Studioparisien: Luxus im Doppelpack
Das Büro als Showroom: zu Besuch bei Laurène Barbier Tardrew und Romain Jourdan.
Cartier, Viktor&Rolf, Gas Bijoux – selbst Karl Lagerfeld holt sich kreativen Input bei Studioparisien, die es ohne einen gemeinsamen Bekannten wahrscheinlich nicht geben würde. Laurène Barbier Tardrew und Romain Jourdan trafen sich zum ersten Mal 2007, als ein gemeinsamer Freund ihnen den Auftrag verschaffte, eine neue Duftkreation von Viktor&Rolf bei Sephora auf den Champs-Élysées in Szene zu setzen. Was für beide eigentlich nicht mehr als ein willkommener Nebenverdienst sein sollte, entpuppte sich als Grundstein der heutigen Kreativagentur.
Die Inszenierung des Parfums gefiel der künstlerischen Leiterin von Cartier so gut, dass sie Studioparisien weitere Projekte anvertraute. So konnten sich die beiden jungen Franzosen schnell einen Namen in der Luxusbranche machen. „Im Grunde genommen ist die Existenz unseres Studios das Ergebnis einer Verkettung glücklicher Umstände“, resümiert Romain Jourdan die mittlerweile zehnjährige Zusammenarbeit. „Ohne den damaligen Auftrag für Viktor&Rolf wären wir uns mit Sicherheit nie über den beruflichen Weg gelaufen. Und wir haben das Glück, dass die kreative Chemie zwischen uns von Beginn an stimmte.“
Als sie sich kennenlernten, richtete Laurène Barbier Tardrew für ein schwedisches Architektenbüro Pariser Wohnungen ein, während Romain Jourdan als Szenograf und Art Director einer Werbeagentur hauptsächlich in der Modebranche beschäftigt war. Ihre gemeinsamen Projekte für Cartier und andere Kunden realisierten sie jahrelang „im Off“, wie sie selbst sagen. Als die Aufträge jedoch immer zahlreicher und umfangreicher wurden, entwickelte sich dieses Modell zu einem nicht unerheblichen Problem. „Wir fakturierten mal auf den einen, mal auf den anderen Namen, dann wieder über meine Agentur oder Laurènes Architektenbüro. Irgendwann konnten die Leute gar nicht mehr verstehen, dass wir zusammengehören“, erinnert sich Jourdan. „Als es selbst unseren Ansprechpartnern bei Cartier zu kompliziert wurde und sie uns dringend zu einer gemeinsamen Identität rieten, haben wir beide unsere ursprünglichen Jobs gekündigt.“ Das war die Geburt von Studioparisien und liegt jetzt vier Jahre zurück.
Von Cartier über Hermès zu Chanel
Ein potenzieller Garant für den Erfolg ihrer Agentur war die zwar punktuelle, aber regelmäßige Zusammenarbeit mit Cartier. Projekte derart bekannter Marken bekommen automatisch viel Aufmerksamkeit, allein schon von der Konkurrenz. Wenn Cartier etwas Neues macht, weiß Hermès als Erstes davon. Als Designer öffnen sich so viele Türen, auch weil die Entscheidungsträger des Öfteren die Häuser wechseln und der Personenkreis deshalb eigentlich immer derselbe bleibt. Prinzipiell ist es ja genauso wie in der Mode: „Wer einmal bei Chanel war, kann für jedes bedeutende Modehaus der Welt arbeiten“, so Jourdan.
Dank ihres schon vorhandenen Bekanntheitsgrades klopften auch bei Studioparisien schnell neue Kunden aus den unterschiedlichsten Branchen an. Für das familiengeführte Juwelierhaus Boghossían aus Genf setzte das Kreativduo auf der berühmten Biennale des Antiquaires in Paris diamantene Schmuckkollektionen in Szene und arbeitete in diesem Rahmen eng mit den in Frankreich renommierten Ateliers Jean-François Lesage, Maison Charles sowie Goossens zusammen. Aus der Modebranche wurde das Unternehmen Loris Azzaro Couture auf Studioparisien aufmerksam und beauftragte es mit der Gestaltung ihres Haute Couture Salons in der schicken Rue du Faubourg Saint-Honoré. Auch Karl Lagerfeld ließ sich von den jungen Franzosen einen Showroom kreieren, in dem er in Paris seine neue Marke Karl vorstellte. Für den Schmuckhersteller Gas Bijoux entwarfen Studioparisien ferner ein neues Store-Konzept und für die Unternehmensgruppe Black Code zwei Restaurants, die das kulturelle und gastronomische Erbe Asiens zelebrieren.
