Max Bill - ein Porträt zum 100. Geburtstag
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Zürcher Bahnhofstraße, Furka-Pass im Kanton Uri oder Bauhaus-Archiv in Berlin – so verschieden diese Orte auch sein mögen, sie haben eines gemeinsam: Es sind Orte, an denen Werke von Max Bill (1908 – 1994) stehen. Seine Plastiken verwischen die Grenzen zwischen Bildhauerei, Architektur und Malerei. Bill war aber nicht nur als Bildhauer tätig, sondern vereinte viele kreative Talente in sich: Maler, Grafiker, Produktgestalter, Architekt, Typograf, Theaterausstatter, Theoretiker, Publizist, Pädagoge und Politiker im Schweizer Nationalrat. Mit seinem Wirken als Rektor der Ulmer Hochschule für Gestaltung hat Bill Generationen von deutschen Designern geprägt. Dieses Jahr wäre er 100 Jahre alt geworden: Zeit für einen Rückblick.
Vom Bauhaus zur HfG Ulm
Max Bill, der eine Silberschmiedelehre an der Zürcher Kunstgewerbeschule abgebrochen hatte, verbrachte als Student der Architektur Ende der 1920er Jahre drei Semester am Bauhaus in Dessau. Zu seinen dortigen Lehrern zählten Wassily Kandinsky, Paul Klee, Oskar Schlemmer und Laszlo Moholy-Nagy. Das 1919 von Walter Gropius gegründete Bauhaus verknüpfte Kunst und Technik mit einer sozialen Zielvorstellung: Die Kunst – und hier vor allem Architektur und Design – sollte sich an den Interessen und Bedürfnissen breiter Bevölkerungsschichten orientieren. Deshalb waren Bills Jahre am Bauhaus geprägt durch Gestaltungsvorgaben wie Typisierung, Normierung, serielle Herstellung und Massenproduktion.
Nach dem Bauhaus war die HfG Ulm die prägende Schule des deutschen Designs im 20. Jahrhundert. Sie verstand sich als direkte Nachfolgerin des Bauhauses. Max Bill war neben Inge Scholl, Otl Aicher und Walter Zeischegg einer der Initiatoren der HfG und ihr erster Rektor. Fand der Unterricht anfangs noch in einem provisorischen Gebäude statt, wurde 1955 das von Bill geplante, auf einem modularen Raumraster aufgebaute Gebäude eröffnet. Bei der offiziellen Eröffnungsfeier stellte Bill das Konzept der Hochschule folgendermaßen dar: „die gesamte tätigkeit an der hochschule ist darauf gerichtet, am aufbau einer neuen kultur mitzuarbeiten, mit dem ziel, eine mit unserem technischen zeitalter übereinstimmende lebensform zu schaffen.“ Die Grundlehre an der HfG war stark vom Bauhaus beeinflusst und entwickelte eine exakt mathematisch-geometrische Methodik. Architektur und Produktgestaltung waren bestimmt durch Elementbauweise, vorfabrizierte Bauteile, Fertigungsorganisation und Modularordnungen. Dabei konzentrierte man sich auf die Entwicklung und Gestaltung von industriell gefertigten Massenprodukten. Kunsthandwerkliche, individualisierte Objekte standen deshalb nicht hoch im Kurs. Einige Absolventen der HfG waren später als Designer in Großunternehmen tätig und nahmen starken Einfluss auf die deutsche Produktgestaltung, die fortan unter dem Begriff der „guten Form“ firmierte. Die Firma Braun ist ein gutes Beispiel dafür: In den 1950er Jahren hatte das Unternehmen zusammen mit der HfG und Hans Gugelot eine neue Gerätelinie zu entwickeln begonnen, ehe Dieter Rams das Design des Unternehmens maßgeblich verantwortete.
