auf die neue Armatur Blancosaga zu. Sie verfügt statt des üblichen Griffs über ein neuartiges Bedienkonzept mit integrierter Steuerung in Form einer schwarz abgesetzten Manschette. Vor- und Rückwärtsbewegungen bestimmen die Wassermenge, während Rechts- und Linksdrehungen für die richtige Temperatur sorgen.   

Frau Sommer und die Kuckucksuhr

Festzuhalten bleibt: Die Küche samt Elektrogeräten und Zubehör ist zum unangefochtenen Lifestyle-Objekt avanciert, das immer luxuriöser wird. Es waren vor allem die Elektrogeräte- und Zubehörhersteller, die auf der LivingKitchen 2013 mit technischen Neuheiten punkteten. Die Küchenmöbelhersteller hingegen ließen den großen Wurf vermissen und zeigten sich stattdessen detailverliebt. Viel wurde ausprobiert: mit Formen, Farben und Materialien.

Fernab der LivingKitchen ließen in Halle 11 übrigens zwei kleine Manufakturen das Herz des Küchen-Aficionados höher schlagen. Hering Berlin präsentierte eine Neuinterpretation der Suppenterrine – deren Deckel praktischerweise gleichzeitig als Etagere dient – sowie mundgeblasene Vasen der Serie Desire. „Habenwollen!“ – das scheint sich auch die Tischlerei Sommer gedacht zu haben und dekorierte ihren Stand kurzerhand mit den Porzellan- und Glaskreationen der Berlinerin. Sie harmonierten perfekt mit den in der eigenen Schreinerei gefertigten Küchen, ebenso wie der neue Geschirrschrank unique mit extravaganten Rollen. Und die goldene Kuckucksuhr? Die hatte Frau Sommer kurzerhand ihrem Mann stibitzt und damit den Stand dekoriert.



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Links

LivingKitchen 2013

www.livingkitchen-cologne.de

imm cologne 2013

www.imm-cologne.de

Unsere Partner auf der LivingKitchen

Blanco

www.blanco-germany.com

Dornbracht

www.dornbracht.com

Vorbericht zur LivingKitchen 2013

www.designlines.de

LivingKitchen 2011

Köln legt nach

www.designlines.de

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