Sinnlichkeit, Lust und Fantasie
Bunt. Verschwenderisch. Gemütlich. Das sind wohl die ersten Vokabeln, die einem in den Sinn kommen, wenn man die Möbel von Josef Frank betrachtet. Und man mag es kaum glauben, dass sein Werk zeitgleich mit dem des Bauhauses entstand. So anders schaut es auf den ersten Blick aus. Nicht so sehr Franks architektonisches Werk – insbesondere das „Haus Beer“ in Wien und das Doppelhaus in der Stuttgarter Weißenhofsiedlung lassen sich mit ihren schneeweißen Kuben sogleich in die 1920er Jahre verorten, aber seine Interieurs. Sie sind so anders als das, was man gemeinhin mit dem Design der 1920er Jahre verbindet, dass sie neugierig machen. Wer war dieser Mann, der 1886 in Baden bei Wien das Licht der Welt erblickte und sich noch heute, insbesondere in Schweden, so großer Beliebtheit erfreut? Ganz zu schweigen von dem Einfluss, den er auf das skandinavische Design nahm.
Die seelische Funktion des Wohnraums
Frank gehörte 1912 zu den Mitgründern des Österreichischen Werkbunds. Schon während dieser Zeit kristallisierten sich seine Ideen vom Wohnen heraus, die er später in Schweden vervollkommnen sollte. Für Frank stellte sich der Wohnraum als ein Raum zum Wohlfühlen und Entspannen dar, der Tradition und Technik vereinen sollte. Oder verkürzt gesagt: Natur und Kultur, gepaart mit einer Prise Raffinesse. Dabei spielte auch der Einsatz von Farbe – insbesondere Gelb-, Hellblau-, Grün- und Pinktöne – eine wichtige Rolle. Gänzlich weiße und streng gestaltete Räume lehnte er ab. Für Frank hatte die Wohnung auch eine seelische Funktion inne. Was er liebte waren Möbel als Einzelstücke, gern auch wild durcheinander gemischt, so wie sie Hermann Muthesius 1908 in seinem Buch „Das englische Haus“ beschrieben und diese Ideen nach Deutschland gebracht hatte.
Wien – Berlin – New York – Stockholm
Das sind die Lebensstationen des Österreichers Josef Frank. Sie spiegeln ein Leben, das insbesondere durch Flucht und Exil in Schweden und den USA geprägt ist. Nachdem Frank in Wien Architektur studiert hatte, begann er im Architekturbüro von Bruno Möring in Berlin zu arbeiten. Zeitgleich waren dort auch Walter Gropius, Charles Edouard Jeanneret – der spätere Le Corbusier – und Mies van der Rohe tätig. Frank gilt als einer der bedeutendsten Köpfe der Wiener Moderne, obwohl er in der Öffentlichkeit im Unterschied zu Josef Hoffmann oder Adolf Loos noch immer eher unbekannt ist und erst in den 1980er Jahren wiederentdeckt wurde. Mit Peter Behrens, Loos und Margarethe Schütte-Lihotzky plante er beispielsweise in den Jahren 1924 bis 1926 die städtische Wohnhausanlage Winarskyhof in Wien. Frank nahm auch am Gründungskongress des „Congrès Internationaux d'Architecture Moderne“ (CIAM) sowie an der vom Deutschen Werkbund organisierten Ausstellung „Die Wohnung“ 1927 in Stuttgart teil. Auf dem Killesberg entwarf er ein Doppelhaus für die Weißenhofsiedlung, deren architektonische Leitung Mies van der Rohe oblag.
Das „Bordell Frank“
Frank überwarf sich allerdings mit dem Ausstellungsleiter Mies van der Rohe und Le Corbusier, weil er deren Ansichten über Wohnlichkeit und Einrichtung nicht teilte. Frank vertrat die Meinung, dass sich die Möbel am Menschen und nicht am Raum ausrichten sollten. Und so bezeichneten Mies van der Rohe und Le Corbusier seine Wohnräume ob der Rüschen, Perserteppiche und Kissen schlicht als das „Bordell Frank“. Stahlrohrmöbel, Symmetrien und sterile quadratische Anordnungen waren Frank ein Dorn im Auge. Und wie man heute sagen muss: Er erkannte die Gefahr der Bauhaus-Doktrin und war damit seiner Zeit weit voraus.
