Memento Mori on Ice
Eiszeit: Gefrorene Pflanzenarrangements von Azuma Makoto.
Für die Vergänglichkeit des Lebendigen und seiner Schönheit hat die Kunst ein Wort: Vanitas. Einen flüchtigen Moment lang existiert es, das vollkommen Ästhetische. Dann welkt das, was gerade noch blühte, schlaff dahin. Der japanische Blumenkünstler und Besitzer eines Haute-Couture-Blumenladens, Azuma Makoto, nimmt für viele Phytologen den Rang eines Popstars ein. Seine jüngste Installation friert die Vergänglichkeit kurzerhand ein – im wortwörtlichen Sinne.
Hierzulande gilt das Arrangieren von Gestecken als anachronistisches Hausfrauen-Hobby und ist nicht einmal eine eigene Vokabel wert. In Japan ist Ikebana eine geschätzte Kunstform, die weniger vom Dekorationswillen angetrieben wird, als von ihrer meditativen Wirkung, dem visuellem Rhythmus und harmonischen Farbkompositionen. Azuma Makoto entwickelt die Traditionen seiner Heimat weiter; hängt entwurzelte Bäume unter die Decke eines Raumes, verklammert mit nachdrücklichen Sci-Fi-Reminiszenzen Pflanzen in Metallskeletten und presst Blütenblätter in Laborflaschen. Bei einem seiner jüngsten publikumswirksamen Geniestreiche entließ er Bonsais und Bouquets mittels Heliumballons in die Stratosphäre.
Schönheit schockgefroren
Nun also begibt Azuma sich für sein Projekt Iced Flowers auf die Spuren von Batmans Mr. Freeze und lässt nicht nur die Zeit, sondern auch die Natur in Eis erstarren. Schauplatz der Installation ist ein Fabrikgebäude zwei Stunden nordwestlich von Tokio, in dessen industriellem Betonambiente sechzehn gefrorene Wasserblöcke exotische Blumen in Szene setzen. Schon Wochen vorher begann Azuma mit seinem Team, Pflanzen in entlegenen Teilen der Welt zu bestellen, zu arrangieren und in großen Bottichen zum Gefrieren einzulegen. Über Tage erstarrten hunderte Liter Wasser zu Eis, wurde aus jedem zarten Gesteck ein massiver, transparenter Block. Spotlights bringen die kristallklaren Kuben nahezu dramatisch zum Glühen, die dunkle Atmosphäre der verlassenen Fabrik tut ihr Übriges.
Ein Wochenende Eiszeit
„Die Blumen werden, platziert in einer so fremdartigen Umgebung, einen anderen Ausdruck als den alltäglichen zeigen“, sagt Azuma über seine Arbeit. Gleichzeitig verschiebt er damit auch seine eigene Perspektive. Jedes seiner Arrangements ist vom Wandel geprägt – und davon, den richtigen Winkel und den richtigen Augenblick einzufangen. Die Installation Iced Flowers zögert den Moment des Welkens hinaus, ist aber gleichzeitig ein Trugbild. Denn eigentlich ist die Schönheit der Pflanzen längst vergangen. Sobald das Eis schmilzt, werden die Blumen von ihrem tatsächlichen Zustand eingeholt und in den gnadenlosen Kreislauf des Lebens zurückgeworfen.