Kunst als „Gegenstand für den geistigen Gebrauch“, Design als „Produktform“
Max Bill unterschied zwischen praktischen Gebrauchsgegenständen und “gegenständen für den geistigen gebrauch”, wozu er die Werke der konkreten Kunst zählte. Als Maler und Grafiker wird Bill neben Camille Graser, Richard Paul Lohse und Verena Loewensberg der „Zürcher Schule der Konkreten“ zugerechnet. 1949 publizierte Bill in der Zeitschrift „Werk“ den Text „Die mathematische Denkweise in der Kunst unserer Zeit“, in dem er seine Idee von konkreter Kunst zusammenfasst: Danach sei die Kunst weitgehend auf Grundlage einer mathematischen Denkweise zu entwickeln. Einige Jahre zuvor, 1936, lieferte Bill mit dem Text „konkrete gestaltung“ ein theoretisches Fundament der gestalterischen Praxis, die auf seine Erfahrungen am Bauhaus zurückzuführen sind. Kunstwerke sollten – wie immer hatte Bill seine Texte in der radikalen, vom Bauhaus übernommenen Kleinschreibung verfasst – „ohne äusserliche anlehnung an naturerscheinungen oder deren transformierung, also nicht durch abstraktion“ entstehen. Das Jahr 1936 bedeutete für Bill den Durchbruch: Er gestaltete den Schweizer Pavillon auf der Mailänder Triennale, in dem er eine Verbindung zwischen Malerei, Plastik und den funktionellen Bedürfnissen des zu gestaltenden Raumes herstellte.
In den Jahren 1940 bis 1960 war Bill hauptsächlich mit der Gestaltung von Gegenständen beschäftigt. Er selbst spricht allerdings nicht von „Design“, sondern von „Produktform“, die für ihn denselben Rang wie die Kunst einnimmt. Bill war als Produktgestalter für die Industrie tätig und entwarf so unterschiedliche Gegenstände wie Schreibmaschinen, Deckenleuchten, Höhensonnen oder Haarbürsten mit integriertem Spiegel. Sein berühmtestes Werk ist sicherlich der„Ulmer Hocker“, den er 1954 zusammen mit Hans Gugelot an der HfG entwickelte. Dieser leichte Hocker vereint verschiedene Funktionen: Man kann ihn als traditionellen Hocker zum Sitzen verwenden, als Beistelltisch und einstufige Trittleiter oder als Transportbehälter. Bill entwarf neben unzähligen Gemälden, Skulpturen und grafischen Werken auch Metall-Leuchten, hölzerne Stuhl- und Tischmodelle wie den „Kreuzzargenstuhl“ (1951), das Plakat der Werkbund-Wohnausstellung Neubühl (1931) und eine, besonders bei Architekten beliebte, Armbanduhr für den Uhrenhersteller Junghans. Für diesen hatte Bill bereits 1955 das Zifferblatt einer Wanduhr gestaltet. Sie ist beispielhaft für das zeitlos klare, auf mathematischen Grundformeln beruhende Design des Künstlers. Die Verwirklichung der Idee eines eigenen Museums konnte Bill nicht mehr miterleben: Er starb am 9. Dezember 1994 auf dem Berliner Flughafen Tegel.
Max Bill 2008
Anlässlich des 100jährigen Geburtstages von Max Bill kommt im Sommer 2008 ein Filmvon Erich Schmid zum Leben und Werk des Künstlers ins Kino. Das Ende der 1960er Jahre von Bill selbst entworfene Atelier- und Wohnhaus in Zumikon bei Zürich kann im Rahmen von Ausstellungen und Veranstaltungen besucht werden. Dort befindet sich auch ein Teil des Nachlasses, der seiner zweiten Ehefrau zugesprochen wurde, während der andere Teil in die Bill-Stiftung übergegangen ist. Zur Doppelausstellung im Winterthurer Kunstmuseum und Gewerbemuseum, die noch bis zum 12. Mai 2008 läuft, ist ein informativer Katalog erschienen: Kunstmuseum Winterhur/Gewerbemuseum Winterthur (Hrsg.): Max Bill: Aspekte seines Werkes. Sulgen/Zürich 2008.
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