Marcel Wanders
Von sich selbst behauptete der holländische Super Designer einmal, er hätte auch Bauer oder Zahnarzt werden können und wäre in diesen Berufen ebenso erfolgreich geworden. Die letzte leidvolle Zahnbehandlung im Hinterkopf ist man geradezu erleichtert, dass Marcel Wanders stattdessen seit bald 20 Jahren mit ungewöhnlichen, progressiven Möbelentwürfen die internationale Designszene aufmischt.
Anfang der 90er Jahre schloss sich der Holländer der eben gegründeten Bewegung Droog Design an, einer Gruppe junger Kreativer, unter ihnen auch Richard Hutton und Jurgen Bey. Das Netzwerk fördert heute noch junge, unkonventionell arbeitende Designer und bewegt sich im Spannungsfeld von Kunst und Produktdesign. Die beteiligten Designer setzen sich humorvoll mit Fragen nationaler Identität, Funktionalismen und sozialer Verantwortung auseinander.
1995 gründete Marcel Wanders ein eigenes Designstudio, „Wanders Wonders“, das Anfang des neuen Jahrtausends durch gesellschaftliche Umstrukturierungen in der dazu neu gegründeten Firma „Moooi“ aufging. „Moooi“, eigentlich „Mooi“ ist das holländische Wort für „schön“. Gegenwärtig betreibt er in einer ehemaligen Autowerkstatt in Amsterdam das „Marcel-Wanders-Studio“, entwirft Möbel und Accessoires für international agierende Firmen, wie Cappellini, Moroso und Flos und ist Chef-Designer von Moooi.
„Wenn wir designen wollen, müssen wir etwas Neues machen. Es ist unmöglich Tag für Tag mit den gleichen Regeln zu spielen und dabei die Welt zu verändern.“
Das Leben immer wieder mit anderen Augen betrachten und sich nicht an Formalismen festhalten sind die ausgesprochenen Credos des erfolgreichen Holländers. Mit seinen Entwürfen, so sagt er, will er Neues, Unverwechselbares schaffen, den Alltag der Menschen irritieren und ihnen als Inspirationsquelle dienen.
Die Funktion der Dinge sieht er nicht in ihrem Gebrauch sondern in ihrer Fähigkeit, in Kommunikation mit der Umwelt zu treten. Dies erfordert, wie in der Architektur, für jede Situation eine völlig neue Auseinandersetzung mit der gestellten Aufgabe.
Vielleicht ist es diese kompromisslose Konsequenz seiner Entwürfe, die einen offensichtlich einheitlichen Stil verhindert und stattdessen für individuelle und situationsbezogene Lösungsansätze sorgt. Einige seiner theatralisch anmutenden Entwürfe, darunter der „Knotted Chair“ (1996), ein Sessel „gestrickt“ aus einem Seil mit einem Karbon-Kern, stehen bereits im Museum of Modern Art in New York. Das Ende der sprudelnden Kreativität des Holländers scheint noch lange nicht in Sicht.
Der Designer als Architekt
Marcel Wanders entwickelt, neben seinen Produktentwürfen, wie die Leuchte „Zeppelin“ für Flos, „Big Shadows“ für Cappellini, etc. auch Architekturkonzepte mit eigenen Möbelkollektionen.
Die Lute Suites etwa, ein individuell gestaltetes Luxushotel der besonderen Art am Stadtrand von Amsterdam. Das Hotel ist auf sieben kleine Arbeiterhäuser aus dem 18. Jahrhundert verteilt. Jedes der zwischen 60 und 80 qm großen Apartments hat den Charakter eines Privathauses und ist für den dauerhaften Aufenthalt der Gäste mit eigenem Eingang, Kitchenette, Wireless Lan und natürlich allen Annehmlichkeiten eines Hotels - einschließlich Frühstück auf dem Zimmer – ausgestattet.
Dem Blits, einem in die Jahre gekommenen gläsernen Pavillon der Architekten Mecanoo in Rotterdam, das heute ein Restaurant beherbergt, verpasste der Designer eine ganz eigenwillige, die Grenzen zum Kitsch deutlich streifende Atmosphäre: Mit übergroßem Rosendekor verzierte Trennwände und aufgeständerte hochglanzlackierte Separees sollen den Raum in eine Bühne verwandeln, die jeden Gast zum Protagonisten seines eigenen Theaterstückes macht. Die grandiose Aussicht auf den Westhafen blieb erhalten und wurde auf diese Weise zu einem Element der Inszenierung.
Und der Erfolg geht weiter:
Anfang dieses Jahres erwarb B&B Italia, eine der führenden internationalen Möbelfirmen, 50% der Anteile an Moooi. Ein sehr ungewöhnlicher Schritt für den Hersteller, der normalerweise nur italienische Designfirmen investiert.
Ob Marcel Wanders da bleibt, wo er ist oder ob er nächste Woche bereits etwas ganz Neues plant?
Seine Regel ist keine Regel. Zumindest darauf kann man sich bei ihm eigentlich immer verlassen.
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