Ofuro, Sentō und Onsen
Baden dient in Japan mehr als nur der Hygiene: Neben dem Körper soll sich auch der Geist vom stressigen japanischen Alltag erholen dürfen. Baden - sei es nun im heimischen Bad, dem sogenannten „Ofuro“, oder im öffentlichen Bad dem „Sentō“ - hat aber auch eine starke soziale Komponente. Aus Japans Erde dampft also förmlich die exotische Badelust! Dabei kann es für manchen Ausländer, im Fernen Osten des Öfteren etwas despektierlich als „gaijin“, als "Mensch von draußen" bezeichnet, zu unvorhergesehenen Fettnäpfchen und peinlichen Situationen kommen.
Die japanischen Badekultur hat eine lange Tradition. Ausgrabungen haben bewiesen: Die Bewohner Nippons badeten bereits vor zehntausend Jahren in heißen Quellen. Die japanischen Inseln befinden sich an der Schnittstelle dreier Kontinentalplatten, die dem Land nicht nur eine Vielzahl aktiver Vulkane und gefährlicher Erdbeben, sondern, als positiver Nebeneffekt, viele heiße Quellen bescheren. Fast zweieinhalbtausend Kubikmeter Wasser sprudeln pro Minute aus über 25.000 Quellen, die über das ganze Land verteilt sind.
Ofuro, das private Bad
Bis vor etwa 30 Jahren hatten auf Grund der strengen Feuerschutzbestimmungen die meisten Wohnungen in Japan gar kein Badezimmer. Das hat sich mittlerweile zwar geändert, doch das japanische Bad sieht, verglichen mit dem mitteleuropäischen, immer noch grundlegend anders aus. Es besteht aus zwei unterschiedlichen Bereichen: einer fast quadratischen Badewannne und dem Bereich außerhalb der Wanne. Hier schöpft man mit Hilfe kleiner Schüsselchen heißes Wasser aus der Wanne, um sich erst einmal gründlich abzuschrubben und ausgiebig zu waschen. Erst danach begibt man sich in das über 40 Grad Celsius heiße Badewasser. Die Hitze gilt als Voraussetzung für völlige Entspannung. Sehr wichtig ist es, sich vor dem Wannenbad gründlich vom Seifenschaum zu befreien, um das Badewasser nicht zu verunreinigen. Bis zum 19. Jahrhundert verwendete man in Japan übrigens keine Seife, sondern rieb die Haut mit bestimmten Kräutern oder Reiskleie ab: gleichzeitig ein natürliches Peeling.
Öffentliches Baden im Sentō
Seit dem 13. Jahrhundert entwickelte sich in Japans Städten eine öffentliche Badekultur, die hier bis heute eine wichtige soziale Funktion einnimmt. Man besuchte öffentliche Waschhäuser, die es zahlreich und in unmittelbarer Nachbarschaft gab. Viele dieser Sentos sind bis heute erhalten: Die Dusche zuhause ersetzt offenbar nicht vollständig das wohltuende Bad in gemeinschaftlicher Runde. Dieser soziale Aspekt eines Besuches im Sento ist kaum zu unterschätzen. Man kennt sich, trifft sich für eine Stunde beim Waschen und pflegt den nachbarschaftlichen Kontakt. In den Sentos scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Sie sind vielfach immer noch in Familienbesitz, die Atmosphäre ist von nostalgischem Charme geprägt. Doch sind viele der Badehäuser baufällig und, wie die traditionellen Stadtteile, in denen sie stehen, vom Abriss bedroht. Eine Kultur droht zu verschwinden oder passt sich den Notwendigkeiten einer schnelllebigeren Zeit an: Man trifft im Sento nicht mehr den langjährigen Nachbarn, sondern nur noch Touristen und Fremde.
Onsen: Himmlische Qualen in heißen Quellen
Genau wie das Sento ist ein Onsen ein öffentliches Bad, mit dem Unterschied, daß das Onsen über eine natürliche heiße Quelle verfügt, die zumeist aus nahgelegenen Vulkanen gespeist wird. Die meisten Onsen findet man auf dem Land, doch es gibt auch ein paar in Städten. In Tokio gibt es 25 solcher Badehäuser.
In den Onsen, die von keinem nahegelegenen Vulkan mit heißem Wasser versorgt werden, beheizt man das Wasser künstlich und versetzt es mit therapeutisch wirkenden Kräutern. Städte mit vielen Onsen sind in Japan Kurorte nach westlichem Vorbild und man erkennt sie daran, dass ihrem Namen ein „-Onsen“ ängehängt ist. Viele Onsen haben auch andere Spa-Einrichtungen: künstliche Wasserfälle, Massageangebote und Saunen. Dennoch haben sich einige der berühmtesten, wie das Tsuru-no-Yu in Akita, ihre Ursprünglichkeit erhalten und verzichten auf solche Zusatzangebote.
Das Onsen dient heute in der japanischen Kultur vornehmlich zum Entspannen nach der Arbeit. Wie auch beim Sento wäscht man sich vor dem Eintauchen in ein Onsen-Becken gründlich. Vor dem Bad gibt es einen Umkleidebereich, in dem die Kleidung in einen Korb oder ein Schließfach abgelegt wird. Zur Onsen-Ausrüstung gehört ein kleines Handtuch, das man zum Schweißabwischen auf die Stirn legen kann, außerdem kann man es schamhaft vor den Intimbereich halten. Und auch hier gilt: Bevor man ins Wasser steigt, nimmt man sich ein kleines Bänkchen und eine Schüssel und begibt sich zu einem der zahlreichen Waschplätze mit Kalt- und Warmwasser an einer Wand des Baderaumes.
Geduscht wird dort im Sitzen auf dem Bänkchen, oder man überspült sich mit Wasser aus der Schüssel. Frisch gepflegt steigt man dann ins Badebecken. Da das Wasser in der Regel sehr heiß ist, sollte man nicht zu lange darin verbringen und vor dem Eintauchen unbedingt die Temperatur mit dem Fuß testen.
Fauxpas, Missgeschicke und Tücken
Wer noch nie in einem Onsen war, sollte sich zunächst mit dem Regelwerk des japanischen Badens vertraut machen. Die meisten Regeln betreffen dabei die Sauberkeit. Der ungewaschene Körper sollte, genau wie das kleine Waschtuch, auf keinen Fall mit dem Onsenwasser in Berührung kommen. Wichtig ist es allerdings auch, andere Badegäste nicht zu belästigen und dem Beckennachbarn kein Gespräch aufzwingen. Auch Spritzen und Planschen sind weniger gern gesehen. Small-Talk über die neueste Bademode also unbedingt vermeiden, um dem Klischee eines „gaijin“ erst gar keine Nahrung zu liefern.
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