Von Sirenen, Nixen und stillen Wassern
Wir laufen täglich an ihnen vorbei und manchmal bleibt unser Blick an einem besonders schönen Motiv hängen. Gemeint sind Plakate, die für Produkte, Parteien, Ausstellungen oder Veranstaltungen werben. Um Plakate geht es auch in einer kleinen Ausstellung in den Schaufenstern der Schweizerischen Nationalbank in Zürich. Nein, diese Plakate haben nichts mit Geld, Banknoten oder Aktien zu tun. Die Plakate aus der Plakatsammlung des Museums für Gestaltung Zürich kreisen allesamt um ein Thema: Wasser in all seinen Aggregatzuständen – flüssig, fest, gasförmig.
Da trifft es sich gut, dass auch der Ausstellungsort direkt am Wasser liegt: Nicht weit entfernt fließt sanft plätschernd die Limmat vorbei und gerade noch lässt sich vom imposanten Nationalbank-Gebäude ein Blick auf den stillen, bergumfangenen Zürichsee erhaschen. Wer nichts von der Ausstellung weiß, läuft vielleicht gar an den unscheinbaren Schaufenstern vorbei, wobei sich ein genauerer Blick auf die Plakate durchaus lohnt, ist doch gerade die Schweizer Grafikkunst hoch gelobt.
Schmetterlingsschwimmen oder stille Wasser
Und auch die Vielfalt der Motive rund um das Thema Wasser hat es in sich. Da wirbt die Kunsthalle Bern in den neunziger Jahren für ihre Weihnachtsausstellung und zwar nicht – wie man vermuten könnte – mit schneebedeckten Tannen, Weihnachtskugeln oder Basler Leckerli, sondern mit einer rasanten Wasserski-Szene. Damit nicht genug, trägt der leicht bekleidete muskulöse Sportlertyp auf dem Plakat auch noch eine jauchzende Frau auf den Schultern. Oder aber ein Plakat des Japaners Yusaku Kamekura, das 1964 für die Olympischen Spiele in Tokio wirbt: und zwar ganz klassisch mit einem Schwimmer im Schmetterlingsstil, der dem Betrachter und seiner Bestzeit frontal entgegen strebt.
Und da sind wir gleich mittendrin im Wasservergnügen: Rasant geht es zu auf den Plakaten, sportlich gar, immer nach dem Motto „In Bewegung bleiben!“. Da sprudelt und spritzt es, Wellen schlagen. Und das kühle Nass trifft erfrischend auf Produkte wie Uhren (Stichwort: wasserfest!) und Gläser (Stichwort: trinken!), oder wird am Strand mit den nackten Füßen weggestoben wie auf einem Werbeplakat des Unterwäsche- und Bademoden-Herstellers Triumph aus den sechziger Jahren, das Gisler & Gisler gestaltet haben. Hier ist es eine schlanke Frau im bunten Flower-Power-Badeanzug, die das Motto des Plakats – das da heißt „happy days“ – verkörpert. Und natürlich funktioniert sie immer noch, die Assoziationskette Sonne, Strand und Meer – nicht nur der sonnenhungrige Deutsche denkt dabei an vermeintlich unbeschwerte Urlaubsvergnügen abseits des schnöden Alltagstrotts. Aber auch das Gegenteil all dieser Bewegungsfreude und zur Schau gestellten Aktivitäten findet sich auf den Plakaten: das sprichwörtlich stille Wasser. Hier schwimmen Kleinkinder unter der Wasseroberfläche wie auf Katsumi Abasas Seibu-Plakat aus dem Jahr 1993. Oder das Opernhaus Zürich wirbt 1973 für die Oper „Katja Kabanowa“ mit einer verschatteten, schwarz-weißen Wasseroberfläche, auf der sich kleine Wellen kräuseln.
Zeitgeistiges oder Mineralwasser ist nicht einfach Mineralwasser
Natürlich spiegeln Plakate immer auch den Zeitgeist wider, sind Ausdruck bestimmter gesellschaftlicher Vorstellungen, Ideologien und Ästhetiken. Und so sind in der Ausstellung in der Schweizerischen Nationalbank sehr verschiedene Plakate zum Thema Wasser versammelt, wobei das Museum für Gestaltung aus einem reichen Fundus schöpfen konnte, der zeitlich von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis in die Gegenwart reicht: Mehr als 300.000 Plakate befinden sich in der Sammlung, womit diese zu den umfangreichsten und bedeutendsten ihrer Art gehört. Die Plakate, die für die Ausstellung „Wasser“ ausgewählt wurden, sind sämtlich im 20. Jahrhundert entstanden, das älteste datiert in das Jahr 1940: ein Werbeplakat von Viktor Rutz für das französische Mineralwasser Henniez. Und nicht nur diese Mineralwasser-Marke taucht in der Ausstellung auf – auch die Grafikkunst für Eptinger (Herbert Leupin, 1945) und Perrier (Edelta SA, 1970) ist mit von der Partie und lässt die erfrischenden kleinen Wasserbläschen so sprudeln, dass einem der Mund ganz trocken wird.
Werbung oder eine Nixe, die gar keine Nixe ist
Plakate, die mit dem Thema Wasser spielen und hier insbesondere die Konsumplakate, zeigen fast ausschließlich die positive Seite des feuchten Elements. Denn mit ausgedörrten Landschaften, verdurstenden Kindern oder verdrecktem Wasser lässt sich eben keine gute Laune machen und schon gar nicht zum Kauf einer kostspieligen Uhr oder eines überteuerten Mineralwassers anregen. Doch auch so bietet das Thema Wasser noch eine Menge Stoff für Geschichten: Wasser ist Erholung für Körper und Geist, Wasser ist Bewegung, Wasser gehört zu den vier Urelementen, Wasser kommt in Märchen vor, Wasser ist Gegenstand von Allegorien, Wasser gilt als Symbol für Reinheit und Neubeginn, Wasser spielt im Schöpfungsmythus verschiedener Kulturen eine wichtige Rolle, im Wasser aalen sich Nixen, Sirenen und Meerjungfrauen. Und diese fabelhaften Meereswesen waren es auch, die sich im Jahr 2005 im Zürcher Literaturmuseum Strauhof tummelten. Und was gab es auf dem Ausstellungsplakat des Zürcher Gestaltungsbüros UZ Hochstrasser zu sehen? Richtig: Wasser. Sonnenbeleuchtet auf hellem Fliesengrund. Dazu links in das Bild reinragend ein Nixenschwanz. Dieser bestand jedoch nicht aus silbrig-schuppigen Fischflossen, sondern aus dem nassen Haar einer Blondine – hin drapiert im changierend weißen Swimmingpool.
Weitere Informationen
Die Ausstellung „Wasser“ der Plakatsammlung des Museums für Gestaltung Zürich in der Schweizerischen Nationalbank an der Ecke Fraumünsterstrasse/ Stadthausquai in Zürich ist noch bis zum 8. November zu sehen.
Literaturtipp
Oliver Herwig und Axel Thallemer:
Wasser – Einheit von Kunst und Wissenschaft
Arnoldsche, Stuttgart 2008