Stories

Summit #6: Die Zukunft der Arbeit

Wie das Büro von heute für morgen fit wird, haben wir auf dem Office Summit in Kapstadt diskutiert.

von Katharina Horstmann, 10.10.2018

In der Arbeitswelt erleben wir einen besonderen Moment. Die zunehmende Digitalisierung im Alltag, die Einbindung künstlicher Intelligenz und die vorangeschrittene Globalisierung sind der Ausgangspunkt eines erneuten Umbruchs. Gleichzeitig zeichnet sich eine Tendenz der Rückbesinnung ab – eine neue Wertschätzung des Individuums, die mit dem Bedürfnis nach Reanalogisierung und persönlicher Kommunikation einhergeht.

Genau in diesem Spannungsfeld bewegen sich Architekten. Als echte Generalisten müssen sie dabei zwischen verschiedenen Ebenen vermitteln: der rationalen und der emotionalen, der monetären und der kreativen. Es gilt, Mensch, Struktur und Raum nachhaltig miteinander in Einklang zu bringen. Doch wie viel Freiheit zur Identitätsstiftung haben sie in der zunehmend standardisierten Bürowelt angesichts des steigenden Kostendrucks überhaupt? Wo sind die Grenzen der technologischen Möglichkeiten? Wo die Chancen? Und vor allem: Wird gute Architektur auch morgen noch das Produkt guter Architekten sein?

Diese und viele weitere Fragen haben elf Architekten auf dem Office Summit in Kapstadt diskutiert. Ergebnis der intensiven Auseinandersetzung sind vier Kernthemen, die die Zukunftsperspektiven des städtischen Raums, der Bauaufgabe Bürokomplex und nicht zuletzt der Architekten umreißen.

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Technologisierung: Reale und virtuelle Produktion werden in Zukunft zu einem intelligenten Gesamtsystem verschmelzen – Stichwort BIM, Rapid Prototyping und 3-D-Druck. Die Grenze zwischen Entwurf und fertigem Gebäude wird fließend und transparent. Welche Folgen hat das für das klassische Architekturbüro?

Nikola Jarosch — Jarosch Architektur
Gregor Mescherowsky — Mescherowsky Architekten


Zunächst gilt es zu differenzieren, was Nachhaltigkeit in diesem Kontext bedeutet und in welcher Beziehung sie zur Individualisierung steht. Involviert man den Nutzer oder einen emotional orientierten Feel-Good-Manager in die Planung, führt das zu einem nutzeradaptierten Ergebnis, das kaum mit einer Standardisierung vereinbar ist. Sind die Ansprechpartner der Architekten hingegen rein rational denkende Facility-Manager, geht es vornehmlich um monetäre Ziele und Messbarkeit. In diesem Fall bedeutet Effizienz, in einem Raum die Schreibtischanzahl und die Mitarbeiter pro Quadratmeter zu maximieren. Das heißt, grundsätzlich existiert ein Interessenkonflikt zwischen Standardisierung und Individualisierung. Tragendes Argument gegen eine Standardisierung ist die Qualität des Gebäudes: Wird dessen Flexibilität aus Effizienzgründen überstrapaziert, entsteht eine Beliebigkeit, in der keine Atmosphäre mehr geschaffen werden kann. Unter diesen Umständen wird das Gebäude als Recruiting-Instrument für hochqualifizierte Fachkräfte hinfällig: „No Fun, no Nachwuchs!“ Nachhaltig wäre hingegen das Ermöglichen einer weiterführenden Adaptierbarkeit und Flexibilität der Räume, die über die individuelle Gestaltung hinausreicht. Architekten sollten Strukturen schaffen, die das zulassen – beispielsweise mithilfe einer gewissen Deckenhöhe (drei Meter plus für bessere Nachrüstbarkeit), einer im Raster flexiblen Bürotiefe oder größerer Lüftungsquerschnitte. Im Grunde geht es um drei Ebenen: „people, process, place“, also Mensch, Struktur und Raum. Der Planer muss den sinnlichen Anforderungen des Menschen gerecht werden, ohne dabei einen zukünftigen Nutzerwechsel und eine entsprechende Adaptierbarkeit der Struktur aus den Augen zu verlieren.

