Neue Antiquitäten
Duftige, helle Baumwollvoiles und hölzerne Überseekisten in lichtdurchfluteten Räumen waren das Szenario für den ersten Auftritt des Unternehmens Meta. Am Rande der Mailänder Möbelmesse 2008 stellte das neu gegründete Unternehmen seine erste Kollektion von Möbeln und Accessoires vor. Die Zusammenarbeit mit renommierten Designern wie Tord Boontje, BarberOsgerby, Asymptote, Matali Crasset und Wales & Wales und den – nach Aussagen der Initiatoren „besten Handwerkern der Welt“ – weckte hohe Erwartungen beim anspruchsvollen Publikum.
Der ehrwürdige britische Antiquitätenhandel Mallett, gegründet 1865, steckt hinter dieser gut bewachten Inszenierung. Was die Einzelstücke so wertvoll macht, ist die Art ihrer Herstellung: Handwerkstechniken aus der Zeit von 1700 bis 1800 sowie vom Unternehmen aufwändig rekonstruierte Verfahren und Materialien bildeten die Ausgangsidee für diese „neuen Antiquitäten“. Mallett selbst ist auf Möbel, Uhren und Objekte aus der Zeit Chippendales um 1750 spezialisiert, die in Niederlassungen in London und New York restauriert und verkauft werden. Die Motivation zur Gründung der Tochterfirma Meta liegt wohl in der drohenden Krise des Antiquitätenmarktes und dem sich verändernden Geschmack einer jüngeren Kundschaft. Mit hochwertigen Einzelstücken frischen, zeitgenössischen Designs lassen sich auch Käuferschichten mit „jungem Geld“ ansprechen. Dazu soll Mallett laut Financial Times bisher eine Million britische Pfund in das Meta-Projekt investiert haben. Mit positiven Bilanzen wird in etwa drei bis vier Jahren gerechnet.
Alte Techniken, neues Design
Meta beauftragte Louise-Anne Comeau and Geoffrey Monge als Kreativdirektoren, die bereits für Swarovski Crystal Palace, Stella McCartney und das Luxus-Unternehmen LVMH (LouisVuittonMoëtHennessy) tätig waren, mit der Auswahl der Designer. Diese wurden dann mit den alten Handwerkstechniken und Materialien vertraut gemacht, was schließlich zur Gestaltung außergewöhnlicher Objekte führte. So entwickelte Matali Crasset beispielsweise die Leuchte „Diamonds are a girl’s best friend 1“ aus der Silber-Nickel-Legierung Paktong, die im 18. Jahrhundert aus China eingeführt wurde. Selbst die Glasscheiben der als Laterne ausgeführten Leuchte wurden nicht, wie heute üblich, mit Maschinen hergestellt, sondern mundgeblasen. Der Beistelltisch „Ivo_03“ von Hani Rashid und Lise Anne Couture vom New Yorker Architekturbüro Asymptote, wurde in der russischen Stadt Tula gefertigt. Tula ist seit der Zarenzeit bekannt für eine spezielle Stahl-Legierung, deren Oberfläche bläulich schimmert. Aus dieser Stahl-Legierung wurden im 18. Jahrhundert feine Möbel und Accessoires gefertigt, bei denen der Stahl teilweise auch per Facettenschliff veredelt wurde. Der Tischfuß von „Ivo_03“ schimmert dann auch ähnlich blau wie die originalen Stücke aus Tula. Das Londoner Design-Duo BarberOsgerby beschäftigte sich mit Murano-Glas. Die bekannte venezianische Glashütte Venini, die für eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit Künstlern und Designern steht, war für die Herstellung des Entwurfs „Cupola Reading Table“ verantwortlich. Der kleine Tisch mit Leuchte, der aus sieben übereinander gestapelten, rotationssymmetrischen Teilen besteht, forderte die Fähigkeiten der Glasbläser bis auf das Äußerste heraus. Die charakteristische kuppelförmige Leuchte des Lesetisches liegt mit ihrem großen Volumen an der Grenze dessen, was Glasbläser ohne Maschinen herstellen können. Die aus vorerst sechs Stücken bestehende Kollektion besteht neben Möbeln auch aus kleinerer Objekten wie Silberleuchtern und Schmuckschatullen.
Design auf dem Weg zur Kunst?
Angesichts der 3d-Plotter und Lasersinter-Verfahren, die heute die Herstellung dreidimensionaler Formen ermöglichen, die weder handwerklich noch mit herkömmlichen Maschinen zu fertigen sind, wirkt das Meta-Konzept wie eine Gegenbewegung, die die Nähe zur Kunst sucht. In einer Welt des Massenkonsums, in der inzwischen fast alles unter dem Label „Design“ vermarktet wird, rückt bei Meta der ideelle Wert der mit großem Aufwand betriebenen, handwerklichen Fertigung in den Mittelpunkt. Und so ist auch die kulturelle Relevanz der Stücke unbestritten: Wenn sich Designstars von heute mit traditionellen Techniken auf diesem hohen Niveau beschäftigen, entsteht eine überaus komplexe Auseinandersetzung mit der Herkunft der Dinge.
Das vielleicht ungewöhnlichste Stück der Meta-Kollektion ist die „Fig-Leaf-Wardrobe“ von Tord Boontje. Es handelt sich um eine Garderobe mit einer schwenkbaren Hülle aus 616 handemaillierten Weinblättern. Der niederländische Designer mit Studio in London ist für seine verspielten floralen Ornamente bekannt. Und so demonstriert dieser Entwurf vielleicht am deutlichsten den Spaß, den moderne Gestalter haben können, wenn Kosten einmal nicht die oberste Prämissen sind, unter denen Design entsteht. Die Garderobe, die eher einem Szenenbild als einem simplen Objekt gleicht, wurde dem Mailänder Publikum zwar bereits gezeigt, offiziell jedoch erst am 12. Mai in New York mit weiteren vier Stücken als Erweiterung der Kollektion vorgestellt. Die Preise beginnen bei etwa 25.000 Euro. Zu haben sind die Objekte ab Juni in der Londoner Dependance von Mallett, natürlich in der feinen Londoner New Bond Street und: nur auf Bestellung.
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