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Schön scharf

von Jasmin Jouhar, 15.04.2010


Waffen spielen in unserem Alltag eine eher untergeordnete Rolle. Zum Glück natürlich, denn wer eine Waffe trägt, hat Angst und glaubt, verteidigungsbereit sein zu müssen. Bedenkenlos wettgerüstet werden sollte eigentlich nur an einem zivilen Ort: der Küche. Dafür kann es hier aber nicht gefährlich genug zugehen – bekanntlich ist die wichtigste Eigenschaft eines Küchenmessers seine Schärfe. Nichts ist frustrierender, als wenn man beim Zwiebelhacken oder Tomatenschneiden abrutscht, anstatt einen schönen, glatten, geraden Schnitt zu setzen. Welches Messer aber die Waffe der Wahl ist, darüber existieren vermutlich so viele Meinungen, wie es ambitionierte Hobbyköche am Edelstahl-Küchenblock gibt. Eines aber ist klar: Vor dem Messerkauf muss als erstes die Frage „Japanisch oder europäisch?“ beantwortet werden.


Denn die Welt der Küchenmesser hat zwei Zentren – das eine liegt in Japan, das andere in Solingen. Und so weit auseinander wie diese beiden Orte auf dem Globus liegen auch die jeweiligen Messerphilosophien. Das fängt schon bei der Art und Weise des Schneidens an. Während ein japanisches Messer mit einer gleichmäßigen Vor- und Rückwärtsbewegung durch den Sushi-Lachs schneiden soll, empfiehlt sich beim europäischen Messer eher eine Wiegetechnik, bei der das Lebensmittel von oben nach unten durchtrennt wird. Gut schneiden kann man natürlich mit beiden Messerarten, weswegen die Wahl letztlich eher eine Glaubens- oder Geschmacksfrage ist. Die Popularität von japanischen Messern hat allerdings hierzulande in den letzten Jahren stark zugenommen – wer möchte nicht flink und elegant wie ein Sushi-Meister die Klinge schwingen?

Nichts für nachlässige Naturen

Japanische Messer kann auch der Laie auf den ersten Blick erkennen: Klinge und Griff sind gestalterisch klar voneinander abgesetzt. Sie haben einen charakteristischen Holzgriff, in dem die Klinge steckt. Zusammengehalten wird das Ganze von einem Ring. Traditionelle Messer bestehen aus exquisiten Materialien wie Magnolienholz oder Büffelhorn. Die Klingen sind von Hand geschmiedet und aus mehreren Lagen unterschiedlich harten Stahls zusammengesetzt. So sind die Messer gleichzeitig beständig und elastisch. Doch für eher nachlässige Zeitgenossen taugen sie nichts: Denn die Klingen können rosten und müssen daher immer sofort nach Gebrauch gespült und getrocknet werden. Auch die Holzgriffe vertragen es nicht, im Spülwasser zu liegen. An die Spülmaschine sollte der Besitzer japanischer Messer nicht einmal denken. Mittlerweile bringen Hersteller wie Global, Chroma oder KAI auch Japan-Messer in Edelstahl und in einer zeitgenössischen Designsprache auf den Markt. Aber die Aura des traditionellen fernöstlichen Küchenutensils geht diesen High-Tech-Erzeugnissen natürlich ab. Wie übrigens auch Messern mit Klingen aus Keramik. Die sind zwar leicht, aber sehr bruchempfindlich.

Das Tugendhafte

Der Klassiker unter den Japanern ist das „Santoku“: Der Name bedeutet „Messer der drei Tugenden“ und bezieht sich darauf, dass das „Santoku“ gleichermaßen für Fisch, Fleisch und Gemüse geeignet ist. Also ein Allround-Werkzeug, das sich als Einstiegsmodell für alle empfiehlt, die sich endlich mal ein anständiges Messer zulegen wollen. Der Messerrücken und der Griff bilden beim „Santoku“ eine Linie, während die Schneide – anders als bei europäischen Modellen – weit über den Griff hinausragt. So bleibt bei der Arbeit noch genug Raum für die Finger. Ein gutes „Santoku“ liegt ausgewogen in der Hand und ist in der traditonellen Ausführung mit Holzgriff auch vergleichweise leicht. Inzwischen haben viele europäische Hersteller ein Modell in „Santoku“-Form im Programm – wohl als Antwort auf den Erfolg der japanischen Messer. Auch viele Profi-Köche schwören auf die Schmiedewaren aus Japan, sie gelten als besonders scharf.

