Sedus: Streifen am Horizont
Schon von Weitem erblickt man die farbenfroh gestreifte Fassade im kleinen Ort Dogern. Dort, an der Grenze zur Schweiz, steht das Hochregallager des Büromöbelherstellers Sedus Stoll AG, das aufgrund seiner monumentalen Größe und seiner graphischen Erscheinung als eindrucksvolle Landmarke wahrgenommen wird. Das Gebäude – eine Mischung aus Kunst, Architektur und Funktionsbau – ist zum identitätsstiftenden Aushängeschild der Firma geworden. Jetzt werden die Bestandsgebäude und das von Sauerbruch Hutton gestaltete Lager durch zwei weitere Bauten ergänzt, wodurch das Werksgelände des Unternehmens komplettiert und die Vision der Firma von der Bündelung aller Potentiale an einem Standort realisiert wird.
Eine Verlagerung ihrer Produktion ins Ausland wäre für das badische Traditionsunternehmen Sedus nie in Frage gekommen, auch wenn die Möbel der deutschen Firma international vertrieben werden. Der Umzug vom gerade einmal drei Kilometer entfernten Stammhaus in Waldshut nach Dogern, an den Standort des Hochregallagers, war hingegen denkbar – und vonnöten. Denn das Expansionspotential am Gründungsort war erschöpft und weiteres Wachstum vor Ort unmöglich. Dogern bot die einmalige Chance, die zergliederten Betriebszweige zu vereinen und im Sinne der Firmenphilosophie aufzubauen.
„Heimatgefühle“ am Schreibtisch
„Place 2.5 " nennen die Badener ihre Vorstellung vom Büroleben. Und was durch die Kombination von Anglizismus und Zahlencode im ersten Moment noch kryptisch wirkt, erklärt sich schnell durch den Untertitel, der da heißt „Die neue emotionale Kultur des Büros“. Übersetzt heißt das: Der Arbeitsplatz ist Lebensraum und Heimat, bestimmt durch eine ergonomische Möblierung, Licht und gute Akustik, aber auch durch weniger augenscheinliche Faktoren wie Duft, Farbe, Begrünung und Ökologie. Diese ganzheitliche Konzeption spiegelt sich in der Architektur der Konzerngebäude, die sich aus dem Hochregallager, einem im Bau befindlichen Entwicklungs- und Innovationszentrum und dem gerade in die Ausführungsplanung übergegangenen Bürokomplex zusammensetzt.
Ein kunterbuntes Lagerhaus
Die frohe Farbigkeit der 17.000 rechteckigen Blechpaneele, die das Hochregallager verkleiden, ist allerdings nicht ausschließlich dekorativ gedacht, sondern – um den Vorstandsvorsitzenden Bernhard Kallup zu zitieren – eine ebenso „emotionale Komponente“. Nicht umsonst zeigt auch das Konzept des Place 2.5, dass „Farbe motiviert“ und für Lebensräume mit mehr Lebensqualität sorgt – wenn der richtige Ton getroffen wird. Auch deswegen haben die Architekten Matthias Sauerbruch und Louisa Hutton beim Thema Farbe nichts dem Zufall überlassen. So legten sie Wert darauf, dass die Farbgestaltung des Gebäudes mit den Farben der natürlichen Umgebung harmoniert. Verwendet wurden deshalb nur Zitate beziehungsweise Nuancen, die dem Erscheinungsbild des Fertigungsgebäudes, des kleinen Dorfes, der Felder und Wiesen und des vor der Tür beginnenden Schwarzwaldes entnommen wurden. Und so schmiegt sich das Gebäude trotz einer Länge von 115 Metern und einer Höhe von 30 Metern in die Landschaft ein – fast wie eine Skulptur.
Verkleidung für das Entwicklungszentrum
Aufgrund des dominanten Lagergebäudes ergeben sich besondere Ansprüche an die neu entstehenden Gebäude. Zwischen dem kubischen Volumen und der dörflichen Architektur sollten räumliche Bezüge hergestellt werden und ein spannungsvolles Wechselspiel zwischen den verschiedenen Architekturen entstehen. Erste Resultate kann man schon bestaunen. Das von dem Architektenpaar ludloff + ludloff geplante Entwicklungszentrum feierte kürzlich sein Richtfest und soll Mitte 2009 bezogen werden. Ebenfalls als Block konzipiert, passt es sich typologisch dem Lager an, ist aber – im Gegensatz zu dem farbigen Monolithen – durch sein geneigtes Dach als Volumen erlebbar. Die Fassade wurde frei nach Christo durch textile Verkleidungselemente und dazu passenden Sonnenrollos an den Fenstern verhüllt. Das führt durch die sich verändernde Öffnung des Sonnenschutzes zu dynamischen Transparenzen.
Place 2.5 im Park 2011
Bis der Campus komplett fertig vollendet ist werden allerdings noch einige Jahre vergehen. 2011 soll auch das vorerst letzte Gebäude, der neue Bürobau, fertig gestellt sein. Wie das Gelände dann aussehen wird, kann man erahnen. Ende 2008 fand zu diesem Thema ein Realisierungswettbewerb statt, aus dem die Münchner Allmann Sattler Wappner Architekten als 1. Preisträger hervorgingen. Die Intentionen der badischen Bauherren lassen sich aber bereits auf den Plänen erkennen: Neben der offenen Bürostruktur des „Open Space“ finden sich auch andere Elemente nach den Richtlinien des Place 2.5: Wasserflächen und Parkanlagen sollen für Entspannung sorgen, Rückzugsräume und Terrassen bieten Möglichkeit zur Regeneration. Überhaupt hat man sich bei Sedus bis ins Detail der Unternehmensphilosophie verschrieben und bemüht sich um zufriedene Arbeitnehmer, die „Arbeit nicht nur als Arbeit, sondern als Teil des Lebens“ empfinden. „Es dürfte wenig Firmen geben, deren Mitarbeiter stolz sind auf ein Hochregallager“, stellt auch Bernhard Kallup treffend fest.
Zu dieser Ganzheitlichkeit des Denkens gehört übrigens auch das leibliche Wohl. So gibt es bei Sedus eine Kantine, die Vollwertküche mit ökologischen Lebensmitteln anbietet. Das klingt gemütlich, ein bisschen süddeutsch – aber vor allem sympathisch.
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