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Büroarchitektur: Büroräume müssen heute zunehmend variabel gestaltet und vor allem eingerichtet werden. Gleichzeitig steigt der Kostendruck in entsprechenden Projekten. Die einfache Kombination von Tisch, Stuhl und Topfpflanze hat ausgedient. Welche Anforderungen stellt die moderne Arbeitswelt an die Architektur? Und wie verändert sich die Rolle der Architekten dabei?


Axel Frühauf — Meck Architekten
Iwetta Ullenboom — Ester Bruzkus Architekten
Christof Teige — Auer Weber


Es gibt verschiedene Prognosen zur Zukunft der digitalisierten Arbeitswelt, die bis zur Abschaffung der Arbeit an sich reichen. Im Mittelpunkt sollte jedoch immer der menschliche Faktor stehen. Wie möchten Menschen arbeiten und vor allem leben? Aktuell entstehen in vielen wichtigen Wirtschaftszentren, wie zum Beispiel Stuttgart oder München, reine Arbeitsstädte, das heißt städtebauliche Monostrukturen ohne Mischcharakter. Hier muss die Architektur reagieren. Es braucht ein neues Verständnis eines ganzheitlichen Lebensraumes, der ebenso aus einer Arbeits- wie aus einer Wohnwelt besteht. Je mehr die Digitalisierung die beiden Welten miteinander verschmelzen lässt, desto wichtiger wird die Identität der Räume. Sie kann durch den Ort beeinflusst werden, durch die Unternehmensphilosophie oder auch durch die Nutzerbeteiligung. Im Grunde sollte gute moderne Büroarchitektur ein Möglichkeitsraum sein, in dem unterschiedliche Arbeitsszenarien stattfinden können. Räume bieten Menschen Orte der Begegnung und Kommunikation sowohl informeller als auch formeller Art. Dabei geht es immer darum, ein ausgewogenes Spannungsverhältnis zwischen dem Individuum und der Gruppe zu schaffen und gleichzeitig Möglichkeiten des Rückzugs zu bieten. In Zeiten von Pinterest und Instagram, in denen viele Eindrücke rein zweidimensional und visuell wahrgenommen werden, gewinnt die architektonische, mit allen Sinnen erfahrbare Qualität des Raumes eine ganz neue Bedeutung. Die Wahl, die Qualität und die Oberfläche der verwendeten Materialien sollten diesem Umstand Rechnung tragen. Das gilt ebenso für die Möblierung und Einrichtung der Arbeitslandschaften, da die Grenze zwischen Architektur und Innenarchitektur sich zunehmend auflöst. Als echte Generalisten müssen Architekten die Stadt, den Raum und auch das Individuum gleichermaßen im Fokus behalten.


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Motivation: Das bessere Verständnis von psychologischen und soziologischen Zusammenhängen in der Arbeitswelt führt zu immer weiter optimierten Strukturen und Prozessen. Die Arbeit muss sympathischer werden, um unter anderem zukünftige Leistungsträger der Generation Z zu begeistern und zu halten. Welchen Beitrag können Architektur und Einrichtung liefern, um Unternehmen zu attraktiven Arbeitgebern zu machen?


Arne Hansen — Cityförster
Kilian Kresing — Kresings
Olga Ritter — Ritter Jockisch