Solinger Qualität

Aber auf nach Europa: Hier wird die Kunst des Messerschmiedens vor allem in Frankreich, in der Schweiz und in Deutschland hochgehalten. Die europäische Messerhauptstadt ist aber zweifellos Solingen in Nordrhein-Westfalen. Dort ballt sich das Know-How zahlreicher Hersteller wie Zwilling, Güde, Wüsthof, Windmühlenmesser oder Solicut. Auch in Japan kann die Qualität Solinger Erzeugnisse nicht unbemerkt geblieben sein: Wer schon mal in einem der auf den Geschmack japanischer Touristen zugeschnittenen Souvenirläden in Frankfurt, Heidelberg oder München gewesen ist, dem wird vermutlich das breite Sortiment Solinger Messer und Wetzstähle aufgefallen sein. Auch das gute, alte Schweizer Armeemesser ist in diesen Läden bestens vertreten. Es ist bei Messern auch nicht anders: Das Fremde übt eben einen größeren Reiz aus als das Wohlbekannte.

Die Allzweckwaffe

Das Solinger Äquivalent zum „Santoku“ ist das sogenannte Kochmesser – wie das Tugendhafte ist auch das Kochmesser eine Allzweckwaffe. Die gebogene Klinge aus Edelstahl ist mit rund 20 Zentimetern relativ lang, was manchem Hausmann oder mancher Hausfrau vielleicht zu unhandlich erscheinen mag. Aber dafür bietet die lange Schneide verschiedene Bereiche mit verschiedenen Fähigkeiten: Mit der Spitze und dem vorderen Teil können kleine Gemüse wie Pilze oder Zwiebeln zerkleinert werden. Mit dem mittleren Teil lassen sich sowohl harte wie weiche Lebensmittel schneiden, und die gebogene Form ermöglicht das Wiegen und Hacken von Kräutern. Am hinteren Teil der Klinge ist die Kraftübertragung am besten, der Fachmann zerteilt damit beispielsweise Gräten. Eines darf man aber weder mit dem Kochmesser noch dem „Santoku“ je machen: Knochen hacken. Dafür gibt es spezielle Hackbeile. Wer sich das Geld dafür sparen will, holt sich im Baumarkt ein kleines Beil für Kaminholz. Das tut es auch.

Kleine Hersteller, gute Qualität

Womit wir bei einem nicht ganz unwichtigen Aspekt des Küchenmesser-Themas wären: dem Preis. Ein handgeschmiedetes Japan-Messer oder ein gutes Solinger Stück mit speziellem Schliff und Griff aus Kirschbaumholz schlagen schnell mit einem dreistelligen Betrag zu Buche. Ein etwas schlichteres, aber trotzdem belastbares, geschmiedetes Kochmesser kann zwar etwas weniger kosten. Aber von Billigware sollte auch der Hobbykoch die Finger lassen – günstigere Messer halten einem Dauereinsatz einfach nicht stand und stumpfen ab. Wer nämlich sein Messer pfleglich behandelt, richtig aufbewahrt und regelmäßig vom Fachmann nachschleifen lässt, der kann damit viele Jahre Gulaschfleisch kleinschneiden. Das relativiert den Anschaffungspreis. Der Käufer sollte sich außerdem nicht von den großen Namen blenden lassen. Gerade bei deutschen Messern können die Erzeugnisse kleiner Hersteller besser und günstiger sein als die der weltbekannten Marken.

Die komplette Ausstattung

Es soll nicht verschwiegen werden, dass die Messerausstattung selbst mit Allroundtalenten wie einem „Santoku“ oder einem Kochmesser nicht ganz komplett ist. Es empfiehlt sich, noch ein Modell mit kürzerer, schlankerer Klinge (neun bis zwölf Zentimeter) im Sortiment zu haben. Auch ein kleines, gebogenes Messer kann nützlich sein, etwa zum Schälen. Wer keine Brotmaschine besitzt, der braucht auch ein anständiges Brotmesser mit Wellenschliff. Aber das war’s dann eigentlich auch: Viel mehr Messer sind für die tägliche Küchenarbeit nicht von Nöten. Natürlich bieten die Hersteller zahllose weitere Formen wie Ausbeinmesser, Aufschnittmesser, Filiermesser oder Tomatenmesser an. Die Profis in den Restaurants mögen dafür Verwendung haben, aber zu Hause dürften die meisten Modelle letztlich an der Magnetleiste verstauben. Also, bewaffnen Sie sich ruhig, rüsten Sie Ihre Küche auf, aber wählen Sie Ihre Waffen mit Bedacht.
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Kleine Geschichte der Esswerkzeuge

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