Pariser Code als DNA
Und wie kann man für Auftraggeber so unterschiedlicher Universen der richtige Ansprechpartner sein? Genau das sei der Punkt, der ihre Arbeit so interessant mache: „Wir lieben es, uns in immer wieder neue Welten hineinzuversetzen“, erklärt Romain Jourdan und ergänzt: „Wir haben ja auch keinen festgelegten Stil, sondern nur Prinzipien. Bei allen Projekten setzen wir als Allererstes die DNA der jeweiligen Marke um. So ist ein Showroom von Karl Lagerfeld für uns selbstverständlich puristisch und schwarz-weiß, während die Boutiquen von Gas Bijoux in warmen, mediterranen Farben gestaltet sind. Diesen Grundwerten verschaffen wir dann einen Wow-Effekt. Zum Beispiel durch ausgefallene Perspektiven, subtile Proportionen, besondere Materialien, Lichtspiele oder Bewegungsformen.“ Laurène Barbier Tardrew und Romain Jourdan sind stets darum bemüht, „traditionellen Klassizismus in elegante und zeitgemäße Raumformen umzusetzen“, um so eine kontrastreiche Architektur zu erzeugen. „Das ist für uns eine Form von Pariser Ästhetik, deshalb musste auch unbedingt das Wort parisien in unserem Agenturnamen vorkommen“, wirft Laurène Barbier Tardrew ein. „Wir sind zudem beide in Paris geboren und aufgewachsen. Die Stadt hat so viele Facetten: Mode, Haussmann und das wahnsinnig reiche Kulturangebot. So etwas prägt. Dieser Pariser Code ist sozusagen unsere DNA und unser persönlicher Anspruch an Ästhetik.“
Geometrische und verspielte Linien
Konsequenterweise sind auch ihre eigenen Büroräume mitten im Herzen des Künstlerviertels Marais in diesem Stil eingerichtet. In dem großzügigen Ein-Raum-Appartement (auf Französisch: studio) finden sich alle klassischen Codes des Haussmann-Stils – Fischgrätparkett, hölzerne Balken, Stuck und verschnörkelte Fenstergitter – die das Duo durch Licht, Formen, Farben und konträre Materialien diskret durchbrach. „Ich liebe die Kombination aus geometrischen und verspielten Linien“, sagt Laurène Barbier Tardrew, die sich in ihrer Funktion als Architektin stets um den technischen Teil aller Projekte kümmert. „Das habe ich definitiv von meinem ehemaligen Chef aus Schweden gelernt.“ An der skandinavischen Architektur fasziniert sie, dass es trotz der puristischen und linearen Formen fast immer ein fließendes Element oder Detail gibt. „Für unsere Büroräume habe ich ein System entwickelt, das jeglichen Stauraum unsichtbar macht und somit mehr Raumvolumen und Ordnung erzeugt. Besonders stolz bin ich auf unsere deckenhohe begehbare Box, die nicht nur als Raumteiler dient, sondern in der sich auch unser Drucker und sämtliche Papiervorräte befinden.“
Lichtinstallationen
Romain Jourdan zeigt eine vergleichbare Begeisterung für seine selbstentworfenen Lichtinstallationen. Sie leuchten Ecken aus, strukturieren Wände oder kontrastieren das dunkel gehaltene Büromobiliar. Sein persönliches Highlight ist eine auffällige Wandleuchte aus goldenen, vertikal ausgerichteten Tetris-Elementen. „Wir haben dieses Konzept für das Juwelierhaus Boghossían entworfen, das sich Kreationen im Stil von Gerhard Richter wünschte“, erzählt er enthusiastisch.
Trotz internationaler Inspirationen und Auftraggeber stellen wir nach unserem Besuch fest: Mehr Paris geht nicht. Selbst extravagante Elemente und auffällige Kreationen durchbrechen niemals die Pariser Codes der stimmigen Eleganz, und auch menschlich gehen Laurène Barbier Tardrew und Romain Jourdan miteinander um, wie es typischer nicht sein könnte. Sie diskutieren mit ausgeprägter Gestik, flirten, streiten und berühren sich wie ein leidenschaftliches Liebespaar, das sie jedoch nicht sind. Dafür gehören sie auf beruflicher Ebene fest zueinander und betonen mehrmals: Sollte sich einer der beiden aus ihrer kreativen Verbindung lösen, bekommt Studioparisien sofort einen neuen Namen.
Studioparisien
www.studio-parisien.frDEAR Magazin Nr. 2/2017
Dieser Beitrag ist zuerst in unserem Printmagazin erschienen. Infos zur Heftbestellung:
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