Als Gegentrend zur Digitalisierung zeichnet sich bereits eine beginnende Entdigitalisierung oder Reanalogisierung ab. Persönlichen Treffen wird wieder eine besondere Bedeutung beigemessen – ebenso wie den Orten, an denen sie stattfinden. Hier ist es an den Architekten, dem Raum die entsprechende Qualität und Atmosphäre zu verleihen. Sehr wichtig ist dabei der Genius Loci, der Bezug zum Ort. Gerade angesichts der fortschreitenden Globalisierung streben Arbeitnehmer immer mehr nach einer Identität, die nicht nur die Corporate Identity des Arbeitgebers, sondern vielmehr die Charakteristik des Standorts widerspiegelt. Unternehmen müssen also dem zunehmenden Wettbewerb um gut ausgebildete Fachkräfte nicht nur mit einer Stärkung ihrer Identität und ihres Markenkerns begegnen. Es braucht darüber hinaus eine Verankerung in der Stadt und in der Gesellschaft, da der Ort ein wichtiges Entscheidungskriterium für einen Arbeitnehmer darstellt. Tendenziell ist zu erwarten, dass die benötigten Büroflächen abnehmen werden. Im Gegenzug sollte die Qualität jedoch steigen. Ein Arbeitsplatz, der keine Orientierung und keinen Weitblick bietet, ist nicht mehr vertretbar. Transparenz und Öffnung sind wichtige Themen, da Mitarbeiter durchaus bewusst den Austausch mit ihren Kollegen suchen. Es muss nicht mehr einen Arbeitsplatz geben, der alles kann. In einem Büro sollten verschiedene Arbeitsplätze mit verschiedenen Funktionen und Qualitäten entstehen, die die Mitarbeiter in Bewegung halten. Dynamische Prozesse fördern die Motivation und die Kommunikation in einer Weise, wie es die Nutzung digitaler Medien, beispielsweise im Homeoffice, nicht bieten kann.


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Individualisierung: Der Grad an Individualisierung in der Arbeitswelt steigt kontinuierlich. Standardisierte Tätigkeiten und Strukturen verschwinden und/oder werden durch technologische Lösungen ersetzt. Die Zyklen werden immer kürzer. Teamergebnisse stehen zunehmend vor persönlichen Erfolgen. Wie kann Büroarchitektur einerseits auf individuelle Bedürfnisse reagieren und andererseits nachhaltig und zukunftssicher gestaltet werden?

Sofia de Mello — O&O Baukunst
Oliver Kettenhofen — SCOPE Architekten
Guido Rottkämper — design2sense


Zunächst gilt es zu differenzieren, was Nachhaltigkeit in diesem Kontext bedeutet und in welcher Beziehung sie zur Individualisierung steht. Involviert man den Nutzer oder einen emotional orientierten Feel-Good-Manager in die Planung, führt das zu einem nutzeradaptierten Ergebnis, das kaum mit einer Standardisierung vereinbar ist. Sind die Ansprechpartner der Architekten hingegen rein rational denkende Facility-Manager, geht es vornehmlich um monetäre Ziele und Messbarkeit. In diesem Fall bedeutet Effizienz, in einem Raum die Schreibtischanzahl und die Mitarbeiter pro Qua-dratmeter zu maximieren. Das heißt, grundsätzlich existiert ein Interessenkonflikt zwischen Standardisierung und Individualisierung. Tragendes Argument gegen eine Standardisierung ist die Qualität des Gebäudes: Wird dessen Flexibilität aus Effizienzgründen überstrapaziert, entsteht eine Beliebigkeit, in der keine Atmosphäre mehr geschaffen werden kann. Unter diesen Umständen wird das Gebäude als Recruiting-Instrument für hochqualifizierte Fachkräfte hinfällig: „No Fun, no Nachwuchs!“ Nachhaltig wäre hingegen das Ermöglichen einer weiterführenden Adaptierbarkeit und Flexibilität der Räume, die über die individuelle Gestaltung hinausreicht. Architekten sollten Strukturen schaffen, die das zulassen – beispielsweise mithilfe einer gewissen Deckenhöhe (drei Meter plus für bessere Nachrüstbarkeit), einer im Raster flexiblen Bürotiefe oder größerer Lüftungsquerschnitte. Im Grunde geht es um drei Ebenen: „people, process, place“, also Mensch, Struktur und Raum. Der Planer muss den sinnlichen Anforderungen des Menschen gerecht werden, ohne dabei einen zukünftigen Nutzerwechsel und eine entsprechende Adaptierbarkeit der Struktur aus den Augen zu verlieren.

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Links

Dormakaba

www.dormakaba.com

Object Carpet

www.object-carpet.com

Heinze-Summits

Die Heinze-Summits versammeln führende Architekten und Innen- architekten sowie richtungsweisende und visionäre Industriepartner zu mehrtägigen Intensiv-Workshops.

www.heinze.de/events/architekturevents

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