Swedish Modern – der schwedische Modernismus
In den 1930er Jahren übersiedelte Frank, dessen Frau Anna Schwedin war und die er 1909 in Berlin kennengelernt hatte, nach Stockholm. Für ihn als Juden waren die politischen Verhältnisse in Wien untragbar geworden. Damals begann seine enge Zusammenarbeit mit dem 1924 von Estrid Ericsson gegründeten Designunternehmen Svenskt Tenn, die auch nach seinem Tod 1967 bis heute fortgeführt wird. 1930 hatte Svenskt Tenn auf der Weltausstellung in Stockholm funktionalistische Möbel von Gunnar Asplund, Björn Trädgåund und Uno Åhrén ausgestellt. 1933 brachte dann Josef Frank Farben, Muster und Gemütlichkeit in das strenge funktionalistische Design der 1920 Jahre. „Schönheit für alle“ – die Demokratisierung des Designs – lautete dabei das Motto, das auch heute noch für skandinavisches Design gilt.
Sinnlich-dekoratives Design
Frank sah die Möblierung unabhängig von der Architektur, ihm ging es also nicht um ein Gesamtkunstwerk. Stattdessen zählte für ihn im Design der künstlerische Ausdruck ebenso wie die Funktion. Dabei zeigte er schnell eine Vorliebe für florale Dekors, worin das sinnlich-dekorative eine wichtige Rolle spielt. Handwerk, Form und Material betonten das Taktile, die Lust und die Fantasie. Dass Frank die Aquarelle des schwedischen Künstlers Carl Larsson mit den pittoresken Interieur-Szenen sehr schätzte, ist dann auch keine Überraschung mehr. Sie stehen auch heute noch für die schwedische Art des Wohnens und Einrichtens, die sich durch Helligkeit, Farbigkeit und lebendig-fröhliche Funktionalität auszeichnet. „Swedish Modern“ als Schlagwort wurde fortan ein Synonym für gutes, aber undogmatisches Design. Frank schuf in den 30 Jahren Tätigkeit für Svenskt Tenn mehr als 2000 Zeichnungen von Möbeln und 160 verschiedene Muster, die auf Kissen, Sofabezügen oder Tabletts wieder auftauchen. 100 davon werden noch heute produziert und schmücken trotz der relativ hohen Preise so manche (schwedische) Wohnung.
In New York, wo sich das Ehepaar Frank nach der Besetzung von Norwegen und Dänemark und dem Verkauf seiner Firma „Haus & Garten“ bis 1946 aufhielt, hielt sich Frank mit Musterdesign und Vorlesungen über Modernismus an der New School of Social Research über Wasser. Eine Quelle zur Inspiration bildete das Museum „The Cloisters“, das sich ganz in der Nähe zu seinem Haus befand und eine grandiose Sammlung von mittelalterlicher und Renaissance-Kunst beherbergt. Zu dieser Zeit beschäftigte sich Frank auch mit mexikanischem Kunsthandwerk, das sich durch eine vereinfachte Formgebung, florale Muster und eine große Farbigkeit auszeichnet und seiner Idee von Gestaltung sehr nahe kam.
Was hat Staubwischen mit Design zu tun?
Noch bis zum 20. September 2008 findet im Felleshus der Nordischen Botschaften in Berlin die Ausstellung „Vorsicht, guter Geschmack! Design des etablierten Außenseiters Josef Frank“ statt. Ausgestellt werden Möbel wie Sofas, Schränke, Stühle und Tische sowie Kunsthandwerk wie Stoffe, Kissen und Lampen. Hedvig Hedqvist, die die Ausstellung kuratiert hat, erlebte 1958/59 als Praktikantin bei Svenskt Tenn eine Überraschung, als sie dort eines Tages auf Josef Frank traf: Er tröstete sie, als er sah, dass sie als Praktikantin eine nicht immer als ganz so sinnvoll erscheinende Arbeit verrichten musste und erklärte ihr, dass man beim Staubwischen die Konstruktion eines Möbels am besten kennenlernen würde. Vielleicht sagt diese Einstellung mehr über den Menschen Josef Frank aus als sämtliche Entwürfe.