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Vom Subligaculum zum Bikini

von Katrin Schamun, 14.08.2007

In punkto Abwechslung ist die Mode für Frauen der der Männer meistens weit voraus. Bei den Badekleidern ist das auch nicht anders und so vollzog sich in der Geschichte der weiblichen Bademode ein größerer Wandel als in der für Herren. Vom Ganzkörperanzug mit Rüschen, der die Trägerin meist zwang nur bis zum Knie im Wasser zu stehen oder sich im Wasser retten zu lassen, statt bequem zu Schwimmen, bis zum knappen Zweiteiler benannt nach einem Atoll in der Südsee, dem Bikini. Die Bademode für den Herrn dagegen erweist sich als relativ unspektakulär: Vom Baden in Leibwäsche, über enganliegendem Ganzkörperschwimmanzug bis zur heutigen Badehose – mal als knapp geschnittenes Modell, mal als Bermuda-Shorts.
Bereits in der römischen Antike haben Frauen mit einer dem Bikini ähnelnden Kleidung gebadet in einer knappen Dreieckshose, dem Subligaculum, und oben bedeckt mit einem Busenband, das in lateinisch "Fascia pectoralis" hieß. In mittelalterlichen Bädern herrschte natürliche Nacktheit vor, nur manche zogen sich eine Dreieckshose über, die man an der Seite zusammenband. In der darauffolgenden Zeit wurde öffentliche Nacktheit entwertet und sogar tabuisiert, was im 16. bis ins 18. Jahrhundert den Höhepunkt erreichte, indem besonders die reicheren Gesellschaftsschichten das Baden an sich zunehmend verschmähten. Diese extreme Abneigung gegen Reinigung mit Wasser hielt bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts an und endete schließlich, als in den Städten Bäder für die Öffentlichkeit aufkamen. Gebadet wurde in Unterwäsche, in weiten Beinkleidern, Hemden mit Puffärmeln und mit Strümpfen an den Füßen. Erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts begann sich in der Gesellschaft das Baden durchzusetzen und Bade- und Schwimmkleidung wurde zum Thema in der Modewelt. Zunächst unterlag sie noch strengen Sittlichkeitsgeboten und bestand aus langen Beinkleidern, die bis zu den Waden oder Knöcheln gingen. Den weiblichen Oberkörper bedeckte eine durchgeknöpfte Bluse mit Schößchen aus schwarzem Wollstoff. Zusätzlich trug man darunter ein Miederleibchen. Sämtliche Badekleidung bestand aus schwer zu trocknenden und gut Wasser aufsaugenden Wollmaterialien, die um 1880 Flanell und Perkal, leichtere, gewebte Baumwollstoffe ersetzten. Allerdings hatten auch diese Stoffe Nachteile, denn sie trockneten sehr langsam und ihre Farben waren nicht wasserresistent. Für Bademodeschnitte standen Marineuniformen Vorbild und so trugen die Badenden blau-weiß gestreifte Kleider mit Matrosenkragen oder Anker-Muster und darunter Hosen mit Gummizug. Dieser Mode folgte ein Einfluss aus Japan, die Badekleider bekamen Kimono-Ärmel und die weiten Hosen wurden unter dem Knie zusammengebunden.
Am Anfang des 20. Jahrhunderts waren die Oberteile der Badekleider kürzer, auf Figur geschnitten und darunter zog man Hosen oder schwarze Strümpfe an. Mehr Bewegungsfreiheit im Wasser versprachen die 1903 entworfenen Schwimmanzüge, die aus leichtem Baumwolle-Trikot bestanden. Die australische Schwimmerin Anette Kellermann entschloss sich diesen Figur betonenden Badeanzug zu tragen und verhalf damit den Frauen in der Bademode wieder die Hüllen fallen zu lassen. Doch dieser Einteiler setzte sich in den öffentlichen Bädern erst in den 1920er Jahren durch, wo zunächst verlangt wurde, einen Rock drüber zu ziehen, um nicht zu viel Bein zu zeigen. Acht Jahre später benötigte der Schwimmanzug für Frauen immer weniger Stoff und erhielten an Brust und Rücken zunehmend weitere Ausschnitte. Dem knapper ausfallenden Schwimmanzug folgte bald ein Zweiteiler, die „Palm-Beach-Kollektion“ mit oderschenkellanger Hose und einem Oberteil mit Ärmeln, die auch von Männern getragen wurden. In den 1930er Jahren verkleinerte sich der Zweiteiler zu einem festen BH und einem sogenannten Pumphöschen über dem man einen sehr kurzen Rock trug.
Im Sommer 1946 erschütterten zwei Schocks die Welt: Am 1. Juli warf das US-Militär auf das Bikini-Atoll im Pazifik die erste Atombombe der Nachkriegszeit ab und vier Tage später ging die französische Nackttänzerin Micheline Bernardini mit nur vier spärlichen Stoffdreiecken bekleidet über einen Laufsteg in einem Pariser Schwimmbad. Der Ingenieur für Maschinenbau Louis Reard erfand das Badekostüm und benannte es nach dem zerstörten Atoll, das damals an vielen Orten gleichermaßen für moralische Entrüstung sorgte, wie der Atomtest. Doch erst 20 Jahre später in den „wilden 1960er Jahren“ setzte sich der Bikini durch, bestehend aus einem Höschen und meist trägerlosen Büstenhalter. Veränderungen gab es auch bei Badetextilien: Baumwolle wurde mit Latex aufgebessert oder mit elastischen Fäden durchwirkt und Kleidungsstücke mit Spitzen und Pailletten verziert.
Zur gleichen Zeit kam auch der sogenannte „Monokini“ auf, der „Oben-ohne“ wurde aber erst in der Flower-Power-Zeit gesellschaftsfähig. Dieser wurde durch den „Mini-Bikini“ nochmals reduziert und besteht nur noch aus zwei Dreiecken, den Tangas, die an der Seite mit Schnüren zusammengehalten werden. Badeanzug, Bikini, Monokini, Minikini sind Kleidungsstücke, die die Bademode von heute bestimmen, mal mit mehr Stoff, meist mit weniger. Ab und zu erobern neue Materialien und Texturen den Markt, wie beispielsweise vor 30 Jahren das sonnendurchlässigen Suntex, ein Textil, das eine Ganzkörperbräune ohne FKK verspricht. Jedoch ist die Zeit der großen moralischen Entrüstung in der Modebranche für Badekleider zumindest in Mitteleuropa und Amerika vorbei, spätestens seit der Entdeckung des Importproduktes aus Brasilien – dem „String-Bikini“, denn noch reduziertere Formen zu entwickeln, ist fast unmöglich oder stellen jeden Modeschöpfer vor eine Herausforderung.
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